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-   -   Beschleunigung bei Fluchtgeschwindigkeit (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=3868)

Martin G 06.01.21 02:39

Beschleunigung bei Fluchtgeschwindigkeit
 
Hallo zusammen,

ich habe wohl ein grundsätzliches Verständnis-Problem und bitte um eure Hilfe.

Szenario:
Angenommen wir vergleichen zwei Fallende Objekte in ca. 112 km über der Erdoberfläche.

Ein mit Fluchtgeschwindigkeit herannahendes Objekt A Fliegt dort mit 11089 m/s
ca. 10 Sekunden später (daher die 112 km) kommt es gemäß der Formel Wurzel(2*G*M/r) an der Erdoberfläche mit einer Geschwindigkeit von 11186 m/s an
Unterwegs hat es also 97 m/s zugelegt.

Ein stationäres/schwebendes Objekt B wird in der Höhe losgelassen und beginnt zu fallen.
Dort herrscht die Beschleunigungskraft g von ca. 9,48 m/s^2
(Der Einfachheit halber lasse ich die Beschleunigungszuname auf 9.81 m/s^2 weg)
ca 151 Sekunden später kommt es gemäß der Formel Wurzel(2*g*h) an der Erdoberfläche mit einer Geschwindigkeit von 1482 m/s an.
(wobei für die Beschleunigung g = G*M/r^2 gilt - die zweite Masse soll hier unbedeutend sein)

Mein Problem:
die Beschleunigungsformel ist meines Wissens unabhängig davon, wie schnell ein Objekt bereits fliegt/fällt.
also müsste doch in 112 km Höhe sowohl ein Stationäres, als auch ein mit 11089 m/s bewegtes Objekt, stets mit 9,48 m/s^2 (weiter) beschleunigt werden, korrekt?
Wie kann es dann sein, dass bei der Fluchtgeschwindigkeitsformel nur eine Differenz von 97 m/s wirkt,
während die Beschleunigung ab 0 eine Differenz von 1482 m/s aufweist?
Ich hätte jetzt gedacht, dass man 11089 + 1482 = 12571 rechnen darf, aber das passt ja nicht.

Gibt es eine komplexere Formel, wo eine Anpassung der Beschleunigungskraft anhand der bereits vorhandene Geschwindigkeit vorgenommen wird?
Wenn ja, wie kann es dann heißen, dass ein senkrecht hereinfallendes Objekt theoretisch bis zur Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden kann?

Muss eine "Flucht" immer tangential zum Himmelskörper starten und darf nicht senkrecht berechnet werden? Andererseits heißt es ja, dass ein Objekt, welches aus dem Unendlichen fällt (senkrecht!), am Ende Fluchtgeschwindigkeit erreicht.

Wo ist mein Denkfehler? :confused:

Gruß,
Martin

Hawkwind 06.01.21 14:35

AW: Beschleunigung bei Fluchtgeschwindigkeit
 
Wurzel(2*g*h)
gilt nur für anfänglich ruhende Objekte. Kommt aus der Gleichung

s = (1/2)*g*t^2

nach t aufgelöst, und dann in v= g*t eingesetzt, um die Geschwindigkeit zu bekommen.

Hat dein Objekt schon eine Anfangsgeschwindigkeit v0 in Richtung der Beschleunigung, so hast du stattdessen

s = (1/2)*g*t^2 + v0*t

Das wäre dann für den allgemeineren Fall nach t aufzulösen:

t^2 + (2*v0/g)*t - (2/g)*s = 0

mit Hilfe der pq-Formel https://www.mathebibel.de/pq-formel

t = - v0/g + wurzel{(v0/g)^2 + (2/g)*s}

für die Fallzeit. s entspricht deinem h. Für v0=0 erhältst du deinen Fall.

Wenn die Aufprallgeschwindigkeit willst, musst du noch in

v(t) = g*t + v0

einsetzen

v = wurzel{(v0*g)^2 + (2*g)*s}

Ich 06.01.21 20:32

AW: Beschleunigung bei Fluchtgeschwindigkeit
 
Zitat:

Zitat von Martin G (Beitrag 94321)
Mein Problem:
die Beschleunigungsformel ist meines Wissens unabhängig davon, wie schnell ein Objekt bereits fliegt/fällt.
also müsste doch in 112 km Höhe sowohl ein Stationäres, als auch ein mit 11089 m/s bewegtes Objekt, stets mit 9,48 m/s^2 (weiter) beschleunigt werden, korrekt?
Wie kann es dann sein, dass bei der Fluchtgeschwindigkeitsformel nur eine Differenz von 97 m/s wirkt,
während die Beschleunigung ab 0 eine Differenz von 1482 m/s aufweist?

Weil die Beschleunigung im ersten Fall für 10 s wirkt, im zweiten Fall für 150 s.
Zitat:

Ich hätte jetzt gedacht, dass man 11089 + 1482 = 12571 rechnen darf, aber das passt ja nicht.
Das hat Hawkwind erlärt.

Martin G 22.01.21 01:25

AW: Beschleunigung bei Fluchtgeschwindigkeit
 
Hawkwind - Du hast mir die nötigen Hinweise bzgl. Formeln und Mathematik gegeben. Auch deine Herleitungen waren gut nachvollziehbar.
Ich habe ein paar "Extrarunden gedreht", um die Schulmathematik aufzufrischen, sehr hilfreiche Seite.
Ich - Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen - ich hatte mich an der Strecke fest gebissen statt die Zeit zu vergleichen.

Vielen Dank euch beiden, für die hilfreichen Antworten!

hier habe ich noch eine praktische Formelübersicht gefunden, vielleicht hilft es dem ein oder anderen Mitleser in diesem Kontext auch:
https://image.jimcdn.com/app/cms/ima...ungleich-0.png

Dynamischer Beschleunigungszuwachs*
Ich wollte wissen, mit welcher Formel man den dynamischen Beschleunigungszuwachs berücksichtigen kann. Alles was ich bisher dazu fand war Gestöhne und Hinweise auf Calculus & Co. - das ist mir gerade auch zu kompliziert, daher habe ich selbst etwas ausprobiert und bin auf folgende Berechnung gestoßen:

Gegeben:
- Himmelskörper, dessen Masse bekannt ist
- beliebiger Streckenabschnitt s1-s2 radial zum Himmelskörper mit
- s1 = größerer Radius
- s2 = kleinerer Radius
- a1 = Beschleunigung bei s1
- a2 = Beschleunigung bei s2

Formel für am = mittlere Beschleunigung:
am = s2/s1*a1, beziehungsweise
am = a2*s2/s1

Mir ist klar, dass damit nicht relativistisch gerechnet werden kann, aber dafür sind die oben diskutierten Formeln ja auch nicht gedacht.
Kritik erwünscht :)

*falls von den Moderatoren gewünscht, erstelle ich hierzu einen neuen Forumseintrag

Ich 22.01.21 09:04

AW: Beschleunigung bei Fluchtgeschwindigkeit
 
Zitat:

Zitat von Martin G (Beitrag 94400)
Formel für am = mittlere Beschleunigung:
am = s2/s1*a1, beziehungsweise
am = a2*s2/s1

Fast, es heißt a1*s1/s2 bzw. a2*s2/s1. Das ist der Mittelwert über den Weg, du kannst damit also z.B. den Unterschied in der kinetischen Energie ausrechnen. Das kannst du natürlich auch direkt über das Potential GM(1/r2-1/r1) machen. Um einen Geschwindigkeitszuwachs auszurechnen muss du dann diese Energie verwenden, ansonsten landest du tatsächlich bei komplizierterer Differentialrechnung.

Martin G 27.01.21 23:03

AW: Beschleunigung bei Fluchtgeschwindigkeit
 
super, wieder was gelernt, vielen Dank!


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