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-   -   Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=3194)

Finne 06.08.17 18:56

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Zitat:

Zitat von Herr Senf (Beitrag 84880)
Der Zeitunterschied durch die Dilatation ist nicht überwindbar, die kommen jünger zurück, weil die Zeit auf der Erde schon vorbei ist.

Ich glaube ich werde falsch verstanden. Es geht mir nicht um die Zeit selber. Meine Frage ist eine andere. Angenommen ein Raumschiff fliegt mit nahezu lichtgeschwindigkeit an der Erde vorbei. Nach Einstein läuft eine Uhr in diesem Raumschiff langsamer als eine auf der Erde. Um diesen Effekt wieder zu normalisieren, also um wieder in das Inertialsystem der Erdbevölkerung zurück zu kehren, muss das Raumschiff entgegen seinem Geschwindigkeitsvektor, welcher relativ zu der Erde ist, beschleunigen. Also Bremsen. Somit gleicht das Raumschiff die Uhr der Erde und die des Raumschiffs aneinander an.
Nun habe ich mir vorgestellt, dass das Raumschiff auf Millers Planet in dem Gravitationsfeld des schwarzen Lochs liegt und daher eine Beschleunigung verspürt, welcher entgegen gewirkt werden muss um diesem zu entkommen und somit die Zeit zu normalisieren.
Bitte schreibt ob meine Erklärung verständlich war oder wenn etwas nicht genug erklärt wurde.

Herr Senf 06.08.17 19:54

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Hallo Finne,

ich glaub nicht, dich falsch zu verstehen, irgendwas geht bei dir mit der Zeitdilatation durcheinander.
Die, die auf der Erde bleiben, sind sozusagen die Zuschauer, für die vergeht die irdische Eigenzeit ohne Action, eher langweilig.
Für die, die sich ins Abenteuer stürzen, müssen wir drei Etappen ansehen:
- Wegfliegen mit hoher Geschwindigkeit, ihre (Eigen)Zeit vergeht langsamer
- Aufenthalt im Gravitationspotenzial eines SL (aber übern EH), Zeit vergeht langsamer
- Rückflug mit hoher Geschwindigkeit, Zeit vergeht auch langsamer ! unabhängig von der Richtung

Wenn sie von der Erde zB mit 30 Jahren abgeflogen sind, kommen sie mit 31 zurück, ihre Kumpels sind aber schon so um die 70.
Sie sind aber nicht in die (eigene) Zukunft geflogen, sie haben 39 Erdenjahre verpaßt, die aus ihrer Sicht für die "Dortigen" schneller vorbei waren.
Sie haben die ganze Zeit ihre Gegenwart erlebt, die auf der Erde auch, und jetzt gibt es eine Differenz, jeder kann seine Vergangenheit erzählen,
die Reisenden hatten nur ein Jahr Vergangenheit nach ihrer Uhr und man sieht es ihnen an. Auf dem "Objekt Erde" hat sich aber viel getan.

Grüße Dip

PS: wenn sie wieder zurück auf der Erde sind, sind sie nach dem dortigen Stand der Technik von +39 aber mit einem Oldtimer zurückgeflogen.
Sie haben durch ihre "Flugmanöver" einen kürzeren Weg durch die Raumzeit genommen als die Erde, warum sollen sie sich wünschen, auch 70 zu sein?

Bernhard 06.08.17 21:01

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Zitat:

Zitat von Finne (Beitrag 84881)
Somit gleicht das Raumschiff die Uhr der Erde und die des Raumschiffs aneinander an.

Vorsicht, das ist falsch. Eine Uhr ist immer an ein sogenanntes Bezugssystem gebunden und tickt entsprechend dieses Systems. Man kann also nicht aus einem Bezugssystem heraus die Uhren eines anderen Bezugssystems beeinflussen. Beschäftige Dich mal mit dem Zwillingsparadoxon. An diesem Paradoxon kann man diese Grundlagen gut erlernen.

Ein Inertialsystem ist übrigens ein kräftefreies Bezugssystem. Der allgemeinere Begriff ist also das Bezugssystem. Ein ruhender Beobachter auf der Erde gehört beispielsweise zum Bezugssystem "Erde". Dieser Beobachter ist nicht kräftefrei, denn er spürt ja die Gravitationskraft.

Bernhard 06.08.17 22:09

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 84883)
Beschäftige Dich mal mit dem Zwillingsparadoxon. An diesem Paradoxon kann man diese Grundlagen gut erlernen.

Noch besser hinsichtlich des Filmes ist eventuell das Hafele-Keating-Experiment.

TomS 06.08.17 23:43

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Zitat:

Zitat von Finne (Beitrag 84879)
... aber mir stellt sich die Frage wie es sein kann, dass die Crew ... auch der Gravitation des schwarzen Lochs entkommt.

Nochmal: prinzipiell kann die Crew wieder zum Mutterschiff, das weit außerhalb kreist, zurückkehren, weil sie sich nicht innerhalb des Ereignishorizontes befunden hat.

Zitat:

Zitat von Finne (Beitrag 84879)
Also ist es überhaupt für ein normales Raumschiff möglich mit dessen Treibstoff diesen Zeitunterschied zu überwinden?

Dazu ist, wie ich schon gesagt habe, eine detailliertere Rechnung notwendig. Ich würde jetzt erst mal Bernhards Einwand hinten abstellen und von einem nicht-rotierenden schwarzen Loch ausgehen.

Ich weiß nicht genau, ob alle benötigten Informationen im Film genannt werden, aber grundsätzlich kann man berechnen, welche Energie notwendig ist, um vom Radius r zum Mutterschiff bei Radius R > r zu gelangen.

Zitat:

Zitat von Finne (Beitrag 84879)
Und wenn ja wie kann ich diesen Energieaufwand berechnen um klar zu stellen, dass der Film an dieser Stelle einen Fehler gemacht hat?

Kannst du hier mal alle im Film genannten Werte nennen? Dauer des Aufenthalts auf dem Planeten gemessen mit einer Armbanduhr der Astronauten sowie einer Uhr an Bord des Mutterschiffs? Die Radien r bzw. R der Orbits des Planeten bzw. des Mutterschiffs? Die Masse des Schwarzen Lochs?

Bernhard 07.08.17 07:51

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Hallo Tom,

Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 84885)
Ich weiß nicht genau, ob alle benötigten Informationen im Film genannt werden, aber grundsätzlich kann man berechnen, welche Energie notwendig ist, um vom Radius r zum Mutterschiff bei Radius R > r zu gelangen.

eine Stunde auf Millers Planet sind sieben Jahre auf der Erde. Ich kann für ein nicht-rotierendes SL das gesuchte r ausrechnen. Die Masse von Gargantua beträgt 100 Mio. Sonnenmassen.

TomS 07.08.17 09:17

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 84886)
Hallo Tom,

eine Stunde auf Millers Planet sind sieben Jahre auf der Erde. Ich kann für ein nicht-rotierendes SL das gesuchte r ausrechnen. Die Masse von Gargantua beträgt 100 Mio. Sonnenmassen.

Hallo Bernhard,

ich dachte, man könne mittels Geodäten die notwendige relativistische Energie berechnen:

https://en.wikipedia.org/wiki/Schwar...ssical_physics

Für radiale Geodäten ist jedoch L = 0 und die Energie entspricht exakt der Newtonschen Energie; was übersehe ich?

Ich 07.08.17 09:19

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Zitat:

Zitat von Finne (Beitrag 84881)
Nun habe ich mir vorgestellt, dass das Raumschiff auf Millers Planet in dem Gravitationsfeld des schwarzen Lochs liegt und daher eine Beschleunigung verspürt, welcher entgegen gewirkt werden muss um diesem zu entkommen und somit die Zeit zu normalisieren.

Bei einem nichtrotierenden SL wäre der Fall vollkommen klar. Das Raumschiff müsste einem gigantischen Gravitationspotential entkommen, was weit außerhalb denkbarer Technologie wäre. Andererseits könnte da auch kein solcher Planet existieren.
Bei einem rotierenden SL ist die Sache komplizierter, und offensichtlich kann (oder mag) es keiner von uns rechnen. Hier ist es grundsätzlich so, dass man den Drehimpuls des SL "anzapfen" kann, um Energie und Schwung zu gewinnen. Das würde aber wohl kaum helfen, von Millers Planet runterzukommen.
Hier findest du einen Auszug aus Thornes Erläuterungen. Die Idee ist grundsätzlich, dass man mit swing-by-Manövern die entsprechenden Geschwindigkeitsdifferenzen erhält. Meines Erachtens ziemlicher Käse und genauso konstruiert wie der Rest von dem Film, aber nicht definitiv unmöglich.

Bernhard 07.08.17 10:22

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 84887)
was übersehe ich?

Ich denke, man müsste hier den Energie-Impuls-Vektor, d.i. Vierergeschwindigkeit * Ruhemasse des Raumschiffes verwenden. Da kann man dann passende Randbedingungen vorgeben und hat auch die Masse des Raumschiffes enthalten, die ja entlang des Weges wegen des Treibstoffverbrauches auch variabel sein kann.

EDIT: Wenn man es möglichst realistisch rechnen will, müsste man auf der rechten Seite der Geodätengleichung anstelle der Null einen Kraftvektor einsetzen, der die Beschleunigungskräfte vom Raumschiff berücksichtigt. Das Raumschiff fliegt dann nicht mehr entlang einer Geodäte, sondern einer indirekt vorgebbaren Kurve.

TomS 07.08.17 11:53

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Viel einfacher:

die Formel für E enthält unter der Bedingung L = 0 ausschließelich den bekannten 1/r Term; die relativistischen 1/r³ Korrekturen fallen für L = 0 weg. Demnach wäre das effektive Potential bei rein radialer Bewegung idenisch zum Newtonschen Fall.


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