Kann man Everetts "reine Quantenmechanik" noch weiter ignorieren?
Hallo zusammen,
In der mehr als hundertjährigen Geschichte der Quantentheorie stellt Hugh Everetts Ansatz (1957) einen ersten Versuch dar, die Quantenphysik und ihre kontraintuitiven Phänomene wie Superposition und Verschränkung kohärent auf der Grundlage der Schrödinger Gleichung (SG) zu deuten. Dem angesichts der Quantenstruktur von Makroobjekten inkonsistent erscheinende Dualismus von Mikrowelt vs. Makrowelt, wie von der Kopenhagenschen Interpretation unterstellt , und der angesichts der Unvollständigkeit der van Neumannschen Kollapstheorie (Heisenberg Schnitt, Widerspruch mit der SG) setzt Everett seine These der „relativen Zustände“ als Komponenten einer universellen Wellenfunktion entgegen. Der „Charme“ dieser Interpretation liegt nicht nur in ihrer Vollständigkeit und Konsistenz, sondern vor allem darin, dass sie die die Quantentheorie „wörtlich nimmt“. Sie vermeidet eine Modifikation der genauesten Gleichung der Quantentheorie, i.e. der unitären, deterministischen SG (wie etwa durch die GRW - Theorie) oder ihre „Ergänzung“ durch „verborgene Variablen“ (Broglie - Bohmsche Theorie). Derartige Veränderungen der SG erscheinen mir im Rückblick wie Versuche ihre vermeintlich „ inakzeptablen“ Konsequenzen abzuwehren (z. B. globale Wellenfunktion des Universums, Paralleluniversen inklusive Vervielfältigung bewusster Lebewesen). Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass die Physik ihre eigenen (revolutionären) Ergebnisse nicht akzeptieren möchte (Kopernikus, Relativitätstheorie, Schwarze Löcher, etc.). Die Dekohärenz - Theorie D. Zehs hat die Beschäftigung mit Everett inspiriert und die Plausibilität seiner Theorie verstärkt (Wallace) , nachdem sie zwanzig Jahre lang totgeschwiegen worden war. Auch die Quantenkosmologie (z. B. Wheeler - deWitt Gleichung) setzt die Existenz einer globalen Wellenfunktion des Universums voraus. Jüngst wurde nicht nur die Existenz von Superpositionen von Makroobjekten nachgewiesen („Quantum ground state and single-phonon control of a mechanical resonator “, March 2010, https://www.nature.com/articles/nature08967), sondern auch der Versuch unternommen die reale Existenz von Ψ experimentell zu beweisen. („Exploring the realistic nature of the wave function in quantum mechanics”, January 5, 2018, https://phys.org/news/2018-01-explor...n-quantum.html) Es wäre iangesichts angesichts der Fortschritte der Experimentalphysik, interessanr, Eure Meinung zu dem faszinierenden Thema des Everettschen Ansatzes (und seiner Nachfolger?) zu erfahren. Bin selbst kein Physiker sondern nur interessierter Laie. „Der mathematische Formalismus der Quantentheorie [ist) in der Lage .. seine eigene Interpretation hervorzubringen, ohne auf irgendeine ‚externe Metaphysik‘ zurückgreifen zu müssen.“ (Bryce deWitt) |
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Hallo Nexus,
wie im Nachbarthema von Tom ausgeführt, halte ich die Arbeiten von Everett eher als Vorläufer der Arbeiten von D. Zeh. Wenn ich es recht verstanden habe, sind Everetts Arbeiten damit eher von historischem Interesse. Die aktuelle Modellbildung innerhalb der Physik kann/muss mit Dekohärenz bezeichnet werden. Da der von Neumannsche Vorschlag des Kollapses aber trotzdem immer noch in der Welt ist, haben wir immer noch zwei verschiedene Modelle. Das präzisere Modell ist, wie Tom bereits geschrieben hat, das Modell der Dekohärenz. |
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@Tom: Ich schlage vor, dass wir unsere Diskussion über die Interpretationen der QM hier fortsetzen.
Kannn man die VWI "auf den Nenner" bringen, dass es zu jedem System (inklusive Messapparatur) eine Wellenfunktion gibt, die das System realistisch im Sinne des Punktes 1 von hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Bellsc...Lokalit%C3%A4t beschreibt? |
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Zitat von TomS Beitrag anzeigen Zitat:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Viel...Interpretation Zitat:
Zitat:
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Als Versuch einer weiteren Antwort scheint es mir aktuell zielführender zu sein sich mit der begrifflichen und sprachlichen Strukturierung der QM zu beschäftigen: https://de.wikipedia.org/wiki/Interp...uantenmechanik . Dieses Vorhaben wird auch von A. Zeilinger unterstützt und eingefordert. In seiner Arbeit "A foundational principle for quantum mechanics", in Foundation of Physics, Band 29 (1999), S. 631–643 verweist er auf die Grundpostulate der Relativitätstheorie und das Fehlen von vergleichbaren Postulaten bei der QM.
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https://www.physikerboard.de/topic,5...echanik-i.html Dabei gibt es zwei Klassen von Axiomen, nämlich den eigtl. Kern sowie diejenigen, die sich teilweise je nach Interpretation ändern können; Kollapspostulat und Bornsche Regel gehören nach Everett sicher nicht zu den fundamentalen Axiomen.de Broglie und Bohm führen m.W.n. ebenfalls weitere Axiome ein. |
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Nochmal: die Grundlage der Everettschen Interpretation ist die Idee, den Zustandsvektor und dessen Dynamik gem. der Schrödingergleichung konsistent ontisch auffassen zu können, d.h. in jeder Situation einschließlich der Messung. Dabei ist nicht von Möglichkeitsraum o.ä. die Rede. Wenn man die strikt ontische Auffassung aufgeben möchte, dann verwirft man besser die Everettschen Interpretation vollständig und bastelt nicht an ihr herum. Interessanterweise lese ich in vielen Darstellungen zu Interpretationen der QM nichts von CFG; er scheint da nicht wahrgenommen zu werden. |
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Wie stelle ich die Zahlen, die dann rauskommen, den experimentellen Daten gegenüber? |
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Streng genommen muss man zwei Fragen klären: 1) Warum resultiert aus der Everettschen Interpretation überhaupt eine Wahrscheinlichkeit? Immerhin ist die Theorie explizit deterministisch. 2) Wenn (1) gelöst ist, warum resultiert gerade die Bornsche Regel? In gewisser Weise ist (2) einfacher bzw. bereits gelöst; man kann nämlich streng beweisen, dass auf einem Hilbertraum nur ein einziges Wahrscheinlichkeitsmaß zulässig ist, und dies enstpricht gerade der Bornschen Regel; dies ist das sogenannte Gleasonsche Theorem Zu (1) gibt es diverse Indizien, angefangen bei Everett selbst. Nach der Dekohärenz tragen die o.g. resultierenden Zweige gerade den gem. Born richtigen Gewichtsfaktor. Nach Hartle konvergiert eine häufige Anordnung eines speziellen "Zähloperators" für das Auftreten bestimmter Ergebnisse bei unabhängigen Messungen gerade gegen das Ergebnis der Bornschen Regel. All dies deutet darauf hin, dass die Bornschen Regel bereits in der Geometrie des Hilbertraumes und einiger Axiome angelegt ist. Es gibt jedoch keinen schlüssigen Beweis, warum diese so resultierenden Werte als Wahrscheinlichkeiten aufzufassen sind. Stell dir vor ich gebe dir Tabellen der Form A ½ B ½ A ¼ B ¾ ... Nun können wir beweisen, dass wenn wir die zweite Spalte als Wahrscheinlichkeiten P(A) = ½ auffassen wollen, dass dann P(B) = 1 - P(A) sowie 0 ≤ P ≤ 1 folgt. Nur, wir können nicht beweisen, dass wenn ich dir diese Tabellen gebe und sie diese Bedingen erfüllen, dass ich sie dann als Wahrscheinlichkeiten interpretieren muss. Das ist eines der wesentlichen Probleme der Everettschen Interpretation: warum folgt aus der Mathematik eine Wahrscheinlichkeitsaussage? Bisher sind alle Herleitungen recht verzwickt und werden immer wieder als zirkulär kritisiert, im Sinne von "wenn wir irgendetwas annehmen, was implizit bzw. versteckt irgendwas enthält, was irgendwie entfernt mit Wahrscheinlichkeiten zu tun hat, dann folgt irgendwie eine Wahrscheinlichkeitsinterpretation sowie die Bornsche Regel". |
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Hallo Tom,
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Ich würde mir das schon mal ansehen, auch wenn aus deinem Beitrag bereits gewisse Alarmsignale zu entnehmen sind. |
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Literatur zu welchem Thema genau?
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Ausreichend klare Formulierungen kann es vielleicht nicht geben ohne eine zufriedenstellende Definition des Begriffs 'quantenmechanische Messung'.
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Ich suche dir einige Quellen zusammen.
mMn versteht man heute im Kern folgende Axiome als grundlegend: 1. Die Beschreibung eines Quantensystems erfolgt im Rahmen eines separablen Hilbertraumes 2. Der Zustand eines einzelnen Quantensystems wird durch einen normierten Vektor als Element dieses Hilbertraumes beschrieben. 3. Die Zeitentwicklung eines einzelnen isolierten Quantensystems wird durch einen unitären Zeitentwicklungsoperator U(t) = exp[-iHt] beschrieben (H entspricht dabei dem Hamiltonoperator; dieses Axiom ist äquivalent zur Schrödingergleichung) |
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Zitat:
Das ist sicher ein wesentliches Defizit der orthodoxen Quantenmechanik. Nach Everett entspricht eine Messung lediglich einer speziellen Wechselwirkung mit einem speziellen makroskopischen Objekt - dem Messgerät - das eine möglichst präzise Korrelation zwischen den Zuständen des zunächst isolierten Quantensystems und den Zuständen des makroskopischen Zeiger des Messgerätes herstellt. |
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Und wie sollen Wahrscheinlichkeiten rauspurzeln, wenn sie nicht "händisch" eingebaut werden? Zitat:
Klar, wir lernen die Statistik an Beispielen lernen, wo man die Ursache für unterschiedliches Ergebnis im eigentlich ungleichen Ablauf vermuten kann. Aber muss deswegen jede Wahrscheinlichkeit eine (tiefere) Ursache haben. Ich persönlich sehe die Tatsache, dass QM die Bell'sche Ungleichung verletzt, als ein starkes Argument dafür, das es keine Ursache gibt. So tickt es bei mir gerade. |
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Während ein Beobachter nur das wahrnimmt, was ihm die Dekohärenz "innerhalb seines Zweiges zu beobachten gestattet", bleibt der "sich auffächernde" Quantenzustand weiterhin streng deterministisch. Stell dir ein Quantenexperiment vor, bei dem ein Zustand beschrieben durch κ|1> + ζ|2> mit einer Münze verschränkt wird, so dass der Gesamtzustand dem resultierenden Vektor κ|1,K> + ζ|2,Z> + ... entspricht. Dies erfolgt streng deterministisch. Das Auffächern dieses Zustandes einschließlich deiner selbst als Beobachter resultiert in dem Vektor κ|1,K, B beobachtet K> + ζ|1,Z, B beobachtet Z> + ... Ob du nun der "B beobachtet K" oder "B beobachtet Z" bist, ist rein zufällig. Das alles ist mathematisch unstrittig; es ist absolute Standard-Quantenmechanik und wird von Tausenden von Physikern im Rahmen von unzähligen Berechnungen und Experimenten täglich verwendet. Strittig wird es erst, wenn man erwähnt, dass eine Messung stattfindet, bei der ein Beobachter B im Spiel ist. Anhänger von Everett werden behaupten, dass der Zustand, beschrieben durch κ|1,K, B beobachtet K> + ζ|1,Z, B beobachtet Z> + ... real existent bleibt. Diejenigen Physiker, die die Everettsche Interpretation ablehnen, werden eine neue Regel erfinden, derzufolge nach Beobachtung von "K" nur noch der Zustand real existiert, der durch |1,K> beschrieben wird. Man beachte, dass diese Regel in allen anderen Fällen explizit inkonsistent mit der Schrödingergleichung ist, während Everetts Regel universell gültig und sonst nie umstritten ist. Man beachte außerdem, dass Everett mittels der Schrödingergleichung den Zustandsvektor κ|1,K, B beobachtet K> + ζ|1,Z, B beobachtet Z> + ... einschließlich der korrekten Amplituden κ, ζ berechnen kann. Was Everett et al. jedoch bisher nicht zeigen können ist, warum aus κ, ζ mittels p(K) = |κ|² p(Z) = |ζ|² die Wahrscheinlichkeiten für Kopf oder Zahl folgen. Versuche bitte zu verstehen, dass die orthodoxe QM sowie die QM nach Everett in fast allen Punkten mathematisch übereinstimmen. Versuche bitte auch zu verstehen, dass es sowohl der Kollaps als auch der nicht-Kollaps nicht weiter hinterfragbare Postulate sind. Während die Everett-Anhänger laut ihren Gegnern etwas unsinniges postulieren, tun die Everett-Gegner laut der Everett-Anhänger dies ebenfalls. Je nach persönlichen Vorlieben kann man beide Ansichten teilen oder ablehnen. |
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Die Eigenwerte dieser Operatoren werden jedoch nicht mehr per Postulat als mögliche Messwerte eingeführt. Es ist eher umgekehrt so, dass eine Messung bzw. ein Messgerät gerade so konstruiert sind, dass eine Korrelation aus diesen Eigenzuständen mit ihren Eigenwerten sowie den makroskopischen Zeigerzuständen folgt. D.h. wenn du z.B. den Spin s messen möchtest, dann musst du eine Messgerät konstruieren, so dass dessen Zeigerzustände |S> gerade mit den Eigenzuständen |s> korreliert sind, so dass du genau damit eine diesbzgl. Auffächerung |s,S> auszeichnest; dieses Messgerät bewirkt genau diese Auffächerung des Zustandes in jeweils stabile sowie wechselweise unsichtbare Zweige. Es handelt sich nicht mehr um ein Postulat, sondern eher um einen Leitsatz zur Konstruktion geeigneter Messgeräte. Im Zuge der orthodoxen Quantenmechanik ist in keinster Weise klar, dass zu jedem selbstadjungierten Operator überhaupt eine physikalisch mögliche Messung existiert. Der Zusammenhang zwischen Messgerät und Observablen bleibt offen. Nach Everett ist klar, warum dies offen bleibt: die Eigenschaft der Messung bzw. des Messgerätes einer bestimmten Observablen hängt am Hamiltonoperator, der die WW des Quantensystems mit dem Messgerät beschreibt. |
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Nun, wenn du verschiedene mögliche Spinzustände s₁, s₂, ... hast, dann enthält dein Gesamt-Endzustand eine Auffächerung der Form
a₁|s₁,S₁> + a₂|s₂, S₂> + a₃ ... Korrelation meint, dass dein Spinmessgerät genau so konstruiert sein muss, dass es diese spezielle Auffächerung mit den Komponenten |s₁,S₁>, ... gemäß der Dekohärenz erzeugt, und dass andere Komponenten wie |s₁,S₂>, ... unterdrückt sind. Wenn du stattdessen ein anderes makroskopisches System hinstellst, dann wird auch irgendein Zustand entstehen, aber eben nicht diese Auffächerung. Und damit wäre dein Gerät eben kein Spinmessgerät. |
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Diese Auffassung steht nicht im Widerspruch zur Dekohärenztheorie, zu der Zeilinger selbst wichtige Beiträge liefert. Natürlich entzieht sie a priori der VWI den Boden, denn wenn es keinen Kollaps der WF gibt, erübrigt sich jede Strategie ihn zu vermeiden. |
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Im Falle mehrerer aufeinanderfolgender Stern-Gerlach-artiger Experimente an einem Elektron mit zunächst |up> + |down> messe man in der ersten Messung z.B. "up". In der darauf folgenden zweiten Messung am selben Elektron misst man dann sicher "up". Nach der MWI + Dekohärenz ist dies klar, da der zweite Zweig dynamisch entkoppelt und keine Interferenz mehr auftreten kann. Nach Kopenhagen o.ä. muss man jedoch annehmen, dass die erste Messung mit "up" der Präparation von |up> entspricht. Würde man auch für die zweite Messung den Zustand |up> + |down> ansetzen, so wäre weiterhin auch "down" mit 50% möglich, was offensichtlich falsch ist. Die Projektion auf |up> ist also zwingend erforderlich! Wenn man den Zustand nicht ontisch auffasst, dann ist das nicht weiter schlimm, insofern es nichts über die Realität aussagt. Man wird also den Kollaps "in der Realität" dadurch los, dass man verzichtet, über die Realität zwischen den Messungen zu reden. Aber man wird nicht die Projektion los. *** Man sollte sich mal ernsthaft überlegen, welche Probleme die orthodoxe Interpretation wie löst: 1) sie sagt Messergebnisse korrekt vorher 2) sie verwendet einen in sich inkohärenten Begriffsrahmen, der von "Messung" spricht, ohne den Begriff definieren zu können, und der abhängig vom Vorliegen einer solchen "Messung" eine zweite ad hoc Regel anwendet, die einer anderen Regeln widerspricht Die Anhänger der orthodoxen QM rechtfertigen (2) mit dem Erfolg von (1) und definieren alles andere zu Scheinproblemen. Die Gegner - und das ist nicht nur Everett - behaupten, dass die Anhänger der orthodoxen QM konsequent bei allen Fragen bzgl. (2) den Kopf in den Sand stecken. Ich halte die Everettsche QM in vielen Bereichen für noch unverstanden; evtl. ist sie sogar falsch. Aber ich schätze die Tatsache, dass ihre Anhänger über offene Probleme nachdenkt anstatt diese zu ignorieren oder gar zu leugnen. Man wird die QM nie verstehen, wenn man es nicht wenigsten versucht. |
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Weshalb bleibt es nach der KI nicht bei up, wenn up aufgrund der ersten Messung bereits feststeht? |
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--- Sehe grad: ich widerspreche dir gar nicht, denn du diskutierst was wäre KD ohne Kollaps. |
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BTW: Je länger ich über den Vorgang einer Messung nachdenke, desto mehr erscheint mir eine informationstheoretische Beschreibung als sinnvoll. Man befreit damit recht elegant Schrödingers Katze von "immerwährenden Toden" und bekommt auch Hinweise auf die generelle Natur der QM. Ich halte es für beispielsweise für plausibel, dass die QM vor allem deswegen entstanden ist, weil unser Wissen vom Mikrokosmos prinzipiell und technisch gesehen sehr unvollständig ist und das legt die Verwendung von Wahrscheinlichkeiten nahe. |
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Man müßte mal schauen, was Kritiker dazu sagen, die KI ohne Kollaps. |
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Wenn Zeilinger eine orthodoxe QM ohne Kollaps befürwortet, dann klingt dies für mich so, als ob er einen Kollaps des realen Systems ausschließt, jedoch eine Pojektion des Zustandsvektors anwendet. Das ist natürlich konsistent, jedoch um den Preis, dass er auf jegliche Beschreibung des realen Systems vollständig verzichten muss. Zeilinger kann das natürlich konsistent anwenden, er ist damit sicher nicht der erste, ich persönlich halte diese Interpretation jedoch für nicht überzeugend. Zitat:
Natürlich muss man nicht annehmen, dass etwas Reales kollabiert, wenn man vollständig darauf verzichtet, dass der Formalismus der QM irgendeinen realen Vorgang beschreibt. Aber man kann nie auf die Projektion des Zustandsvektors oder der Wellenfunktion verzichten, andernfalls sind die Vorhersagen im Falle wiederholter Messungen falsch. Man kann also lediglich die Position einnehmen, dass die Projektion des Zustandsvektors keinem real stattfindenden Kollaps entspricht. Wie gesagt, ich halte das für unbefriedigend. |
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Ich persönlich halte diese informationstheoretische Sicht für genauso unbefriedigend wie die „alte Kopenhagener Schule“. |
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Wenn ich auf die Beschreibung der Realität verzichten möchte, dann kann ich das konsistent tun. Ich muss jedoch akzeptieren, dass die funktionierende Vorhersage von Messergebnissen auf Basis einer Theorie, die die Realität explizit nicht beschreibt, rätselhaft bleibt. Die vielen Welten zu akzeptieren fällt sicher nicht leicht. Wenn ich jedoch einen Formalismus habe, der neben vielen anderen korrekten Vorhersagen zusätzlich noch diese eine macht, und wenn ich die Existenz der vielen Welten sogar explizit akzeptiere solange sie sich auf die mikroskopische Größenordnung beziehen, dann sollte ich jeder Argumentation skeptisch gegenüberstehen, die die Existenz der vielen Welten verbietet, ohne dies konsistent begründen zu können: gemäß der orthodoxen Interpretation wird die Existenz vieler Welten durch das Projektionspostulat im Widerspruch zur Schrödingergleichung verboten. Dass ich also eine Theorie rein bzgl. ihrer korrekte Vorhersagen der Messergebnisse akzeptiere, ist etwas anderes, als dass ich die selbe Theorie einschließlich ihrer inkonsistenten Verwendung von Begriffen und Prozessen sowie der rein instrumentalischen Auffassung jedoch gleichzeitig der Ablehnung der vielen Welten akzeptiere. Ersteres ist OK, letzteres nicht. Wenn ich rein instrumentalischen denke, kann ich konsistent mit der orthodoxen QM arbeiten, darf jedoch daraus keinerlei Schlüsse bzgl. der Everettschen QM ziehen - außer dass ich sie aufgrund meiner instrumentalischen Haltung von vornehmeren ablehne. Die orthodoxen QM hat bzgl. der Existenz der vielen Welten keinerlei Aussagekraft; das übersehen ihre Anhänger gerne. Wenn ich Everett kritisieren will - und dazu gibt es durchaus Gründe - dann muss ich dies aus seiner Interpretation heraus tun, nicht auf Basis einer vollkommen ungeeigneten Interpretation, die über ein shut-up-and-calculate hinaus nichts liefert. Das ist der Grundfehler vieler angeblicher Argumente gegen Everett. |
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Ich sprach nicht von Kritik (Deinen disbezüglichen Ausführungen habe ich nicht widersprochen), sondern von “subjektiven Standpunkten” nachdem Du den Preis ins Spiel gebracht hast: “das ist konsistent, jedoch um den Preis, daß ...”
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Ja, es gibt bei diesen Diskussionen sicher - wie immer wenn's um Interpretationen geht - subjektive Aspekte. Man kann jedoch auch objektive Aspekte finden, wenn man sich Mühe gibt :-) Wichtig war mir nur, dass man sauber trennt, welche Positionen welche Argumentationen stützen und welche nicht. Dabei ist die Argumentation möglicherweise nicht wissenschaftlich im Popperschen Sinne der Falsifizierbarkeit, und damit eben auch nicht richtig oder falsch in diesem Sinne. Die Argumentation kann aber dennoch objektiv logisch oder unlogisch sein. Der letzte Punkt ist mir in diesem Zusammenhang besonders wichtig, weil ich die Argumente der Vertreter von "Kopenhagen" gegen "Everett" häufig für zutiefst unlogisch halte. Zunächst bezieht man rein subjektiv einen Standpunkt wie z.B. "pro Positivismus" und "shut-up-and-clacluate"; damit verbunden ist der Verzicht auf ontologische Aussagen. Unter dieser Voraussetzung ist eine Kritik aus Sicht von "shut-up-and-calculate" an "many worlds" objektiv unlogisch. |
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---- Mir kommt vor, dass der Verzicht auf den Kollaps bei der KI Konsequenzen für Beobachtungen hätte ... von der Art, wie Tom sie oben beschrieb: die gemessene Observable hätte nach einer Messung keinen "scharfen Zustand", was im Prinzip leicht überprüfbar wäre durch nachfolgende Messungen derselben Observablen und sicher im Widerspruch zu Beobachtungen stünde? Ich weiss nicht, ob und wie Zeh so einen Widerspruch vermeidet? |
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Ja, man kann mittels der Dekohärenz argumentieren, dass und warum sich die klassische Welt ausbildet. Man kann jedoch nicht argumentieren, dass genau eine und warum genau diese Welt entsteht - die Dekohärenz führt zunächst mathematisch auf eine Struktur a la Everett. D.h. dass man sich auch mit Berücksichtigung der Dekohärenz entscheiden muss, ob man eine Art Projektion oder Kollaps einführt, oder ob man bei Everett bleibt. ---- Zitat:
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Der Beobachter macht u.U. ungenaue Einschätzungen, wie z.B. das Elektron befindet sich in einem gewissen Bereich der Breite L. Diese Mehrdeutigkeit ist in der QM erlaubt und geht als Anfangsbedingung in die Wellenfunktion ein. Diese Mehrdeutigkeit scheint mir aber Toms Darstellung der VWI (teilweise ?) zu widersprechen. |
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Der Beobachter ist doch nur ein weiteres "Messgerät", das sensorischen Input in Output übersetzt. Diese Übersetzung folgt den selbe fundamentalen Regeln der QM wie alles andere auch. Evtl. habe ich deinen Einwand aber auch nicht richtig verstanden. |
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Es bliebe dann nur noch die Frage nach den Wahrscheinlichkeiten. Um zu realen Messerbnissen mit Wahrscheinlichekeit 1 (d.h. Beobachter A misst tatsächlich den Wert xy) zu kommen, müsste man innerhalb der VWI dann doch auch mit den Eigenzuständen der Observablen argumentieren? |
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Die Dekohärenz sagt uns, dass die resultierende Komponenten zwar nicht exakt |a,A> entsprechen, jedoch extrem präzise um |a,A> gepeaked ist. D.h. dass nach Kopenhagen |ψ> → |a,A> p(a) = |<ψ|a,A>|² = |α|² exakt gilt, während nach Everett |ψ> → α|a,A> + β|b,B> + ... p(a) = |<ψ|a,A>|² = |α|² rein praktisch in extrem guter Näherung gilt. → bezeichnet die Projektion nach Kopenhagen bzw. die Zeitentwicklung entsprechend der Dekohärenz, jeweils im Zuge der Messung. Eigtl. müsste man über einen kleinen Bereich im Hilbertraum integriren, d.h. so etwas wie ∫ da dA tr(ρÂ) betrachten; da und dA bezeichnen Maße im Hilbertraum, tr steht für die Spur, ρ = |ψ><ψ| für den Dichteoperator und  für den jeweiligen Projektor; das Integral ∫ läuft dabei über einen kleinen Bereich im Hilbertraum. Die Anwendung des Projektionspostulates und der Bornschen Regel werden also nachträglich durch die Eigenschaften der Dekohärenz gerechtfertigt. Damit wird klar, warum die Regeln gemäß Born, von Neumann et al weiterhin praktisch (fapp) gültig bleiben ∫ da dA tr(ρÂ) entspricht dabei dem Wahrscheinlichkeitsmaß entsprechend der Bornschen Regel; dieses Wahrscheinlichkeitsmaß ist eindeutig, d.h. man kann kein anderes Wahrscheinlichkeitsmaß auf einem Hilbertraum konstruieren. |
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Wir hatten weiter oben von Weizsäcker's Ansatz gesehen, sich von der Realität aller Welten zu distanzieren. Gänzlich unverdächtig ist Dieter Zeh (leider schon verstorben). Er schreibt in seinem sehr lesenswerten Artikel Wozu braucht man “Viele Welten” in der Quantentheorie?
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http://quanten.de/forum/showpost.php...9&postcount=47 |
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Ich möchte Zeh nicht kommentieren. Ich hatte mehrfach Mailkontakt mit ihmund war immer wieder enttäuscht, dass seine Aussagen teilweise recht unklar blieben.
Standard-Ansicht von Everett et al. ist: Zitat:
Wenn Zeh etwas anderes sagt, dann ist das m.E. nicht Konsens innerhalb der Community sondern sozusagen eine Zwischenlösung. Zeh hat aber m.W.n. nie explizit pro Everett argumentiert, sondern eher pragmatisch auf Basis Dekohärenz. |
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