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wolfgang6444 25.11.18 09:26

Pauli-Prinzip und Atomphysik
 
Ich habe eine Problem mit dem Pauli-Prinizp - genauer seiner Anwendung auf die Atomphysik.

Was ich verstanden (zu haben glaube):
Fermionen => Gesamtzuzstandsfunktion aendert Vorzeichen bei Vertauschung zweier identischer Teilchen.

Betrachtung 1) He-atom ohne Spin-Bahn-Kopplung und ohne Elektron-Elektron Wechselwirkung.
Wegen der fehlenden Wechselwrikungen faktorisiert die Zustandsfunktion vollstaendig:
psi(r1,r2,s1,s2)=phi1(r1)*phi2(r2)*S1(s1)*S2(s2)
Da die Teilchen identisch sind gilt S1(s) =S2(s)=:S(s)
Angenommen beide Teilchen haetten gleichen Spin
=>s1=s2=:s
Angenommen beide Teilchen seien im gleichen Zustand der Ortszustands-Funktion also phi1(r)=phi2(r) =: phi(r)
=>psi = phi(r1)*phi(r2)*S(s)*S(s)
Da die Teilchen identisch sind gilt
psi -> -psi fuer r1<-> r2 (Vertauschung des spins sinnlos, da eh identisch angenommen)
=>phi(r1)*phi(r2) =-phi(r2)*phi(r1)
Das geht nur, wenn ph(r) identisch gleich Null, was natuerlich keinen Sinn macht.
Das ergibt dann die aus der Schulchemie bekannte Aussage:
Haben zwei Elektronen im (Atom) gleichen Spin, so koennen sie sich nicht im gleichen Zustand (der Ortszustandsfunktion) befinden. Oder andersherum:
Im Grundzsustand des He-Atoms (beide Elektronen im gleichen Ortszustand) haben die Elektronen gegensaetzlichen Spin.
Was ich nicht mehr verstehe:
2)Wenn man die Coulomb-Wechselwirkung zwischen den Elektronen einschaltet (immernoch ohne Spin-Bahn-Kopplung) (siehe z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Austauschwechselwirkung), so folgt scheinbar, dass im Grundzustand beide e- GLEICHEN spin haben.
Die Argumentation geht (qualitativ) in etwa so:
Wegen der fehlenden Spin-Bahn-Kopplung faktorisiert die Zustandsfunktion immernoch in Spin- und Bahn-Term. Der Bahn-Term faktorisiert aber nicht weiter. Man kommt also nur bis
psi = phi(r1,r2)*S(s1)*S(s2)
Fuer gleichen Spin folgt dann aus dem Pauli-Prinzip nicht mehr, dass die Ortsfunktion identisch gleich null sein muss, sondern lediglich, dass sie fuer r1=r2 verschwindet.
Das bedeutet, der Zustand mit gleichem Spin ist grundsaetzlich moeglich. Es fragt sich nur, ob er der Grundzustand sein kann.
Die sehr gewagte - aber irgendwie plausible - Argumentation geht so: wegen phi(r,r)= 0 kann man annehmen, dass auch |phi(r1,r2)|^2 fuer benachbarte r1, und r2 klein sein wird.
Das bedeutet, dass die Elektronen sich seltener (oder mit geringerer Wahrscheinlichkeit) nahe beeinander befinden, wenn sie den gleiche Spin haben. Da sie sich wegen der Coulomb-Wechselwirkung abstossen ist dieser Zustand (gleicher Spin) energetisch guenstiger als der entsprechende Zustand mit anitparallelem Spin. => Der Grundzustand hat parallelen Spin.
Irgendetwas kann hier nicht stimmen: Durch das Einschalten der Coulombwechselwirkung wechselt der Spin des Grundzustandes - und dass auch schon wenn man die Coulombwechselwirkung nur zu x% einschaltet mit x gegen null.
Fuer eine Erhellung waere ich sehr dankbar.

Wolfgang
(sorry fuer den den langen ersten post)

TomS 25.11.18 10:53

AW: Pauli-Prinzip und Atomphysik
 
Ich denke, da steckt bereits in der Grundannahme ein Fehler:

Zitat:

He-Atom ohne Spin-Bahn-Kopplung und ohne Elektron-Elektron Wechselwirkungen. Wegen der fehlenden Wechselwirkungen faktorisiert die Zustandsfunktion vollstaendig ...
Das ist nicht korrekt. Die Antisymmetrisierung für Fermionen gilt auch für nicht-wechselwirkende Systeme und folgt keineswegs erst aus der Wechselwirkung.

wolfgang6444 25.11.18 11:19

AW: Pauli-Prinzip und Atomphysik
 
Was genau ist nicht korrekt?
Klar gilt das Pauli-Prinizip fuer Systeme mit oder ohne direkter Wechselwirkung zwischen den Elektronen. Das ist ja die Grundlage der ersten Betrachtung mit dem Ergebnis "Grundzustand hat antiparallelen Spin".
Die fehlende Wechslewirkung ist halt die Voraussetzung dass die Ortszustandsfunktion faktorisiert d.h. bei vorhandener e- e- Wechselwirkung kann man nicht mehr annehmen psi(r1,r2,s1,s2)=phi1(r1)*phi2(r2)*S(s1,s2). Mehr soll der Satz nicht aussagen.

TomS 25.11.18 11:23

AW: Pauli-Prinzip und Atomphysik
 
Die Wellenfunktion faktorisiert eben nicht.

wolfgang6444 25.11.18 11:30

AW: Pauli-Prinzip und Atomphysik
 
Hallo Tom,

kannst Du das etwas genauer ausfuehren? Fuer mich impliziert fehlende Wechselwirkung Unabhaengigkeit der Teilchen voneinander. Das bedeutet anschaulich: Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Elektrons ist unabhaengig von der des anderen und genau das ist mathematisch ausgedrueckt psi(r1,r2)=phi1(r1)*phi2(r2).

wolfgang6444 25.11.18 12:38

AW: Pauli-Prinzip und Atomphysik
 
Irgendwie raffe ich das nicht.
Hier nochmal ganz ohne Mathe:
http://hydrogen.physik.uni-wuppertal...helium.html#c2
Da steht oben: Orthohelium (antiparalleler Spin) hat geringere Energie => Grundzustand ist Orthohelium.
Im Text darunter wird begruendegt, dass bei parallelem Spin (Parahelium) die Abschirmung des Kerns geringer ist, die Elektronen also staerker gebunden sind => Parahelium ist der Grundzustand.
Was verstehe ich hier falsch?

wolfgang6444 25.11.18 13:09

AW: Pauli-Prinzip und Atomphysik
 
Sind jetzt bei Parahelium die Spins parallel oder antiparallel?

http://hydrogen.physik.uni-wuppertal...helium.html#c2
:
"Ein Eektron in einem höheren Niveau kann einen Spin parallel (S=0, Singulett, Parahelium) oder antiparallel zu dem Elektron im Grundzustand haben (S=1, Triplett, Orthohelium)."

Also Singulett, S=0, Parahelium, paraller Spin

http://wwwex.physik.uni-ulm.de/lehre...2015se30.html:

"Man bezeichnet He im Singulett-System als Parahelium, He im Triplettsystem wird als Orthohelium bezeichnet. Im Singulettsystem von Helium wird keine Feinstruktur beobachtet. Das bedeutet, dass die Spins der Elektronen antiparallel sein müssen."

Also Singulett, S=0, Spins antiparallel

Was stimmt hier?

TomS 25.11.18 14:17

AW: Pauli-Prinzip und Atomphysik
 
Zitat:

Zitat von wolfgang6444 (Beitrag 89336)
kannst Du das etwas genauer ausfuehren? Fuer mich impliziert fehlende Wechselwirkung Unabhaengigkeit der Teilchen voneinander.

Sie sind dynamisch unabhängig, jedoch nicht algebraisch. Der Zustandsraum enthält nur total antisymmetrische Zustände.

Betrachten wir einen vollständigen Satz Observablen mit einer Menge von Eigenwerten M, N, z.B. {Impuls, Spin, Isospin, ...}. Der Hilbertraum eines Einteilchensystems wird aufgespannt durch die Vektoren |M>, wobei M alle Elemente von {...} durchläuft; der Hilbertraum eines Zweiteilchensystems wird aufgespannt durch die Vektoren |M> ⊗ |N>, wobei M,N alle Elemente von {...} durchlaufen; analog für n-Teilchen-Systeme mit n Faktoren |M> ⊗ |N> ⊗ ... Dabei steht der Zustand des k-ten Teilchens an der k-ten Stelle.

Nach dem Spin-Statistik-Theorem sind jedoch für Fermionen (Bosonen) nur vollständig antisymmetrische (symmetrische) Zustände möglich.

Für zwei Fermionen mit jeweils zwei möglichen Zuständen |1> bzw. |2> bedeutet dies, dass der resultierende Zustandsraum nicht 4-dimensional gemäß |1> ⊗ |1>, |1> ⊗ |2>, |2> ⊗ |1>, |2> ⊗ |1> sondern gemäß Antisymmetrisierung nur eindimensional entsprechend |1> ⊗ |2> - |2> ⊗ |1> ist.

Wenn beide Teilchen untereinander nicht wechselwirken, dann entsprechen diese Zustände denen der freien Teilchen. Du kannst sie beliebig in derartige Zustände |M> ⊗ |N> setzen - vorausgesetzt dass M ≠ N. Das ist keine Aussge zur Dynamik und zur Wechselwirkung; es ist nicht so, dass die Wechselwirkung irgendwie den Zustand |M> ⊗ |M> verhindern würde, er existiert einfach nicht. Daran ändert auch das „Einschalten“ einer Wechselwirkung nichts. Sie würde die Zustände ändern, jedoch keine Zustände verbieten oder zulassen.

Später mehr zum Helium ...

TomS 25.11.18 16:48

AW: Pauli-Prinzip und Atomphysik
 
Beim Helium gehen wir zunächst von nicht untereinander wechselwirkenden Elektronen aus. Jeder Elektron wird dann durch die Quantenzahlen n=1,2,...; l=0,1,...,n-1; l₃=-l...+l; s₃=-½,+½ beschrieben, d.h. die Zustände lauten |n,l,l₃,s₃>. Die ungestörten Energieniveaus werden wir beim Wasserstoff berechnet, die Störung durch die Elektron-Elektron-Wechselwirkung wir in erster Ordnung durch das Matrixelement von 1/|r₁ - r₂| im jeweiligen Zustand berechnet.

Zum Termschema siehe hier:

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Heli...erm-scheme.svg

Insgs. werden die vier möglichen Kombinationen der beiden s₃, nämlich -½,-½; -½,+½; +½,-½; +½,+½ zu einem Singulett mit Gesamtspin S=0, S₃=0 sowie einem Triplett S=1 mit S₃=-1,0,+1 gekoppelt. Parahelium entspricht dem Singulett mit antiparallelem Spin, Orthohelium dem Triplett.

Der Einelektron-Grundzustand ist zweifach entartet und lautet |1,0,0,s₃> mit s₃=-½,+½.

Für den Zweielektron-Grundzustand gilt Antisymmetrisierung, d.h. dass nicht beide Elektronen im selben Einelektron-Grundzustand sein können.

Im Falle des Parahelium mit antiparallelem Spin und S=0 ist jedoch

|1,0,0,+½> ⊗ |1,0,0,-½> - |1,0,0,-½> ⊗ |1,0,0,+½>

möglich, d.h. beide Elektronen sitzen im Zustand |100>.

Im Falle des Orthoheliums mit parallelem Spin und S=1 wäre dieser Zustand verboten, d.h. im Grundzustand sitzt bereits ein Elektron im Zustand |200> d.h. z.B.

|1,0,0,+½> ⊗ |2,0,0,+½> - |2,0,0,+½> ⊗ |1,0,0,+½>

Dies entspräche einem Spin-Zustand des Tripletts, nämlich |S=1, S₃=+1>.

wolfgang6444 27.11.18 19:30

AW: Pauli-Prinzip und Atomphysik
 
Hallo Tom,

zunaechst einmal vielen Dank fuer die ausfuerhlichen Antworten.
zum Pauli-Prinzip: Ich habe den Eindruck, dass wir hier irgendwie aneinander vorbeireden.
Du zwingst mich, praeziser zu formulieren, und das ist gut weil ich dann versuche praeziser zu denken,
Die Faktorisierung der Zustandsfunktion (manchmal auch Separation der Koordinaten genannt) hat nach meinem Verstaendnis noch garnichts mit dem Pauli-Prinzip zu tun, sondern ist fuer mich pure Mathematik:
Wenn sich ein vollstaendiger Satz an Observablen eines Systems so in disjunkte Klassen aufteilen laesst, dass der (potentielle Anteil) des Hamilton-Operators aus des zeitunabhaengigen Schroedinger-Gleichung des Systems in Summanden zerfaellt, die jeweils nur von den Elementen einer Klasse abhaengen, so laesst sich die zeitunabhaengige Zustandsfunktion des Systems als Produkt von Einzelzustandsfunktionen schreiben, die ihreresits nur von den Elementen dieser Klasse abhaengen.
Kurz:
Wenn V(x,y)=V1(x)+V2(y) dann kann man die Loesung der zeitunabhaengigen Schroedingergelichung schreiben als psi(x,y)=phi1(x)*phi2(y), wobei phi1 und phi2 dann ihrerseits irgendwelchen partiellen DGLs nur in ihren eignen Observablen genuegen muessen, mit entsprechenden Eigenfunktionen, Quanternzahlen etc.
Das laeuft doch analog zu der "ueblichen Separation der Zeit" in der Schroedingergleichung siehe z.B. http://ravel.pctc.uni-kiel.de/script...rleitungen.pdf
Stimmt das soweit? Sonst muesste ich versuchen die Gleichungen hier irgendwie reinzubekommen.
Genau dieser Zerfall des Potentials in Summanden, die nur von einzelnen Observablen abhanegen bedeutet fuer mich "Wechselwirkungsfreiheit": Es gibt ein Potential, das nur von x abhaengt abhanegt und eines nur von y -aber KEINEN Term, der sich nur durch eine Abhaengigkeit von beiden Koordinaten gemeinsam ausdruecken laesst

Jetzt koennen aber in einem Mehrteilchensystem x und y (alias r1 und r2) jeweils fuer die 3 Raumkkodinaten der einzelnen Teilchen stehen. Wenn dann im Potential nur Terme wie 1/|r1| oder 1/|r2| auftauchen, aber nicht 1/|r1-r2| dann separariert psi(r1,r2) ind phi1(r1)*phi(r2).
Stimmt das soweit?

bis hierher alles ohne Pauli


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