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-   -   In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich? (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=3382)

tom987 21.07.18 21:21

In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Hallo!

Es gibt ja einige Dinge in der Physik wo es eine Art vorherrschende Meinung gibt, wobei auch die Minderheit Recht haben könnte. Vielleicht ist auch irgendjemand mit seiner Privattheorie näher an der Wahrheit als andere.

Ich habe leider nur, wenn überhaupt, den Überblick über die vorherrschende Meinung. Wer kann mit ein Stichwort nennen bzgl. einer Physik bzw. einer Art von Universum. in der es möglich wäre irgendwie eine Botschaft in die Vergangenheit zu senden?

Ob das auch praktisch geht, soll keine Rolle spielen.

Bernhard 21.07.18 23:05

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Hallo tom987,

Zitat:

Zitat von tom987 (Beitrag 88116)
Wer kann mit ein Stichwort nennen bzgl. einer Physik bzw. einer Art von Universum. in der es möglich wäre irgendwie eine Botschaft in die Vergangenheit zu senden?

du meinst das Kausalitätsgesetz: https://de.wikipedia.org/wiki/Kausalit%C3%A4t#Physik . Es wird von jeder "guten" Theorie erfüllt, und es verbietet eben genau das Senden von Informationen in die Vergangenheit, weil dadurch die Gegenwart instantan (d.h. augenblicklich) verändert werden könnte, was aber so noch nie real beobachtet wurde.

Eine Verletzung des Kausalitätsgesetzes bleibt damit reine Sciencefiction.

tom987 22.07.18 09:07

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Danke! Das ist sehr schade, nicht mal eine Außenseiterheorie oder sowas.

Hawkwind 22.07.18 10:28

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 88117)
Hallo tom987,


du meinst das Kausalitätsgesetz: https://de.wikipedia.org/wiki/Kausalit%C3%A4t#Physik . Es wird von jeder "guten" Theorie erfüllt, und es verbietet eben genau das Senden von Informationen in die Vergangenheit, weil dadurch die Gegenwart instantan (d.h. augenblicklich) verändert werden könnte, was aber so noch nie real beobachtet wurde.

Aber wie sollte man das auch beobachten? :)

Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 88117)
Eine Verletzung des Kausalitätsgesetzes bleibt damit reine Sciencefiction.

Tatsächlich habe ich doch schon gelegentlich seriöse Artikel gelesen, in denen über solche Möglichkeiten spekuliert wurde: die Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik mag solche Zeitreisen (oder Botschaften) in die Vergangenheit zulassen, ohne Paradoxa zu erzeugen.
Siehe z.B. von Everett höchstpersönlich:

Allen Everett, Phys. Rev. D 69, 124023, 2004, "Time travel paradoxes, path integrals, and the many worlds interpretation of quantum mechanics"
Time travel paradoxes, path integrals, and the many worlds interpretation of quantum mechanics

oder als frei zugängliches pdf
https://arxiv.org/pdf/gr-qc/0410035.pdf

----

oder
Paradoxes of Time Travel:
The Uncertainty Principle, Wave Function, Probability, Entanglement, and Multiple Worlds


Zitat:

...
This paradox, however, can be resolved through Everett's conception of Many Worlds. The past which is changed, is just one past among many. Hence, in terms of the "grandfather" paradox, for example, one may travel back in time but the "grandfather" they kill would not be their "grandfather," but the "grandfather" of their doppelganger who exists in an alternate world as there are innumerable worlds each with their own probable existence and space-time.
...
Die Zeitreise erzeugt "einfach" eine zusätzliche Welt. :)

TomS 22.07.18 12:39

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 88119)
Siehe z.B. von Everett höchstpersönlich:

Allen Everett, Phys. Rev. D 69, 124023, 2004, "Time travel paradoxes, path integrals, and the many worlds interpretation of quantum mechanics"

Das ist nicht “Everett höchstpersönlich”; Everett höchstpersönlich ist Hugh Everett

Hawkwind 22.07.18 13:03

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88120)
Das ist nicht “Everett höchstpersönlich”; Everett höchstpersönlich ist Hugh Everett

Hmm, ja - stimmt. Auf den Vornamen hatte ich nicht so geachtet; passte auch zu gut, dass der Autor sich auf Viele-Welten bezog.
Danke für die Richtigstellung, Tom.

TomS 22.07.18 14:24

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Noch ein paar Bemerkungen zur Vermeidung der Paradoxa bei Vorliegen von geschlossenen zeitartigen Kurven:

Ich halte es für relativ mühsam, diese zunächst in die Theorie einzuführen um abschließend ihre Effekte zu eliminieren. Zunächst mal stammt das Bild aus einer mit Sicherheit inkompatiblen Kombination von klassischer Geometrie gemäß ART einschließlich geschlossener zeitartiger Kurven sowie darauf konstruierten Quantentheorien. Statt also an den Folgerungen eines insgs. inkonsistenten Modells herumzubasteln, sollte man dieses Modell selbst in Frage stellen.

Die im Artikel genannten Pfadintegrale sind in ihrer ursprünglichen Form gemäß Feynman aus dem Hamiltonschen Formalismus hergeleitet. Während das Lagrangesche Pfadintegral wohl auf Mannigfaltigkeiten mit geschlossenen zeitartigen Kurven formuliert werden kann, gilt dies für das Hamiltonsche Pfadintegral nicht; dieses setzt voraus, dass die zugrundeliegende Mannigfaltigkeit global hyperbolisch ist und damit geschlossene zeitartige Kurven ausschließt.

Glaubt man an eine Theorie der Quantengravitation oder legt man eine gewöhnliche Quantentheorie mit Hamiltonoperator H, Zeitentwicklungsoperator U = exp[-iHt] und unitärer Zeitentwicklung |ψ(t)> = U(t,t°) |ψ(t°)> zugrunde, sind derartige Artefakte per Konstruktion ausgeschlossen.

Siehe auch: Chronology protection conjecture

Bernhard 22.07.18 17:08

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 88119)
Aber wie sollte man das auch beobachten? :)

Beispielsweise über eine Verletzung des Energiesatzes bzw. anderer bestätigter Naturgesetze.

Hawkwind 22.07.18 18:30

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 88123)
Beispielsweise über eine Verletzung des Energiesatzes bzw. anderer bestätigter Naturgesetze.

Ich denke nicht, dass so eine Verletzung der Energieerhaltung zwingend ein Indiz auf eine aus der Zukunft gekommene Information wäre. Meines Wissens ist es auch gar nicht so offensichtlich, wie und ob ein Energieerhaltungssatz in gekrümmten Raum-Zeiten formuliert werden kann.
Andererseits zugegeben, wir kennen keine seriösen Berichte über Zeitreisen oder Informationen aus der Zukunft.

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88122)

Danke für die Diskussion und den interessanten Link: die Referenzen auf der Seite verweisen schon auf "phantastische" Themen:
"Traversable wormholes: the Roman ring"
"Black Holes and Time Warps"
"Time Travel and Warp Drives"
"Causality violation and naked time machines in AdS5"

Bernhard 22.07.18 18:42

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 88124)
Ich denke nicht, dass so eine Verletzung der Energieerhaltung zwingend ein Indiz auf eine aus der Zukunft gekommene Information wäre.

Ich stelle mir da einen Sender in der Gegenwart vor, der die Gegenwart in einer plausiblen Weise manipulieren kann. Falls der Sender das nicht kann, kann die Funktionalität des Senders in Frage gestellt werden.

Eine Nachricht aus der Zukunft ist ebenfalls nur über eine Verletzung der Naturgesetze denkbar, weil die Nachricht prinzipiell als Nachricht aus der Zukunft erkennbar sein muss.

TomS 23.07.18 20:34

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von reinhard (Beitrag 88128)
Die von Gödel gefundenen Lösungen der Einstein Feldgleichungen.

Im von mir genannten Hamiltonschen Formalismus sind derartige Lösungen ausgeschlossen, da die auftretenden Mannigfaltigkeit nicht global hyperbolisch sind.

Das ist äquivalent zu der Tatsache, dass ein globales Anfangswertproblem nicht formulierbar ist. Vereinfacht gesprochen bedeutet dies, dass die einfache Forderung
1) gegeben sei ein Zustand für einen bestimmten Zeitpunkt t;
2) daraus kann ich den Zustand für jeden beliebigen Zeitpunkt tˋ > t, d.h. für die Zukunft von t berechnen

nicht erfüllt ist.

Es geht nicht darum, dass (2) zu Inkonsistenzen führen könnte, sondern dass bereits (1) nicht formulierbar ist.

Quantum Of Justice 24.07.18 07:44

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Die Zeitreise erzeugt "einfach" eine zusätzliche Welt. :)
Das wollte ich auch schreiben... :D

Quantum Of Justice 24.07.18 07:53

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
In der Maktroskopischen welt scheinen Raum und Zeit wohl definiert zu sein.

Aber im ganz kleinen gibt es schon noch Fragenzeichen, auch in unseren Theorien unseren Welt.

Z.B. könnte man bei der "Verschränkung" von Teilchen, unsere Vorstellung vom Raum hinterfragen.
Und beim Quantenradierer-Experiement die Zeit. Da wird anscheinend das Vergangene umgeschrieben! Oder die Zeit so wie wir sie kennen im Makroskopischen existiert nicht oder anders in der kleinsten Welt. Aber vielleicht liegts ja auch nicht an der Dimension Zeit, sondern wir haben den Begriff Information noch nicht durchblickt...

Quantum Of Justice 24.07.18 08:54

Zitat:

Zitat von tom987 (Beitrag 88116)
Hallo!

Es gibt ja einige Dinge in der Physik wo es eine Art vorherrschende Meinung gibt, wobei auch die Minderheit Recht haben könnte. Vielleicht ist auch irgendjemand mit seiner Privattheorie näher an der Wahrheit als andere.

Ich habe leider nur, wenn überhaupt, den Überblick über die vorherrschende Meinung. Wer kann mit ein Stichwort nennen bzgl. einer Physik bzw. einer Art von Universum. in der es möglich wäre irgendwie eine Botschaft in die Vergangenheit zu senden?

Ob das auch praktisch geht, soll keine Rolle spielen.

Wenn es solche Theorien gibt, dann sind sie meiner Meinung nach nicht völlig unschlüssig oder unmöglich oder unlogisch...

Hätte man vor den Quantenexperiementen diese Theorien präsentiert, wären es nur sehr wage und unnatürliche/unreale Theorien gewesen. Aber in den letzten 80 Jahren hat sich viel unerwartetes und counter-Intuitives herausgestellt aus den Quantenexperiementen. Z.B. das gewonnene Information die realität Verändert.
So könnte auch gewonne Information aus der Zukunft die realtität der Gegenwart verändern, in Form einen neuen parallel Univerum in einem Multiversium...
Z.B. Könnte eine Theorie sagen: Parallel Universen werden erschaffen, wenn eine weitere Zeit-Dimension ensteht, und es kann beliebig viele Zeit-Dimensionengeben. Die Theorie könnte sagen, das es unendlich viele virtuelle Zeit-dimensionen gibt (so wie in der Quantenmechanik die Teilchen nur als virtuelle wellenartigagierende Felder mit eine gewissen Aufentalswahrscheinlichkeit sind)
Und eine Zeit-Dimension ensteht, wenn eine Information aus einem anderen solchem parallel Universum (Zukunft dessen) ins andere kommt, es ensteht ein neuer Zeitpfeil, wie eine Y-Weiche.

Ja es ist eine ganz andere Hausnummer, aber wenn jemand vor 100 Jahren von Verschränkung und Quantenradieren erzählt hätte, hätte das nur die allerwenigsten Ernst genommen und tendenziell keine professionellen Physiker. :rolleyes:

TomS 24.07.18 12:07

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Quantum Of Justice (Beitrag 88130)
Zitat:

Die Zeitreise erzeugt "einfach" eine zusätzliche Welt.
Das wollte ich auch schreiben

Das ist zu einfach gedacht; zuvor muss man verstanden haben, was der Begriff „Welt“ mathematisch eigtl. bedeutet.

Quantum Of Justice 24.07.18 13:06

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88133)
Das ist zu einfach gedacht; zuvor muss man verstanden haben, was der Begriff „Welt“ mathematisch eigtl. bedeutet.

Mathematisch? Du meinst Physikalisch, oder?

Aber ja, man muss vorsichtig sein mit dem Begriff "Welt". Ich "weiss" meistens aus dem Kontext/Inhalt was der Verfasser sich darunter vorgestellt hat.

Für mich z.B. ist eine Welt, welche gleiche (oder vergleichbare) Eigenschaften aufweisst und wo man Wechselwirkung innerhalb dieser niemals 100% ausschliesen kann: z.B. könnte es eine Welt geben mit einem Universium. Oder es könnte eine Welt geben welches ein Multiversum ist, wo nicht auszuschliessen ist das die verschiedenen Universen in diesem Multiversum miteinander wechselwirken können (auf welche Art und Weise auch immer).
Und man kann weiter gehen und sagen zu dieser Welt gibt es Parallel-Welten, welche aber niemals und unter keinen umständen in irgendeiner einer Form aufeineander uni- oder bi-direktional wirken (ansonsten wäre es einfach ein spezieller Teil dessen Welt, mit welcher sie "wirkt").

Eventuell kann am schluss nur die reine Logik und Mathematik uns sagen was am Wahrscheinlichsten ist...

z.B. für meine persönliche (menschliche und menschlich-begrenzte) Logik wäre es viel Wahrscheinlicher es gäbe einfach Überhaupt Nichts...
und doch sitz ich hier und mach mir gedanken... Das zum thema vermeintliche Wahrscheinlichkeiten....

TomS 24.07.18 21:43

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Quantum Of Justice (Beitrag 88134)
Mathematisch? Du meinst Physikalisch, oder?

Nein, ich meine mathematisch.

Der Begriff „Welt“ ist im Kontext der Everettschen Interpretation sowie im Zuge der Entwicklung der Dekohärenz eher unscharf definiert. Man kann nicht einfach für die beiden beim Doppelspalt relevanten Welten einem mathematisch präzise definierten Ausdruck angeben.

Quantum Of Justice 25.07.18 08:28

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88138)
Nein, ich meine mathematisch.

Wieso mathematisch und nicht physikalisch?

TomS 25.07.18 23:53

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Quantum Of Justice (Beitrag 88140)
Wieso mathematisch und nicht physikalisch?

Nun, die Quantenmechanik ist eine mathematisch formulierte Theorie, die unsere Wahrnehmungen adäquat beschreibt. Dabei muss man jedoch eine Kröte schlucken: entweder modifiziert man die Mathematik derart, dass man letztlich das Auftreten unserer klassischen Wahrnehmung postuliert, oder man akzeptiert, dass die insgs. existierende Realität umfassender ist als unsere Wahrnehmung. Ersteres entspricht der orthodoxen Interpretation insbs. nach von Neumann, letzteres der Everettschen Interpretation. Am Beispiel eines Photons, eines halbdurchlässigen Spiegels sowie zweier Detektoren T und R entsprechend Transmission und Reflexion: nach von Neumann eliminiert man nach Messung des Photons bei Detektor künstlich diejenige Komponente des Zustandes, die nicht dem Detektorsignal entspricht, d.h. bei Detektion T (R) eliminiert man R (T); nach Everett bleiben alle Komponenten real erhalten, jedoch werden bestimmte Komponenten bzw. Unteräume wechselweise orthogonal (was man für einfache Systeme im Zuge der Dekohärenz beweisen kann).

„Komponente“ bzw. „Unterraum“ sowie „orthogonal“ sind jeweils mathematisch klar definiert. In der Nachfolge von Everett - nicht von ihm selbst - wurde der Begriff „Welt“ u.a. geprägt, was diverse Verwirrungen mit sich bringt. Dieses „Welt“ ist nun mathematisch keineswegs präzise definiert. Diese ganzen Worte sind nicht Selbstzweck, sondern lediglich Veranschaulichung von Formeln.

Bevor man nun mit dem „Auftreten neuer Welten im Falle von Zeitreisen“ argumentiert, sollte man doch die Mathematik präzise formuliert haben.

Was also ist rein mathematisch gesprochen eine „Welt“? oder gar „das Auftreten neuer Welten“? wie sehen die entsprechende Formeln aus? und wie folgen sie aus dem etablierten Formalismus der Quantenmechanik?

Ich kenne die Everettschen Interpretation immer nur in der hamiltonschen bzw. kanonischen Formulierung, aber da treten keine „Zeitreisen“ auf; sie sind nicht zulässig - s.o.

Was passiert nun mathematisch, wenn man zum einen die kanonische Formulierung so modifiziert oder gar verlässt, dass „Zeitreisen“ bzw. präziser „closed timelike curves“ zulässig werden, zum anderen jedoch die Everettschen Interpretation weiterhin intakt bleibt? wie sieht die mathematische Formulierung aus?

Ich würde mich selbst als tendenziell der Everettschen Interpretation zugeneigt bezeichnen, aber ich halte diese Interpretation durchaus für strittig sowie mit subtilen jedoch durchaus relevanten mathematischen Problemen behaftet. Daher wäre ich mit derartig gewagten Aussagen eher zurückhaltend.

Quantum Of Justice 26.07.18 08:26

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88146)
Nun, die Quantenmechanik ist eine mathematisch formulierte Theorie.

Naja, Mathematik ist ein Werkzeug für die Beschreibung oder Postulierung der Physik-Theorien.
Wenn man nur von Mathe spricht, braucht man keine Physik...
Wenn ich aber von Welten spreche, ist Physik immer vorhanden.

Aber es ist ausser Frage, dass wenn man mit einer neuen Theorie (wo man z.b. Informationen in die Vergangeheit senden kann) daher kommt, auch dauz schlüssige mathematische Formulierungen vorhanden sein müssten...

TomS 26.07.18 21:17

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Quantum Of Justice (Beitrag 88147)
Naja, Mathematik ist ein Werkzeug für die Beschreibung oder Postulierung der Physik-Theorien.
Wenn man nur von Mathe spricht, braucht man keine Physik...

Mathematik ist das Werkzeug zur Formulierung von physikalischen Theorien. Alles weitere sind Erläuterungen, Veranschaulichungen und Interpretationen dieser mathematischen Formulierung.

Es gibt also keine physikalische Theorie ohne Mathematik. Und damit sind Diskussionen, die sich nicht auf die mathematische Formulierung (oder experimentelle Resultate) beziehen, keine physikalischen Diskussionen.


Zitat:

Zitat von Quantum Of Justice (Beitrag 88147)
Aber es ist ausser Frage, dass wenn man mit einer neuen Theorie (wo man z.b. Informationen in die Vergangeheit senden kann) daher kommt, auch dazu schlüssige mathematische Formulierungen vorhanden sein müssten...

Ich habe mir einige Teile des zu Beginn genannten Papers durchgelesen. Ich empfinde einige der Modifizierungen der Quantenmechanik - so z.B. das Aufgeben der Unitarität der Zeitentwicklung - als ad hoc, das ausschließlich dazu dient, überhaupt geschlossene zeitartige Kurven einführen zu können.

Darüberhinaus wissen wir, dass die Quantenmechanik auf klassischen Mannigfaltigkeiten in gewissen Regimen sicher inkonsistent wird. Daraus folgt, dass man entweder die Quantenmechanik modifizieren muss, oder dass klassische Mannigfaltigkeiten in diesen Regimen keine gute Beschreibung der Raumzeit mehr sein können. Da ich letzteres für plausibel halte, ist für mich der Startpunkt des Papers schon nicht mehr sinnvoll.

Vollständig bewerten kann man dies natürlich erst im Rahmen von Experimenten - was heute leider nicht realistisch erscheint. Entsprechend wenig relevant erscheint mir das Paper, aber das ist Ansichtssache.

Bernhard 26.07.18 23:04

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Hallo Tom,

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88148)
Darüberhinaus wissen wir, dass die Quantenmechanik auf klassischen Mannigfaltigkeiten in gewissen Regimen sicher inkonsistent wird.

hast Du dazu einen weiterführenden Link?

TomS 27.07.18 07:07

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Nun, dazu gibt es ‘zig Indizien: am prominenten ist die Verletzung der Unitarität durch die Hawkingstrahlung; die Einstein-Gleichung G = T müsste durch G = <T> o.ä. ersetzt werden, was zu einer unvollständigen Theorie führt; der isotrope Zerfall eines Spin-Null-Teilchens mit anschließendet Detektion der Zerfallsprodukte an einem bestimmten Ort erfordert einen entsprechenden instantanen Sprung in der Geometrie der Raumzeit

Quantum Of Justice 27.07.18 08:12

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88148)
Mathematik ist das
Es gibt also keine physikalische Theorie ohne Mathematik. Und damit sind Diskussionen, die sich nicht auf die mathematische Formulierung (oder experimentelle Resultate) beziehen, keine physikalischen Diskussionen.

Ist auch meine Meinung. Wir rede ja nicht über Physik, sondern über die Definition und zugehörikeit eines Begriffes. Und wenn ich von Welten spreche ist das etwas physikalisches, weil es ja mit Existenz und Realität zu tun hat. In der Mathe brauch ich keine Existenz oder Realität, also auch kein Welten... In der Physik schon...

Aber jeder das ist wohl so wies aussieht ansichtssache...

Quantum Of Justice 27.07.18 08:14

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 88149)
Hallo Tom,


hast Du dazu einen weiterführenden Link?

Meint er im Fall von Schwarzen Löchern?

Quantum Of Justice 27.07.18 08:16

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88150)
Nun, dazu gibt es ‘zig Indizien: am prominenten ist die Verletzung der Unitarität durch die Hawkingstrahlung; die Einstein-Gleichung G = T müsste durch G = <T> o.ä. ersetzt werden, was zu einer unvollständigen Theorie führt; der isotrope Zerfall eines Spin-Null-Teilchens mit anschließendet Detektion der Zerfallsprodukte an einem bestimmten Ort erfordert einen entsprechenden instantanen Sprung in der Geometrie der Raumzeit

Nicht zwingend, man kann auch andere Annahmen aufgeben.

Bernhard 27.07.18 16:45

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88150)
die Einstein-Gleichung G = T müsste durch G = <T> o.ä. ersetzt werden, was zu einer unvollständigen Theorie führt

So wie hier: https://en.wikipedia.org/wiki/Schr%C...ewton_equation . Immerhin ein interessanter Ansatz.

TomS 27.07.18 16:48

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Quantum Of Justice (Beitrag 88151)
Und wenn ich von Welten spreche ist das etwas physikalisches, weil es ja mit Existenz und Realität zu tun hat. In der Mathe brauch ich keine Existenz oder Realität, also auch kein Welten... In der Physik schon.

Aber die Physik sagt dir nicht so einfach, was eine “Welt” im Sinne der QM ist. Der Begriff “Welt” ist nicht Ausgangspunkt sondern Ziel. Ausgangspunkt ist der Formalismus der QM.

Bernhard 27.07.18 20:44

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88155)
Aber die Physik sagt dir nicht so einfach, was eine “Welt” im Sinne der QM ist. Der Begriff “Welt” ist nicht Ausgangspunkt sondern Ziel. Ausgangspunkt ist der Formalismus der QM.

Wird das nicht wieder verständlicher und einfacher, wenn man die Begriffe "Welt" und/oder Mannigfaltigkeit beobachterabhängig macht? In der ART nimmt man eine globale Geometrie implizit ja gerne als etwas beobachterunabhängiges an, aber in der Verbindung mit der QM ist so eine Annahme meiner Meinung nach nur schwer oder gar nicht mehr zu halten.

So bekommt man lokal und global Wahrscheinlichkeiten für prinzipiell beobachtbare Raumzeit-Geometrien. Bei logischen Schlüssen oder Berechnungen von einem auf einen anderen Beobachter ergeben sich damit ebenfalls Wahrscheinlichkeiten. Falls Beobachter A zum Zeitpunkt t_0 die Geometrie G misst, würde Beobachter B zu einem anderen Zeitpunkt t_0' mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Geometrie G' messen.

Timm 27.07.18 21:57

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 88157)
Wird das nicht wieder verständlicher und einfacher, wenn man die Begriffe "Welt" und/oder Mannigfaltigkeit beobachterabhängig macht? .

Bei den “vielen Welten” geht es um akausal getrennte Zustände als Konsequenz der Kollaps Vermeidung.

Bernhard 27.07.18 22:43

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 88158)
Bei den “vielen Welten” geht es um akausal getrennte Zustände als Konsequenz der Kollaps Vermeidung.

Ich finde eben so einen Ansatz als nahezu absurd.

TomS 28.07.18 07:25

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 88157)
Wird das nicht wieder verständlicher und einfacher, wenn man die Begriffe "Welt" und/oder Mannigfaltigkeit beobachterabhängig macht?

Wenn man in diesem Kontext auch noch die Geometrie diskutieren möchte, dann wird es noch wesentlich komplizierter. Ausgangspunkt war die Behauptung, Paradoxa würden sozusagen “durch die Erzeugung neuer Welten” aufgelöst. Damit ist die Geometrie jedoch global gegeben, die “Welt” würde sich auf die Everettsche Interpretation beziehen. Der Begriff “Welt” ist mathematisch nicht einfach fassbar; und die Everettsche Interpretation geht ohnehin davon aus, dass wir zunächst gerade nicht aus der Perspektive eines einzelnen Beobachters argumentieren sollen.

Dass der Begriff “Welt” dann letztlich aus der Perspektive eines einzelnen Beobachters zu verstehen ist und welche Probleme Everett dadurch gelöst hat, versteht man wiederum erst, wenn man die globale Perspektive einnimmt.

Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 88159)
Zitat:

Bei den “vielen Welten” geht es um ”akausal getrennte Zustände” als Konsequenz der Kollaps Vermeidung.
Ich finde eben so einen Ansatz als nahezu absurd.

Das ist genau das, was ich nicht nachvollziehen kann. Der Ansatz ist klar, einfach und präzise - jedenfalls deutlich präziser als der von Born, von Neumann et al. Das Ergebnis mag überraschen.

Wobei “akausal” hier evtl. irreführend ist, da es nichts mit dem Kausalitätsbegriff der RT zu tun hat.

Everett postuliert nicht viele Welten, sondern er interpretiert das Ergebnis, nämliche eine einzige Wellenfunktion, als aufgefächert in verschiedene Zweige; diese wiederum folgen beweisbar aus der Dekohärenztheorie und bleiben dieser zufolge wechselweise unsichtbar. Die Theorie liefert also exakt das, was wir beobachten.

Du kannst dich insofern dagegen verwahren, dass du die Konsequenzen ablehnst, nicht jedoch den Ansatz, denn dieser entspricht exakt der orthodoxen QM unter Verzicht auf das ad hoc Kollapspostulat. Everetts Ansatz ist also axiomatisch einfacher im Sinne von Ockham und liefert dennoch die selben experimentell überprüfbaren Vorhersagen, wobei diese nach Everett vollständig aus der Theorie folgen, während nach von Neumann et al. einige davon postuliert werden (insbs. der Kollaps, jedoch auch die Bornsche Regel, über deren Ableitbarkeit aus den anderen Axiomen noch Uneinigkeit herrscht)

Bernhard 28.07.18 08:20

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88160)
Du kannst dich insofern dagegen verwahren, dass du die Konsequenzen ablehnst, nicht jedoch den Ansatz, denn dieser entspricht exakt der orthodoxen QM unter Verzicht auf das ad hoc Kollapspostulat.

Das klingt so, als würde man an den Texten und Ideen von Everett gar nicht mehr vorbeikommen, was ich so aber nicht wirklich bestätigen kann.

TomS 28.07.18 08:32

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 88162)
Das klingt so, als würde man an den Texten und Ideen von Everett gar nicht mehr vorbeikommen, was ich so aber nicht wirklich bestätigen kann.

Zumindest kommt man insofern nicht mehr daran vorbei, als es aufgrund der Dekohärenz einen weiteren Baustein pro Everett gibt, der es erlaubt, einige seiner Schlussfolgerungen zu beweisen. Und man kommt nicht mehr daran vorbei, wenn man ein umfassendes Bild der QM, ihrer Interpretationen und deren Probleme sowie Lösungsansätze haben möchte.

Ich würde allerdings nicht mehr zwingend bei Everett starten sondern eher moderne Zusammenfassungen lesen.

Worauf ich jedoch nochmals hinweisen möchte:

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88160)
Everett postuliert nicht viele Welten ... diese [Welten] folgen beweisbar aus der Dekohärenztheorie und bleiben dieser zufolge wechselweise unsichtbar. Die Theorie liefert also exakt das, was wir beobachten. Everetts Ansatz ist also axiomatisch einfacher im Sinne von Ockham und liefert dennoch die selben experimentell überprüfbaren Vorhersagen ...

All dies ist mathematisch unstrittig sowie phänomenologische zutreffend und kann daher im Kern nicht bestritten werden. Was du ablehnen kannst sind daraus folgende ontologische Konsequenzen; diese Argumentation bewegt sich jedoch auf einer anderen Ebene.

Ich will nicht behaupten, dass man die Everettsche Interpretation akzeptieren müsse. Man muss jedoch akzeptieren, dass sie im engeren Sinne physikalisch nicht kritisierbar ist, da ihre Vorhersagen experimentell bestätigt werden.

Bernhard 28.07.18 10:36

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88163)
Zumindest kommt man insofern nicht mehr daran vorbei, als es aufgrund der Dekohärenz einen weiteren Baustein pro Everett gibt, der es erlaubt, einige seiner Schlussfolgerungen zu beweisen.

Welche wären denn das?

TomS 28.07.18 11:22

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Die Entstehung und „Stabilität“ der Zweige im Kontext einer Messung, die Messung selbst als normaler quantenmechanischer Prozess ohne ad hoc Regel und ohne die Notwendigkeit eines „Beobachters“ der selbst außerhalb des Formalismus der Quantenmechanik steht, die „dynamische Separiertheit“ bzw. wechselweise „Unsichtbarkeit“ der Zweige sind Konsequenzen der Dekohärenz.

Bernhard 28.07.18 12:06

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
OK. So macht das Sinn. Ich glaube aber nicht, dass diese Sichtweise schon ausreicht. Warum habe ich oben bereits beschrieben.

TomS 28.07.18 14:08

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Was genau meinst du, was du oben geschrieben hast?

Bernhard 28.07.18 19:53

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88169)
Was genau meinst du, was du oben geschrieben hast?

Ich erkläre es über den Beitrag von Timm:

Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 88158)
Bei den “vielen Welten” geht es um akausal getrennte Zustände als Konsequenz der Kollaps Vermeidung.

Nehmen wir die bekannte Messung des Spins des Elektrons. Beobachter A messe am Ort x "Spin up", dann gibt es nach den Gesetzen der QM prinzipiell auch die Möglichkeit, dass der Beobachter A "Spin Down" gemessen hätte. Anstatt nun ein komplett neues Universum zu postulieren, so dass aus dem Beobachter A zwei Beobachter A und B werden, kann man meiner Meinung nach auch bei möglichen Beobachtern bleiben. Es geht dann nur noch darum Wahrscheinlichkeiten zusammen mit den zugehörigen Möglichkeiten zu diskutieren und das macht die QM ja eh schon seit jeher.

Neu ist eventuell die Sichtweise, dass Wahrscheinlichkeiten in Bezug auf einen einzelnen Beobachter definiert werden müssen. Man kann das auch auf beide beschriebenen Beobachter A und B anwenden, wobei diese Beobachter dann nicht akausal zusammenhängen, weil ihre Messergebnisse ja korreliert sind.

Kurz, ich sehe absolut keine Notwendigkeit bei jeder Messung neue Universen entstehen zu lassen, wenn ich mich auf einen exakt definierten Beobachter und Wahrscheinlichkeiten für Messergebnisse beschränke. Die "Vielen-Welten" entstehen dann dadurch, dass es "viele" mögliche Beobachter geben kann, die alle mit unterschiedlichen Wellenfunktionen ihre gerade beobachtbare Realität beschreiben können.

Timm 28.07.18 20:35

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Im Grunde geht es doch um die Frage, deutet man die WF ontisch oder als mathematisches Konstrukt, das nicht mehr als Wahrscheinlichkeiten liefert. Die VWI impliziert nach Zeh die ontische Auffasssung, die sich physikalisch nicht belegen läßt, während es sich bei einem mathematischen Konstrukt nach Zeilinger erübrigt, von einem Kollaps zu sprechen. Ich halte es mit letzterer Interpretation, weil minimalistisch und experimentell verifiziert.

Bernhard 28.07.18 21:00

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 88171)
Ich halte es mit letzterer Interpretation, weil minimalistisch und experimentell verifiziert.

Da schließe ich mich an.

soon 29.07.18 05:58

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
So ähnlich könnte es gewesen sein, als damals hochqualifiziert darüber diskutiert wurde, wie viele Engel auf eine Nadelspitze passen (,falls es die Diskussion wirklich gab).

Ich will damit sagen, dass es riskant ist, sich zu sehr mit Everett-Multiversen zu beschäftigen. Das Risiko besteht darin, im Nachhinein einsehen zu müssen, dass man komplett seine Zeit vergeudet hat, sobald irgendwann neue Erkenntnisse auftauchen.
Aus meiner Sicht ist das sogar heute schon der Fall, da ich Determiniertheit als Fakt anerkenne und in "Zufälligkeit" eine Analogie zu den "Engeln" von damals sehe. (Die Berechnung von Wahrscheinlichkeiten ist ein Werkzeug und setzt "Zufälligkeit" nicht voraus).
Dekohärenz fällt für mich als Argument ebenfalls aus, weil es keine 'abgeschlossen Systeme' gibt, imho. (Bei der Definition von 'abgeschlossen Systemen' wird die fraktale Eigenschaft von Objekten nicht berücksichtigt).

[nur so als Anmerkung, die eigentlich in die Plauderecke gehört]

Bernhard 29.07.18 06:53

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Hallo soon,

Zitat:

Zitat von soon (Beitrag 88175)
Dekohärenz fällt für mich als Argument ebenfalls aus,
weil es keine 'abgeschlossen Systeme' gibt, imho.

ich verstehe "Dekohärenz" so, dass Meßgeräte auch als Objekte beschrieben werden, die den Gesetzen der QM genügen. Insofern sehe ich nicht, wo es dann noch abgeschlossene Systeme geben soll.

Ich sehe auch keine größeren Probleme mit einer Wellenfunktion für das gesamte Universum, weil man die WF ja immer auf einen bestimmten Beobachter beziehen kann, der je nach verwendeten Mitteln nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Aussagen über das Universum ableiten kann.

Den Begriff der Wahrscheinlichkeit wird man dagegen nicht so schnell los, weil er bei den zugehörigen Experimenten real vorkommt. Z.B die Quanteneffizienz von Detektoren, die mit einer Zahl zwischen 0 und 1, d.h. mit einer Wahrscheinlichkeit angegeben wird. Hier müsste man mit verborgenen Variablen argumentieren, die ich ebenfalls ganz interessant finde, allerdings muss bei der Beschäftigung damit bedacht werden, dass auch damit die Meßergebnisse der QM nachgestellt werden müssen und das kann natürlich demotivierend sein.

soon 29.07.18 08:26

Hallo Bernhard,
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 88176)
ich verstehe "Dekohärenz" so, dass Meßgeräte auch als Objekte beschrieben werden, die den Gesetzen der QM genügen.

Die Reduzierung der Betrachtung auf Meßgeräte und Messungen ist eine extreme Vereinfachung, die nur der Veranschaulichung dient (und letztlich den philosophischen Charakter der VWI erkennen lässt). Tatsächlich steht 'Messung' dabei stellvertretend für jede Wechselwirkung, bei der jedesmal ein neuer "Zweig" entstehen müsste. Und das ist, bei genauer Betrachung, nicht nur jede Elektron-Photon-Interaktion, sondern wohl auchjede einzelne Wechselwirkung in jedem Atomkern.


Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 88176)
Insofern sehe ich nicht, wo es dann noch abgeschlossene Systeme geben soll.

Eine Vorstellung von abgeschlossen (im Sinne von abgekapselten) Systemen ist für mich schon dann hinfällig, wenn ich den Fokus auf die wesentliche Eigenschaft setze, die darin besteht, dass sich Objekte/Systeme entwickeln und nicht irgendwie da sind.


Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 88176)
Den Begriff der Wahrscheinlichkeit wird man dagegen nicht so schnell los,

Den Umgang mit Wahrscheinlichkeiten gibt es, meine ich, real nur in menschgemachten Modellen. Die sonstige Natur arbeitet mit Häufigkeiten, die der Natur allesamt bekannt sind, sozusagen.

Statt verborgener Variablen genügen vielleicht auch neue Modelle und Techniken, die es irgenwann geben wird. Schließlich hat die Natur gerade erst den Computer entwickelt, der jetzt schon neue Fähigkeiten der Datenauswertung und Simulation bietet.

Bernhard 29.07.18 08:53

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von soon (Beitrag 88177)
Eine Vorstellung von abgeschlossen (im Sinne von abgekapselten) Systemen ist für mich schon dann hinfällig, wenn ich den Fokus auf die wesentliche Eigenschaft setze, die darin besteht, dass sich Objekte/Systeme entwickeln und nicht irgendwie da sind.

Das Konzept der WF zusammen mit der bornschen Wahrscheinlichkeitsinterpretation kommt prinzipiell auch damit klar.

TomS 29.07.18 09:18

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 88170)
Anstatt nun ein komplett neues Universum zu postulieren ... Kurz, ich sehe absolut keine Notwendigkeit bei jeder Messung neue Universen entstehen zu lassen ...

Das ist m.E. das grundlegende Missverständnis: Everett postuliert keine neue Welten, er akzeptiert lediglich das Ergebnis der Schrödingergleichung als Beschreibung der Realität. Für mikroskopische Skalen stimmen hier alle Physiker überein; für makroskopische Skalen oder “Messungen” postulieren viele einen Kollaps, führen also ad hoc ein zusätzliches Element ein, um bestimmte Konsequenz zu vermeiden. Everett akzeptiert die Konsequenzen auch bzgl. makroskopischer Systeme, vermeidet den ad hoc Kollaps und nimmt damit der Messung und dem Beobachter ihren Sonderstatus.

Bernhard 29.07.18 09:22

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 88179)
Everett postuliert keine neue Welten

Wie konnte sich dann nur dieser "grauslige" Begriff VWI verbreiten. Der ist dann doch komplett irreführend.

TomS 29.07.18 09:26

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 88171)
Im Grunde geht es doch um die Frage, deutet man die WF ontisch oder als mathematisches Konstrukt, das nicht mehr als Wahrscheinlichkeiten liefert. Die VWI impliziert nach Zeh die ontische Auffasssung ...

Genau, das ist die Kernfrage. Es geht um die realistische Interpretation des Zustandsvektors als Repräsentant der Realität vs. der instrumentalistischen Auffassung desselben als reines Rechenhilfsmittel.

Schreibt Zeh das so? Ich sehe es eher andersherum: die realistische Auffassung Quantenmechanik impliziert die Everettsche Interpretation. Wenn ich auf diesen Anspruch verzichte, dann besteht kein Grund, Everett zu folgen.

TomS 29.07.18 09:34

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 88180)
Wie konnte sich dann nur dieser "grauslige" Begriff VWI verbreiten. Der ist dann doch komplett irreführend.

Der Begriff stammt nicht von Everett sondern wurde viele Jahre später von de Witt geprägt. Dieser kannte wohl erste Ideen zur Dekohärenz, die diesen Ansatz plausibel erscheinen lassen, und er befasste sich mit Quantengravitation und der Wellenfunktion des Universums, die die Idee eines externen Beobachters absurd erscheinen lässt.

Der Begriff ist tatsächlich grauslich.

Das grundsätzliche Missverständnis, dass Everett etwas künstliches postulieren würde, beruht wohl auf irreführenden populärwissenschaftlichen Darstellungen.

Ich stelle immer wieder fest, dass die meisten Leute, die die VWI ablehnen, nur diese verzerrten Darstellungen kennen.

soon 29.07.18 09:47

AW: In welcher Theori wäre das Senden von Botschften in die Vergangenheit möglich?
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 88178)
Das Konzept der WF zusammen mit der bornschen Wahrscheinlichkeitsinterpretation kommt prinzipiell auch damit klar.

Da verstehe ich nicht viel von, würde aber, wie bei allen funktionierenden und vorhersagefähigen Modellen, einen begrenzten Gültigkeitsbereich vermuten.

[ich hab erstmal genug geschwafelt]


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