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-   -   Orbit-Übergang Ellipse->Parabel (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=4049)

Martin G 29.11.21 02:05

Orbit-Übergang Ellipse->Parabel
 
Wie darf man sich geometrisch die Entwicklung einer Kreisbahn bis hin zur Parabel vorstellen?

Bei jeweiligem Schub im (gleichbleibendem) Perigäum wächst eine immer größer (auch verhältnismäßig flacher?) werdende Ellipse, wobei sich das Apogäum mit wachsender Exzentrizität immer weiter entfernt.
Um den Orbit vollständig zu halten, "kippt" der sich entfernende Orbiter an der kleinen Halbachse ab in Richtung Apogäum.

Dann ist die Grenze zur Fluchtgeschwindigkeit eine Parabel.
Dies gelingt nur, wenn es keine Halbachse mehr gibt und der Orbiter sich von der gegenüberliegenden Bahn immer weiter, dabei immer langsamer, entfernt und sich asymptotisch einer Parallelen nähert?

Was passiert zwischen diesen beiden Formen (Ellipse und Parabel)?
Gibt es einen kritischen Punkt, bei dem sich der Orbiter an der Halbachse "entscheidet, ob er abkippt, oder den Parabelflug vervollständigt? in der Höhe des Apogäums wäre dies ein Distanz-Unterschied, den ich nicht verstehen würde.

Oder geht die Ellipse erst in eine Präzession über und diese ist irgendwann so "stark", dass sie mit einer Parabel in der Flucht endet?
Wenn ja, beginnt die Präzession schon mit jeder kleinsten Ellipse und ist anfänglich kaum messbar, oder gibt es einen bestimmtem Punkt, ab wann die Präzession beginnt?

Hinweise auf entsprechendes Lehrmaterial sowie Formeln willkommen.

PS: Ich ahne, schon, dass ich irgendwo einen gewaltigen Denkfehler habe und würde die Frage am liebsten schon zurückziehen ;)

Bernhard 29.11.21 08:56

AW: Orbit-Übergang Ellipse->Parabel
 
Hallo Martin,

Zitat:

Zitat von Martin G (Beitrag 97099)
Bei jeweiligem Schub im (gleichbleibendem) Perigäum

Deine Unsicherheit entsteht vermutlich durch diese schwammige Formulierung. Wird hier ein Rakete betrachtet? Falls ja, müsste der genaue zeitabhängige Schub definiert werden. Dann kann man im Prinzip die Bahn numerisch berechnen.

Du hast aber bereits richtig erkannt, dass es zwischen Ellipse und Parabel einen prinzipiellen Unterschied gibt. Die eine Bahn ist geschlossen, die andere offen. Es gibt deshalb auch so etwas wie einen kritischen Schub, der die Rakete dann auf die offene Bahn beschleunigt.

Ich 29.11.21 11:04

AW: Orbit-Übergang Ellipse->Parabel
 
Ich verstehe das Problem nicht ganz. Eine Parabel ist nicht so grundsätzlich verschieden von einer Ellipse. Der Unterschied ist nur, dass der "Abkipppunkt" nicht nur sehr weit außen ist, sondern unendlich weit.

Martin G 29.11.21 15:06

AW: Orbit-Übergang Ellipse->Parabel
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 97101)
Wird hier ein Rakete betrachtet?

genau, der Einfachheit halber gehen wir von einer Rakete aus, die (jeweils) punktgenau beschleunigt.

Martin G 29.11.21 15:18

AW: Orbit-Übergang Ellipse->Parabel
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 97102)
Ich verstehe das Problem nicht ganz. Eine Parabel ist nicht so grundsätzlich verschieden von einer Ellipse. Der Unterschied ist nur, dass der "Abkipppunkt" nicht nur sehr weit außen ist, sondern unendlich weit.

Also nehme ich erst mal an, dass es mit Präzession nichts zu tun hat.

Wenn es so ist, dass die Form bis zur Hälfte der Ellipse einer Parabel entspricht, und der "Abkipppunkt" im Unendlichen liegt, wie verhält es sich dann kurz vor Fluchtgeschwindigkeit: der "Abkipppunkt" ist beinahe im Unendlichen und das Apogäum liegt 2x beinahe unendlich weit entfernt?

Vielleicht klingt es etwas spitzfindig, und mathematisch kann man Unendlichkeiten ja auch addieren (Beispiel: Hilbert Hotel), es fehlt mir dann wohl nur die Vorstellungskraft (bzw. grundsätzliches mathematisches Verständnis)

Bernhard 29.11.21 15:45

AW: Orbit-Übergang Ellipse->Parabel
 
Vielleicht hilft ja dieser WP-Artikel weiter:

https://de.wikipedia.org/wiki/Keplerbahn

Für limes eps -> 1- wird die Ellipse immer länglicher und nähert sich damit immer weiter an die Parabel an.

Ich 29.11.21 21:05

AW: Orbit-Übergang Ellipse->Parabel
 
Zitat:

Zitat von Martin G (Beitrag 97105)
Wenn es so ist, dass die Form bis zur Hälfte der Ellipse einer Parabel entspricht, und der "Abkipppunkt" im Unendlichen liegt, wie verhält es sich dann kurz vor Fluchtgeschwindigkeit: der "Abkipppunkt" ist beinahe im Unendlichen und das Apogäum liegt 2x beinahe unendlich weit entfernt?

Der Punkt ist, dass diese Aussage:
Zitat:

Gibt es einen kritischen Punkt, bei dem sich der Orbiter an der Halbachse "entscheidet, ob er abkippt, oder den Parabelflug vervollständigt?
nicht zutrifft: Der Orbiter entscheidet sich nicht an der Halbachse, sondern er erreicht sie erst gar nicht. Und eine Präzession braucht man auch nicht, weil eine große Ellipse von Haus aus über weite Strecken quasi ununterscheidbar von einer Parabel ist. Der Unterschied ist, dass in einem Fall nach hunderttausend Jahren die Seitwärtsbewegung genau auf Null ist, im anderen nur fast.

Bernhard 30.11.21 07:56

AW: Orbit-Übergang Ellipse->Parabel
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 97107)
Und eine Präzession braucht man auch nicht, weil eine große Ellipse von Haus aus über weite Strecken quasi ununterscheidbar von einer Parabel ist.

Bei der Herstellung eines Parabolspiegels, wie er im Newton-Fernrohr verwendet werden, kann man deshalb auch mit einer exakten Kugelform beginnen. Erst ganz am Ende wird der Spiegel dann zur Parabel poliert, bzw. korrigiert.

Martin G 11.12.21 19:22

AW: Orbit-Übergang Ellipse->Parabel
 
Danke für euren hilfreichen Input!

Nach einiger Überlegung kann ich mich mit folgender Formulierung zufriedenstellen (ergänzend zu euren korrekten Antworten):

Bei linearem Energiezuwachs (Schub), wächst die Grösse der Ellipse exponentiell an (was ja auch in der Funktion zur Parabel steht).
Dass heisst, es gibt nicht den einen Punkt, an dem die Ellipse plötzlich zur Parabel wird, sondern die Ellipse vergrössert sich immer schneller ins Unendliche, wobei sich umgekehrt der erforderliche Energiebedarf asymptotisch der kritischen Schwelle nähert.

Dies kann man sich auf dem Kegel gut veranschaulichen:
Ein anfänglicher Kreis auf dem Kegel (Kegelschnitt) kippt seitlich so ab, dass er eine immer größer werdende Ellipse bildet.
Bei linearem Winkelzuwachs, entfernt sich der untere/äußere Punkt der Ellipse (Apogäum) exponentiell, und damit auch der Umkehrpunkt (Apogäum/2).

Für mein Vorstellungskraft genügt dies jetzt.
Falls es noch bessere Formulierungen oder Analogien gibt, damit andere von mir nicht verwirrt werden, immer gern :)

Hawkwind 11.12.21 20:07

AW: Orbit-Übergang Ellipse->Parabel
 
Zitat:

Zitat von Martin G (Beitrag 97185)
...
Bei linearem Energiezuwachs (Schub), wächst die Grösse der Ellipse exponentiell an (was ja auch in der Funktion zur Parabel steht).
...

Das Wachstum der Ellipse ist sicher nicht exponentiell; das würde bedeuten, dass die Ellipse nie in eine Parabel bzw. Hyperbel übergeht. Wenn man permanent beschleunigt, dann erreicht man aber in endlicher Zeit den Punkt, wo das Objekt ungebunden ist, d.h. seine Bahn hyperbolisch wird.
---
Eine quantitativ korrekte Diskussion geht so
https://www.physik.uni-bielefeld.de/...I_15/11_03.pdf

Siehe Gleichungen I.105a und I.105b. Dort sieht man, wie die Exzentrizität des Kegelschnittes von der Energie abhängt.


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