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Timm 18.02.19 10:44

AW: Messung der Expansionsgeschwindigkeit
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 90641)

Bsp.: Betrachte eine ideales Gas mit Temperatur T > 0 und Entropie ΔS > 0, das von einem schwarzen Loch der Masse M verschluckt wird. Wir können dem schwarzen Loch eine Entropie S ~ A zuschreiben, wissen jedoch nicht, welche Freiheitsgrade diese Entropie tragen. Nachdem das Gas die Singularität erreicht hat, ist dessen Entropie verschwunden, das schwarze Loch muss nun eine Entropie S‘ ~ A‘ ≥ S + ΔS haben. Das ist aber eine reine Konsistenzbetrachtung, keine ab initio Berechnung und insbs. kein Beweis.

Ob man sagen kann, dass “dessen Entropie verschwunden” verschwunden ist, weiß ich nicht. Fällt m ins SL ist ΔS ~ 2mM_SL und damit unabhängig von der Entropie von m. Vermutlich gilt das angenähert (weil noch nicht die gesamte Masse in der Singularität ist und streng genommen die Schwarzschildlösung nicht gilt) ab Überschreiten des Ereignishorizonts von M durch m.
Man kann hier einwenden, daß die Entropie des Teilsystems m innerhalb des EH zunächst erhalten bleibt. Diese Entropie kann aber nicht ein Beitrag zur Entropie des nun gewachsenen Schwarzen Loches sein, denn dieser ist bereits durch ΔA repräsentiert. Ich bin nicht sicher wie man damit umgeht.

Sind wir denn bei solchen Betrachtungen nicht wegen T ~ 1/k_B bei mikroskopischen Freiheitsgraden? Weiter oben hast du geschrieben „Gesamtentropie aller beteiligten Freiheitsgrad - und die kennen wir für gravitative Systeme explizit nicht“. Was genau meinst du hier?

Für mich ist der 2. Hauptsatz der Thermodynamik in Stein gemeißelt. Jedenfalls sind mir Diskussionen bisher nicht untergekommen, in denen das relativiert wird.

Korra 18.02.19 14:20

AW: Messung der Expansionsgeschwindigkeit
 
Ich mische mich mal mit ein. Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik wurde des Öfteren infrage gestellt. Schon allein die Urknalltheorie, die laut Hawking ohne einen Auslöser passieren kann, ist dafür Grund genug.
Schwarze Löcher sind eine sehr schwer verstandenes Phänomen. Sie sind bis Heute noch nicht richtig verstanden und es brauchte schon lange genug alleine das Informationsparadoxon der Schwarzen löcher zu klären (Lösung waren verschränkte Atome). Klar ist das laut Wikipedia, dass Entropie steigt bei Energieaufnahme und sing bei Energie abnahmen.
Wenn eine Schwarzes Loch frisst, steigt die Entropie, weil es Energie aufnimmt. Es wird sozusagen heißer. Hingegen, wenn es nicht mehr frisst und nur vor sich hin Schwebt, dann sinkt die Entropie wieder. Denn durch Hawking Strahlung und Jets wird Energie abgegeben.
Eine Schwarzes Loch ist kein abgeschlossenes System. Somit (erster Hauptsatz der Thermodynamik) kann ein Austausch stattfinden mit der Umgebung... Ein Universum ist so weit wir wissen ein geschlossenes System... Somit kann die Entropie nur steigen, nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.

Aber Achtung, selber, wenn das Universum eine abgeschlossenes System ist, kann es sein, dass es trotzdem an Entropie verliert. Laut einer, ich glaube sogar hier schon genannten Theorie, wird beim Ausdehnen das Universum der freie Raum mit dunkler Energie gefüllt. Dem zu Folge könnte die Entropie durch den neu gewonnen Raum steigen. Wenn man davon ausgeht, dass das Universum sich in sich selber ausdehnt, dann wäre auch nicht der erste Hauptsatz der Thermodynamik in Mitleidenschaft gezogen. Denn es entsteht im Universum so zu sagen neuer Raum...

Also das sind jetzt mehrere Ansätze und sind halt alles nur Theorie. Das schöne ist bei Theorien, dass diese immer noch geändert werden können.

pauli 18.02.19 20:24

AW: Messung der Expansionsgeschwindigkeit
 
Das ist schon ziemlich faszinierend was es so alles da draußen gibt

TomS 18.02.19 22:30

AW: Messung der Expansionsgeschwindigkeit
 
Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 90643)
Sind wir denn bei solchen Betrachtungen nicht wegen T ~ 1/k_B bei mikroskopischen Freiheitsgraden?

Bei mikroskopischen Freiheitsgraden bist du dann, wenn du z.B. die Entropie aus der statistischen Mechanik ableiten kannst:

Z(β) = tr exp[-βH]

S(β) = k[ln(Z) - β ∂/∂β] ln(Z)

β = 1/kT

H = Hamiltonoperator alle quantenmechanischen Freiheitsgrade, d.h. Photonen, Leptonen, ...

„tr“ = Spur über alle Quantenzustände |n> des Systems

D.h.

Z(β) = ∑ <n| exp[-βH] |n>

Im Falle eines Systems der QED hast du in H die Terme für Elektronen, Positronen und Photonen stehen, die Summe ∑ läuft im einfachsten Fall über alle ebenen Wellen |n> dieser Teilchen.

Im Falle der QG müssten wir über die quantenmechanischen Zustände des Gravitationsfeldes summieren ...

Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 90643)
Weiter oben hast du geschrieben „Gesamtentropie aller beteiligten Freiheitsgrad - und die kennen wir für gravitative Systeme explizit nicht“. Was genau meinst du hier?

... wir kennen den Hamiltonoperator des Gravitationsfeldes nicht - und auch keine andere, äquivalente Formulierung mittels Pfadintegralen o.ä. Z.B. im Falle des ins SL stürzenden Gases können wir die o.g. Terme für das Gas, jedoch nicht für das Gravitationsfeld hinschreiben.

Zitat:

Zitat von Timm (Beitrag 90643)
Für mich ist der 2. Hauptsatz der Thermodynamik in Stein gemeißelt. Jedenfalls sind mir Diskussionen bisher nicht untergekommen, in denen das relativiert wird.

Das wird von den meisten Physikern so gesehen. Um diese Ansicht zu retten, hat Bekenstein postuliert, dass schwarzen Löchern eine Entropie S ~ A zukommt, obwohl sie - klassisch betrachtet - keine Mikrozustände haben und daher S = 0 gelten müsste. Analog: eine ebene elektromagnetische Welle im Vakuum hat ebenfalls S = 0. Hawking konnte die mit S assoziierte Temperatur T berechnen und den Zusammenhang S ~ A bestätigen, zunächst um den Preis der Verletzung der Unitarität.

Um den zweiten Hauptsatz - wie üblich für bestimmte Systeme, nicht allgemein - aus der statistischen Mechanik des betreffenden Systens ableiten zu können, müsste man jeweils den entsprechenden Hamiltonoperator H formulieren können - kann man jedoch heute für die Quantengravitation nicht. Es gibt Ausnahmen, z.B. einige Ansätze zur Berechnung der Entropie schwarzer Löcher im Kontext der LQG oder der Stringtheorie, aber da ist man noch weit von einer geschlossenen Theorie entfernt. Das heißt im wesentlichen postuliert man weiterhin die Gültigkeit des verallgemeinerten zweiten Hauptsatzes nach Bekenstein, ohne dass eine Ableitung möglich wäre.

Zusammenfassend: Für ein nicht-strahlendes SL wäre der zweite Hauptsatz verletzt; für ein strahlendes SL ist die Unitarität verletzt.

Something is rotten in the state of Denmark ...

TomS 18.02.19 22:38

AW: Messung der Expansionsgeschwindigkeit
 
Zitat:

Zitat von Korra (Beitrag 90645)
... es brauchte schon lange genug alleine das Informationsparadoxon der Schwarzen löcher zu klären (Lösung waren verschränkte Atome).

Ich kenne keine allgemein akzeptierte Lösung des Informationsparadoxons; Firewall und Verschränkung sind es jedenfalls nicht.

Zitat:

Zitat von Korra (Beitrag 90645)
Wenn eine Schwarzes Loch frisst, steigt die Entropie, weil es Energie aufnimmt. Es wird sozusagen heißer. Hingegen, wenn es nicht mehr frisst und nur vor sich hin Schwebt, dann sinkt die Entropie wieder. Denn durch Hawking Strahlung und Jets wird Energie abgegeben.
Eine Schwarzes Loch ist kein abgeschlossenes System. Somit (erster Hauptsatz der Thermodynamik) kann ein Austausch stattfinden mit der Umgebung... Ein Universum ist so weit wir wissen ein geschlossenes System... Somit kann die Entropie nur steigen, nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik.

Das ist eine grobe Beschreibung dessen, was wir erwarten, jedoch keine mathematische Ableitung aus einer uns vorliegenden Theorie. Siehe außerdem oben: die Lösung der Frage der Entropie mittels der Hawkingstrahlung beschert uns ein mindestens ebenso gravierendes Problem der Verletzung der Unitarität.

Zitat:

Zitat von Korra (Beitrag 90645)
... wenn das Universum eine abgeschlossenes System ist, kann es sein, dass es trotzdem an Entropie verliert. Laut einer, ich glaube sogar hier schon genannten Theorie, wird beim Ausdehnen das Universum der freie Raum mit dunkler Energie gefüllt. Dem zu Folge könnte die Entropie durch den neu gewonnen Raum steigen. Wenn man davon ausgeht, dass das Universum sich in sich selber ausdehnt, dann wäre auch nicht der erste Hauptsatz der Thermodynamik in Mitleidenschaft gezogen. Denn es entsteht im Universum so zu sagen neuer Raum...

Das ist jetzt irgendwie Phantasie ;-)

Korra 19.02.19 09:37

AW: Messung der Expansionsgeschwindigkeit
 
Ich versuche halt neue Theorien in den Raum zu werfen. Die ein oder andere darf dann auch ruhig Fantasie sein.

Hingegen gibt es für das Informationsparadoxon bei Schwarzen Löchern, die auf verschränkten Photonen basiert. Die lautet, dass wenn an Ereignishorizont eines schwarzen Loches zwei verschränkte Teilchen entstehen, so könnte eins eingesaugt werden und dass andere außerhalb des schwarzen Loches bleiben. Dadurch wird rein nach dieser Theorie behauptet, dass ein Informationsaustausch über dieses verschränkte Photon stattfindet. Ich sage allerdings nicht, dass diese Theorie richtig ist, weil man immer noch am Streiten ist, ob ein verschränktes Photon wirklich eine Information an das andere weitergibt, oder ob die Photonen schon bei der Verschränkung die Information ihres Spins beinhalten.

Also ein wenig Spekulativ aber immer noch sehr interessant.

Timm 19.02.19 09:46

AW: Messung der Expansionsgeschwindigkeit
 
Danke für deine Erläuterungen.
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 90648)
Das heißt im wesentlichen postuliert man weiterhin die Gültigkeit des verallgemeinerten zweiten Hauptsatzes nach Bekenstein, ohne dass eine Ableitung möglich wäre.

Zusammenfassend: Für ein nicht-strahlendes SL wäre der zweite Hauptsatz verletzt; für ein strahlendes SL ist die Unitarität verletzt.

Something is rotten in the state of Denmark ...

:)

Ein Widerspruch, der mit bekannter Physik offenbar nicht aufzulösen ist.

Hier eine Antwort zur Frage nach der Beweisbarkeit des 2. Hauptsatzes. Was hältst du davon?

TomS 19.02.19 19:07

AW: Messung der Expansionsgeschwindigkeit
 
Hatte ich auch schon gelesen ;-)

Da sind viele gute Punkte dabei, die man vertiefen kann. Kein Beitrag thematisiert die Frage der gravitativen Freiheitsgrade.

Eyk van Bommel 20.02.19 11:32

AW: Messung der Expansionsgeschwindigkeit
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 90648)
Zusammenfassend: Für ein nicht-strahlendes SL wäre der zweite Hauptsatz verletzt; für ein strahlendes SL ist die Unitarität verletzt

Zitat: Andreas Müller - Lexikon:
In der Quantenmechanik (QM) und den Quantenfeldtheorien (QFT) ist Unitarität eine Zeittranslationssymmetrie der Dynamik. Mit der Allgemeinen Relativitätstheorie muss der Zeitbegriff neu gedeutet werden. Hier ist die Aufrechterhaltung der Zeittranslationssymmetrie deutlich erschwert. Es besteht daher nicht notwendig die Forderung nach Unitarität einer Quantengravitation, beispielsweise der Loop-Quantengravitation (LQG).

TomS 20.02.19 22:40

AW: Messung der Expansionsgeschwindigkeit
 
Zitat:

Zitat von Eyk van Bommel (Beitrag 90668)
Zitat: Andreas Müller - Lexikon:
In der Quantenmechanik (QM) und den Quantenfeldtheorien (QFT) ist Unitarität eine Zeittranslationssymmetrie der Dynamik. Mit der Allgemeinen Relativitätstheorie muss der Zeitbegriff neu gedeutet werden. Hier ist die Aufrechterhaltung der Zeittranslationssymmetrie deutlich erschwert. Es besteht daher nicht notwendig die Forderung nach Unitarität einer Quantengravitation, beispielsweise der Loop-Quantengravitation (LQG).

Ich wüsste nicht, dass die LQG eine derartige Aussage macht.

Nichts gegen Andreas, aber da würde mich eine Referenz interessieren.


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