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-   -   Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=4257)

Bernhard 02.12.22 10:35

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von photino (Beitrag 101866)
Jeder, der wie Hossenfelder argumentiert, stellt doch den common sense, unseren Umgang mit Wahrscheinlickeit in Frage.

Ich sehe darin eher einen ganz sachlichen Versuch das Messproblem konkret zu lösen. SH müsste zudem wissenschaftlich genug sein, um auch den eigenen Ansatz zu hinterfragen.

Mehr dazu hoffentlich hier: https://arxiv.org/abs/1912.06462

Sollte es einen natürlichen Zufall (zB auf kleinsten Skalen) geben, müssten sich Modelle mit verborgenen Variablen irgendwann selbst überflüssig machen.

photino 02.12.22 11:54

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 101867)
Ich sehe darin eher einen ganz sachlichen Versuch das Messproblem konkret zu lösen. SH müsste zudem wissenschaftlich genug sein, um auch den eigenen Ansatz zu hinterfragen.

Mehr dazu hoffentlich hier: https://arxiv.org/abs/1912.06462

Danke, die Arbeit habe ich gesehen. Hat mich aber nicht überzeugt.

Ich bin keineswegs der Ansicht, dass die Quantentheorie revisionsbedürftig ist. Sie funktioniert ja wunderbar. Nach meiner Ansicht ist das Messproblem ein Scheinproblem, das sich von selbst erledigt, sobald die Theorie von überflüssigem metaphysischem Ballast befreit ist. Das Problem der Quantentheorie ist eher eines der Ontologie: sie ist extrem vage, was überhaupt ihr Gegenstand ist. (Das sollte jede anständige Theorie doch beantworten können!) Das Problem wird durch Unschärferelationen, durch Reden über "Quantenobjekte" mit "unscharfen" Eigenschaften nur verschleiert. Es ist unklar, wo sich ein Photon zwischen dem Emissions- und Absorptionsvorgang befindet, ja ob es überhaupt existiert. In der klassischen Welt sehen wir um uns herum "Objekte", und denken sie uns zusammengesetzt aus noch kleineren "Objekten" (Elementarteilchen). Doch was, wenn es auf den kleinsten Skalen von Raum und Zeit keine "Objekte" mehr gibt? Wenn es nur noch Punktmuster von Absorptions- und Emissionsprozessen gibt, die wir mit unserer angeborenen Fähigkeit, Muster zu erkennen, als Spuren von Elektronen und Photonen beschreiben? Ich bin überzeugt, dass sich Quantenfeldtheorie als Punktprozess (oder zufälliges Punktfeld) in der Raumzeit formulieren lässt. Die Theorie ist ein mathematischer Apparat zur Berechnung von Korrelationsfunktionen, mit denen wir die Punktmuster in der Raumzeit beschreiben.

TomS 02.12.22 12:52

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Axiomatik und Ontologie wären extrem einfach.

1. Die Beschreibung eines Quantensystems erfolgt im Rahmen eines separablen Hilbertraumes.
2. Der Zustand eines einzelnen isolierten Quantensystems wird durch einen normierten Vektor |q> als Element dieses Hilbertraumes vollständig beschrieben. In vielen praktischen Fällen entspricht dies einer Wellenfunktion.
3. Die Zeitentwicklung eines einzelnen isolierten Quantensystems wird durch einen unitären Zeitentwicklungsoperator U(t) beschrieben; diese Regel ist vollständig äquivalent zur Schrödingergleichung.
4. Auf dem Hilbertraum existiert eine (unitäre) Darstellung der Poincare-Gruppe; H entspricht dabei dem Generator von Zeittranslationen.

Damit ist auch die Kausalität klar definiert.

Die weitere Vorgehensweise ist bekannt: Konstruiere für ein gegebenes Vielteilchen-Problem inkl. zu messenden Subsystem, Messgerät usw. den Hamiltonoperator H (sowie weitere Operatoren). Bestimme die Anfangsbedingungen eines Quantenzustandes, d.h. z.B. die Wellenfunktion des Systems auf einem gegebenen raumartigen Schnitt im Vergangenheitslichtkegel des Labors inkl. präpariertem Subsystem usw. Löse die Zeitentwicklung des Zustandes mittels U(t) = exp[-iHt]. Extrahiere mittels geeigneter Operatoren die Eigenschaften zur Messung, d.h. die Lokalisierung von Zeigern usw.

Alles ganz normale Physik - evtl. unlösbar für uns Menschen, aber Physik.

Bernhard 02.12.22 15:14

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von photino (Beitrag 101869)
Ich bin überzeugt, dass sich Quantenfeldtheorie als Punktprozess (oder zufälliges Punktfeld) in der Raumzeit formulieren lässt.

Die Frage dabei ist, wie ein Punktteilchen einen Spin besitzen kann. Vermutlich mit ein Grund, warum manche Leute lieber mit Strings, Wurmlöchern oder mit Fäden argumentieren.

Viel wichtiger für dieses Thema hier, wäre die Frage, ob man aus so einem Modell schlüssig die Axiome, siehe oben #63, herleiten kann. Das wäre schon interessant.

EDIT: Man kann bei dieser Vorstellung einen Zustand als Bewegungsmuster deuten. Bewegungsmuster können sich überlagern und so "Superpositionen" bilden.

photino 02.12.22 19:06

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 101873)
Viel wichtiger für dieses Thema hier, wäre die Frage, ob man aus so einem Modell schlüssig die Axiome, siehe oben #63, herleiten kann. Das wäre schon interessant.

Axiomatisierung ist interessant für Mathematiker. Zur erfolgreichen Anwendung einer Theorie ist sie aber nicht zwingend erforderlich. Geometrie und natürliche Zahlen wurden benutzt lange bevor dafür Axiomensysteme formuliert waren. Die entstanden erst nachdem sich die Grundbegriffe herauskristallisiert hatten. Bei der Quantenmechanik bestand vielleicht die Hoffnung, dass "Messung" durch Einbettung in ein Axiomensystem einen präzisen Sinn bekommen könnte durch feste Beziehungen zu den anderen Begriffen der Theorie. Die Hoffnung hat sich aber wohl nur teilweise erfüllt, sonst gäbe es wohl kein "Messproblem". Ich bin jedenfalls nicht überzeugt, dass die Axiome der Quantentheorie (und der Quantenfeldtheorie!) schon ihre endgültige Form gefunden haben.

Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 101873)
Man kann bei dieser Vorstellung einen Zustand als Bewegungsmuster deuten. Bewegungsmuster können sich überlagern und so "Superpositionen" bilden.

Ja.

Jakito 02.12.22 20:10

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von photino (Beitrag 101869)
Ich bin keineswegs der Ansicht, dass die Quantentheorie revisionsbedürftig ist. Sie funktioniert ja wunderbar. Nach meiner Ansicht ist das Messproblem ein Scheinproblem, das sich von selbst erledigt, sobald die Theorie von überflüssigem metaphysischem Ballast befreit ist. Das Problem der Quantentheorie ist eher eines der Ontologie: sie ist extrem vage, was überhaupt ihr Gegenstand ist. (Das sollte jede anständige Theorie doch beantworten können!)

Die Quantentheorie bietet halt gleich mehrere mögliche Ontologien. Da gibt es zunächst mal die Ontologie, wo es klassische makroskopische Dinge gibt, und die Quantentheorie statistische Aussagen über ein Ensemble gleichartig präparierter Systeme macht. Leslie Ballentine vertritt diese Auffassung, und meint auch nachweisen zu können, dass dies auch Einsteins Auffassung war.

Dann gibt es die verwandte Ontologie, wo die Quantentheorie auch Aussagen über individuelle Systeme macht, bzw. machen kann, aber ansonsten auch die reale Existenz klassischer makroskopischer Dinge akzeptiert. Bohr war "vermutlich" ein Befürworter dieser Ontologie.

Nun kann man beide Ontologien ablehnen. Die die Ensemble Interpretation könnte man z.B. ablehnen, weil es inzwischen Experimente gibt, wo die Quantentheorie sinnvolle und zutreffende Vorhersagen für individuelle Systeme macht. Und die "Wahrscheinlichkeit für individuelle Systeme" Interpretation könnte man ablehnen, weil es "erfolgreiche" Quantenformalismen wie z.B. die QFT gibt, die aktuell nur über Ensembles und nur bei bestimmten Experimenten Aussagen treffen können. (Auch der Formalismus meiner geliebten Consistent Histories Interpretation funktioniert für individuelle Systeme nicht so toll.)

Und natürlich kann man diese Ontologien auch ablehnen, weil man sich etwas besseres versprochen hatte, und Quantenmechanik doch die fundamentale Theorie sein sollte, die nicht auf die klassische Physik für ihre Ontologie zurück greifen darf.

Zitat:

Ich bin überzeugt, dass sich Quantenfeldtheorie als Punktprozess (oder zufälliges Punktfeld) in der Raumzeit formulieren lässt. Die Theorie ist ein mathematischer Apparat zur Berechnung von Korrelationsfunktionen, mit denen wir die Punktmuster in der Raumzeit beschreiben.
An das klassische von den rellen Zahlen modelierte Kontinuum kann ich nicht so recht glauben, als fundamentale Basis der Wirklichkeit. Und da sollen Punktprozesse ablaufen, mit unendlich genau bestimmten Raumzeitkoordinaten? Für mich ist Quantentheorie doch gerade die Methode, wie die Natur um diese Unwirklichkeit herum kommt.

Bernhard 05.12.22 07:18

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 101873)
EDIT: Man kann bei dieser Vorstellung einen Zustand als Bewegungsmuster deuten. Bewegungsmuster können sich überlagern und so "Superpositionen" bilden.

Nicht konkret dazu, aber in dieser Richtung findet man auch etliche Papers. Die www-Suche nach brownian motion schrödinger ergibt Treffer u.a. wie dieses hier: Brownian motion, Lp properties of Schrödinger operators and the localization of binding

Die brownsche Bewegung bildet eine schöne Motivation sich mit Stochastik etwas tiefer auseinander zu setzen.

Jakito 07.12.22 10:38

AW: Axiome der Quantenmechanik - orthodoxe Interpretation
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 101796)
Zitat:

Zitat von Jakito (Beitrag 101790)
… glaube ich, dass "junge Forscher" wie Craig Gidney oder Itai Bar-Natan bei ihrer Beschäftigung mit dem Thema aus neuen Blickwinkeln konkrete Einsichten und generelle Betrachtungsweisen entwickeln …

Ich habe jedoch keine Veröffentlichung der beiden gesehen, die sich mit dem Messproblem befasst.

Ich habe gerade eine Antwort an Craig Gidney von mir gefunden, wo ich auch die beiden explizit als Beispiele für meine "öffentliches Geld in Quanten-Technologien fliesst, ... die zu echten inkrementellen Fortschritten führen werden, wenn ... " angeführt habe. Die expliziten Links in meiner Antwort sind:
https://algassert.com/post/1904
https://itaibn.wordpress.com/2021/05...-disjointness/
https://chat.stackexchange.com/trans...24513#41324513
Meine Antwort ist auch deshalb interessant, weil Peter Donis weiter unten explizit nachbohrt, und ich daraufhin meine Einschätzung ein wenig detailierter verteidige.

Ich frage mich, ob ich irgendwann meine Beispiele "wechseln" sollte. Jarek Duda habe ich auch schon als Beispiel verwendet. (Hmm ... Gerhard Zauner wäre auch ein schönes Beispiel, gerade weil es ein wenig beliebiger ist.) Aber mit mehr Beispielen verwässere ich halt irgendwann mein Argument, und mache es auch angreifbarer. Denn irgendwann wird halt auch einer dieser "jungen Forscher" in irgendweiner Form angreifbar sein. Es gibt ja schon Gründe, wieso die selbst eher vorsichtig sind.


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