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W. Pauli 21.08.19 18:33

Wurmlöcher
 
Hallo,

ich bin neu im Forum und habe eine Frage zu Wurmlöchern.

Ein Wurmloch verbindet 2 Orte desselben Raumes miteinander wie eine Art Tunnel. Dargestellt wird das häufig wie folgt: Eintritt in den Eingang des Wurmlochs. Kurze Zeit vergeht (auf der Erde gemessen kurze Zeit). Austritt aus dem Ausgang des Wurmlochs -> Überwindung einer sehr großen räumlichen Distanz in kurzer Erdzeit.


Mein Verständnisproblem: Um die Orte miteinander zu verbinden, muss das Wurmloch den Raum krümmen (z.B. via Gravitation). Und da in der Relativitätstheorie Raum und Zeit untrennbar miteinander verbunden sind, wird dabei also auch die Zeit gekrümmt. Das Szenario "Eintritt in den Eingang des Wurmlochs. Kurze Zeit vergeht (auf der Erde gemessen kurze Zeit). Austritt aus dem Ausgang des Wurmlochs -> Überwindung einer sehr großen räumlichen Distanz in kurzer Erdzeit." dürfte demnach so nicht möglich sein. Betrachtet man dieselbe Distanz und legt diese mit annähernd Lichtgeschwindigkeit zurück, so würden für den Reisenden nur einige Sekunden vergehen, während auf der Erde einige Millionen Jahre vergangen sind. Wäre das nicht derselbe Effekt bei der Reise durch das Wurmloch wegen der Raumzeitkrümmung? Sowohl die Reise mit hoher Geschwindigkeit, als auch die "Verkürzung" der Distanz mittels Gravitation wären Folgen hoher Energie im Raum, wodurch eine Raumzeitkrümmung folgt. Es wäre also egal, ob ich mich mit sehr hoher Geschwindigkeit bewege oder mittels Gravitation die Raumzeit krümme.

Ich freue mich über Antworten. Diese dürfen ruhig auch mathematisch begründet sein.
Viele Grüße

Bernhard 22.08.19 07:33

AW: Wurmlöcher
 
Hallo WP,

Zitat:

Zitat von W. Pauli (Beitrag 92090)
Ich freue mich über Antworten. Diese dürfen ruhig auch mathematisch begründet sein.

den mathematischen Rahmen für eine Begründung hier darzustellen würde den Rahmen sprengen. Also bleibt nur die Veranschaulichung und die geht am besten mit einem Blatt DIN-A4-Papier.

Lege das Blatt wie einen Brief vor dich hin. Zeichne symmetrisch oben und unten je ein Kreuz und verbinde die beiden Punkte, d.h. parallel zur langen Kante des Blattes. Du bekommst einen langen Weg.

Jetzt nimm das Blatt in die Hand, falte es einmal parallel zur kurzen Kante, so dass die beiden Kreuze übereinander liegen. Jetzt gibt es über die dritte Dimension einen wesentlich kürzeren Weg von A nach B.

Im Prinzip funktionieren Wurmlöcher genau so.

Timm 22.08.19 08:37

AW: Wurmlöcher
 
Etwa so:

https://de.wikipedia.org/wiki/Wurmlo...mhole-demo.png

W. Pauli 22.08.19 09:12

AW: Wurmlöcher
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 92091)

Lege das Blatt wie einen Brief vor dich hin. Zeichne symmetrisch oben und unten je ein Kreuz und verbinde die beiden Punkte, d.h. parallel zur langen Kante des Blattes. Du bekommst einen langen Weg.

Jetzt nimm das Blatt in die Hand, falte es einmal parallel zur kurzen Kante, so dass die beiden Kreuze übereinander liegen. Jetzt gibt es über die dritte Dimension einen wesentlich kürzeren Weg von A nach B.

Im Prinzip funktionieren Wurmlöcher genau so.

Danke für deine Antwort. Also wie Wurmlöcher prinzipiell funktionieren weiß ich schon. Aber Falten des Blatts bedeutet ja die Raumzeit krümmen. Es geht mir dabei um die Zeit. Also selbst wenn ein Wurmloch erschaffen werden könnte, würde nicht bei der Reise durch das Wurmloch genauso viel Zeit auf der Erde vergehen, wie wenn man die eigentliche Distanz mit annähernd LG zurücklegt?

Bernhard 22.08.19 11:59

AW: Wurmlöcher
 
Zitat:

Zitat von W. Pauli (Beitrag 92093)
Es geht mir dabei um die Zeit.

Da muss man immer einen Beobachter definieren, da es so etwas wie eine globale Zeit der Raumzeit im Grunde nicht gibt. Messbar ist immer die Zeit, die für einen bestimmten Beobachter oder eine Gruppe von Beobachtern vergeht. Diese Zeit wird dann Eigenzeit genannt. Du kannst also einen Beobachter durch das Wurmloch schicken, dann wieder zurückkehren lassen und dann danach fragen welche Zeit für ihn vergangen ist und diese ist dann eben deutlich kürzer, als wenn er den langen Weg mit knapp c zurückgelegt hätte.

W. Pauli 22.08.19 12:51

AW: Wurmlöcher
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 92094)
Da muss man immer einen Beobachter definieren, da es so etwas wie eine globale Zeit der Raumzeit im Grunde nicht gibt. Messbar ist immer die Zeit, die für einen bestimmten Beobachter oder eine Gruppe von Beobachtern vergeht. Diese Zeit wird dann Eigenzeit genannt. Du kannst also einen Beobachter durch das Wurmloch schicken, dann wieder zurückkehren lassen und dann danach fragen welche Zeit für ihn vergangen ist und diese ist dann eben deutlich kürzer, als wenn er den langen Weg mit knapp c zurückgelegt hätte.

Hallo. Eigenzeit ist mir bekannt. Dass für den Reisenden beim Durchqueren des Wurmlochs weniger Zeit vergangen ist, als mit annähernd c kann man erstmal nicht sagen, da nicht bekannt ist, wie weit sich der Reisende c annähert. Es kann für ihn mit "fast" c auch weniger Zeit vergehen als beim Durchqueren des Wurmlochs

Aber darum geht es eigentlich gar nicht. Sondern um die auf der Erde vergangene Zeit. Bei der Reise mit annähernd c vergehen auf der Erde z.B. einige Millionen Jahre. Bei Durchqueren des Wurmlochs wird einem suggeriert, die vergangene Zeit auf der Erde entspricht der "kurzen" Zeit beim Durchqueren des Wurmlochs. Und ich wollte nur wissen, ob das nicht eine falsche Vorstellung ist. Denn durch die Krümmung der Raumzeit sollten nach meinem Verständnis nach dem Durchqueren des Wurmlochs auf der Erde ebenfalls einige Millionen Jahre vergangen sein

Bernhard 22.08.19 13:17

AW: Wurmlöcher
 
Zitat:

Zitat von W. Pauli (Beitrag 92095)
Und ich wollte nur wissen, ob das nicht eine falsche Vorstellung ist.

Ich gehe davon aus, dass das falsch ist, da die Eigenlänge der Distanz ja (angeblich) real verkürzt wird. Es wäre widersprüchlich, wenn der Reisende für eine Distanz von einigen Metern Millionen von Jahren benötigen würde.

W. Pauli 22.08.19 14:23

AW: Wurmlöcher
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 92096)
Ich gehe davon aus, dass das falsch ist, da die Eigenlänge der Distanz ja (angeblich) real verkürzt wird. Es wäre widersprüchlich, wenn der Reisende für eine Distanz von einigen Metern Millionen von Jahren benötigen würde.

Tut mir leid. Hier liegt immer noch ein Missverständnis vor
Die verbreitete Vorstellung ist, dass sowohl für den Reisenden, als auch auf der Erde gemessen nur eine kurze Zeitspanne vergeht bei Durchqueren des Wurmlochs
Dieser Vorstellung widerspreche ich mit der Begründung, dass wenn die Distanz derart gekrümmt wird, dabei unweigerlich auch die Zeit gekrümmt wird. Sodass letztlich kein Unterschied besteht, ob man das Wurmloch durchquert oder die Distanz mit annähernd c überwindet. In beiden Fällen würde für den Reisenden eine kurze Zeitspanne vergehen, aber einige Millionen Jahre auf der Erde

Mit obiger Vorstellung müsste man ja davon ausgehen, dass es möglich ist den Raum zu krümmen ohne dabei die Zeit zu krümmen

Bernhard 22.08.19 14:30

AW: Wurmlöcher
 
Zitat:

Zitat von W. Pauli (Beitrag 92097)
Mit obiger Vorstellung müsste man ja davon ausgehen, dass es möglich ist den Raum zu krümmen ohne dabei die Zeit zu krümmen

Abgesehen davon, dass das auch nur eine anschauliche Vorstellung ohne konkreten Beweis ist, stellt sich die Frage, warum das nicht möglich sein sollte.

BTW: Um anschauliche Vorstellungen und Vermutungen auf ihren Realitätsgehalt hin zu untersuchen, müssen die zugehörigen mathematischen Modelle untersucht werden. Die daraus abgeleiteten Aussagen sind dann als abgesichert zu betrachten.

W. Pauli 22.08.19 14:41

AW: Wurmlöcher
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 92098)
Abgesehen davon, dass das auch nur eine anschauliche Vorstellung ohne konkreten Beweis ist, stellt sich die Frage, warum das nicht möglich sein sollte.

Na weil nach der Relativitätstheorie Raum und Zeit untrennbar miteinander verbunden sind. Veränderungen gehen also immer gemeinsam einher

Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 92098)
BTW: Um anschauliche Vorstellungen und Vermutungen auf ihren Realitätsgehalt hin zu untersuchen, müssen die zugehörigen mathematischen Modelle untersucht werden. Die daraus abgeleiteten Aussagen sind dann als abgesichert zu betrachten.

Stimme ich vollkommen zu. Falls also jemand die Fähigkeit besitzt hier Argumente mit mathematischen Modellen zu belegen, wäre das natürlich optimal

W. Pauli 22.08.19 16:51

AW: Wurmlöcher
 
Ich möchte dazu noch folgendes ergänzen: Analogie zu einem Schwarzen Loch
Ein Schwarzes Loch krümmt die Raumzeit unendlich, sodass man von einer Singularität spricht. Aus Wikipedia: "Relativistische Effekte (allgemeine Relativitätstheorie) führen aber dazu, dass ein von einem zweiten, weit entfernten Beobachter betrachteter Körper aufgrund der Zeitdilatation unendlich lange braucht, um den Ereignishorizont zu erreichen..."

Nun wäre das bei einem Wurmloch zwar nicht exakt dasselbe, aber die starke (nicht unendliche) Raumzeitkrümmung würde hier ja nun ebenfalls zu einer derartigen Zeitdilatation führen. Der Unterschied wäre nur, dass dadurch, dass keine unendliche Krümmung besteht, der Reisende für einen Beobachtet nicht unendlich lange braucht, um das Wurmloch zu durchqueren, sondern eben nur sehr lange (einige Millionen Jahre). Daher würde kein Unterschied bestehen zu einer Überwindung der Distanz mit annähernd c. Gleicher Effekt der Zeitdilatation

Bernhard 22.08.19 17:10

AW: Wurmlöcher
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 92098)
BTW: Um anschauliche Vorstellungen und Vermutungen auf ihren Realitätsgehalt hin zu untersuchen, müssen die zugehörigen mathematischen Modelle untersucht werden. Die daraus abgeleiteten Aussagen sind dann als abgesichert zu betrachten.

Ich referenziere dazu mal den Klassiker von Kip Thorne: Wormholes in space-time and their use for interstellar travel: A tool for teaching general relativity
In Abschnitt E, Punkt i wird die folgende Bedingung genannt:
Zitat:

the entire trip should require less than or of order 1 year as measured both by the traveler and by people who live in the stations
Es wird also vorausgesetzt, dass die Reisezeit durch das Gate auch für entfernte Beobachter unter einem Jahr bleibt. Natürlich sollen auch die Gezeitenkräfte für den Reisenden erträglich bleiben.

Inwieweit beide Bedingungen theoretisch erfüllt werden können erschließt sich mir aus der genannten Arbeit noch nicht vollständig, aber ich denke es würde in dem Paper zumindest erwähnt werden, wenn beide Bedingungen bereits theoretisch auszuschließen wären.

W. Pauli 22.08.19 17:29

AW: Wurmlöcher
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 92101)
Inwieweit beide Bedingungen theoretisch erfüllt werden können erschließt sich mir aus der genannten Arbeit noch nicht vollständig, aber ich denke es würde in dem Paper zumindest erwähnt werden, wenn beide Bedingungen bereits theoretisch auszuschließen wären.

Super, danke. Nun sind wir genau bei meinem Verständnisproblem angekommen und haben die Arbeit eines Nobelpreisträgers zur Verfügung. Hier bräuchte ich jetzt Hilfe, weil ich kein Physiker bin. Falls jemand also die relevanten Teile hier herausholen könnte mit einer verständlichen Erklärung, wäre ich sehr dankbar. Natürlich versuche ich mich auch selbst daran.
Die bloße Existenz einer solchen Arbeit überzeugt mich noch nicht. Ist aber bereits ein Schritt dahin

Bernhard 22.08.19 21:11

AW: Wurmlöcher
 
Zitat:

Zitat von W. Pauli (Beitrag 92102)
Hier bräuchte ich jetzt Hilfe, weil ich kein Physiker bin.

Hilfreich könnte der Hinweis sein, dass man beim Studium von Wurmlöchern immer die einsteinschen Feldgleichungen verwendet. Diese Feldgleichungen geben den mathematischen Zusammenhang zwischen der Geometrie der Raumzeit und der Verteilung und Dynamik der Materie in dieser Raumzeit vor.

Man kann also a) entweder die Materieverteilung vorgeben (z.B. Vakuum) und dann die zugehörige Raumzeit berechnen oder b) umgekehrt die Raumzeit vorgeben und dann die zugehörige Materieverteilung berechnen.

a) ist mathematisch relativ anspruchsvoll und wurde z.B. von K. Schwarzschild und R. Kerr durchgeführt um die Raumzeit-Lösungen Schwarzer Löcher (als Vakuuumlösung) zu finden.
b) ist mathematisch etwas leichter und wird z.B. bei den Wurmlöchern verwendet. Man kam auf diesem Wege dann zu der Suche nach exotischer Materie.


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