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quantquant 08.10.07 08:56

Künstliches Leben
 
Hallo Forum, das hat zwar nichts mit Physik, sondern mit Biologie zu tun, könnte aber eine wissenschaftliche Sensation sein:

Craig Venter hat vermutlich ein künstliches Lebewesen erschaffen, genauer gesagt ein künstliches Genom, welches in eine "leere" Zelle eingeschleust und dann "zum Leben erweckt" wurde. Die offizielle Bekanntgabe steht noch aus, könnte aber heute in San Diego erfolgen.

Links dazu:

http://www.sueddeutsche.de/wissen/artikel/805/136535/
http://www.sueddeutsche.de/wissen/artikel/903/136632/
http://www.welt.de/wissenschaft/arti...Chromosom.html
http://www.jcvi.org/meetings/gme/2007/

Was haltet ihr davon?

Viele Grüße,

Günter

Jogi 08.10.07 11:11

AW: Künstliches Leben
 
Hallo quantquant.

Tja, das wäre in der Tat ein Meilenstein in der Gentechnologie.

Wie das aber zu bewerten ist?

Ich sehe da natürlich sowohl Chancen als auch Risiken.
Solcherlei Technik richtig angewandt, könnte ein Segen für die Menschheit sein.
(Die übrige Natur lassen wir mal aussen vor.)

Die grosse Gefahr liegt natürlich im Missbrauch.
Und den wird es geben, davon müssen wir leider ausgehen.
(Das einzige was wir aus der Geschichte lernen können,
ist, dass wir nichts aus ihr gelernt haben.)

Craig Venter und seinem Team ist da keinerlei Vorwurf zu machen.
Sie nutzen nur die gegebenen Möglichkeiten (technische, finanzielle und politische).
Eher muß man sich fragen, ob es von einer Gesellschaft zu verantworten ist, eine solche Technologie und damit auch die Kontrolle darüber aus "ethischen" Gründen aus der Hand zu geben.
Das könnte sich furchtbar rächen, denn andere, die da weniger Skrupel haben, werden nicht zögern, diese Technologie für ihre eigenen Interessen einzusetzen, und zwar ohne jede Rücksicht auf den Rest der Welt.
Wenn man also sagt:
"Wir lassen die Finger von solchem Teufelszeug,"
dann erreicht man nämlich das genaue Gegenteil dessen, was man damit beabsichtigt:
Der Missbrauch wird eher gefördert als verhindert.
Und genau in dieser Situation befinden wir uns hier in Europa:
Vor lauter Skrupel, Bedenken un Vorbehalten verschliessen wir die Augen davor, dass wir hier sehenden Auges eine grosse Chance verspielen.
Es ist doch blauäugig, zu glauben dass neue Technologien durch unsere Zurückhaltung verhindert werden, nein, wir überlassen sie nur anderen.
Um nachher mit dem Finger auf sie zu zeigen und sie des Missbrauchs, auch zu unserem Schaden, zu bezichtigen.

Ja, ja, ich weiss:
Man darf nicht alles, was man kann.

Aber man sollte darauf vorbereitet sein, dass sich da nicht jeder dran hält.
Und dem ist nur dadurch zu begegnen, dass man technologisch und wissenschaftlich nicht ins Hintertreffen gerät, sonst ist man ausgeliefert.

Hier drückt sich unsere Gesellschaft vor der Verantwortung und zwingt die Politik geradezu, den Fortschritt auf unserem Boden zu behindern.
Der Politiker, der sich hinstellt und für Genforschung hierzulande freie Hand fordert, kann sicher sein, bei der nächsten Wahl von der ach so moralisch verantwortungsbewussten Wählerschaft abgestraft zu werden.

Ich hör jetzt lieber auf, sonst steh' ich nacher noch als schlechter Demokrat da, wobei ich damit nicht wirklich ein Problem hätte.

Ich glaube, es war Churchill, der (sinngemäss) sagte:
"Die Demokratie ist eine schlechte Staatsform, aber es gibt keine bessere."


Gruß Jogi

richy 08.10.07 11:35

AW: Künstliches Leben
 
Hallo Guenther
Vielen Dank fuer die interessante Information. Ich sehe solche Entwicklungen mit gemischten Gefuehlen. Auch wie der Chaosforscher Melmock von Jurrasic Park.
Das komplette Oekosystem ist nichtlinear, rueckgekoppelt hochkomplex. Einfacher: Es ist unmoeglich konkrete Vorhersagen zu erstellen wie das ganze System sich verhaelt wenn ich es mit solchen kuenstlichen Organismen z.B beinflusse. Missbrauch und Ethik weitere Aspekte.
Auf der anderen Seite bieten sich natuerlich neue Moeglichkeiten in der Anwendung und auch der Frage wie das Leben denn nun funktioniert. (Habe gerade Jogis Antwort gelesen und vertrete die selbe Meinung. Wenn man hier die Entwicklung einfach verschlaeft kann man sie dennoch nicht aufhalten.)

Ich waere erstaunt, wenn sich das Leben lediglich einige DNA Bausteine beschraenken liesse. Vertrete hier die Meinung der Chaostheorie. Alle komplexe Systeme sind lebendig. Letztendlich eine Frage der Definition. Das ist aehnlich wie bei der KI.
Die Vorgehensweise von Craig ist schon raffiniert.
Aber, wenn ich von einem Programm alle Unterfunktionen entferne, lande ich letztendlich beim Programmgeruest der Programnmiersprache und kann diese eventuell verstehen. Aber nicht wie die Hardware des Rechners funktioniert.

Die Bedenken zum Einfluss auf Oekosysteme relativiert sich auch etwas, wenn man bedenkt, dass wir hier soundso schon massiven Einfluss nehmen.

Wenn wir von Ethik sprechen, dann ist es meist folgende egoistische Frage, die uns Sorgen bereitet :
Koennen wir uns selbst ueberleben ? :-)

ciao

quantquant 08.10.07 12:15

AW: Künstliches Leben
 
Danke für Eure Antworten. Ich teile die Bedenken von Jogi ebenfalls.

Zitat:

Zitat von richy (Beitrag 9141)
Auf der anderen Seite bieten sich natuerlich neue Moeglichkeiten in der Anwendung und auch der Frage wie das Leben denn nun funktioniert.
...
Aber, wenn ich von einem Programm alle Unterfunktionen entferne, lande ich letztendlich beim Programmgeruest der Programnmiersprache und kann diese eventuell verstehen. Aber nicht wie die Hardware des Rechners funktioniert.

Das ist ein interessanter Aspekt. Letztendlich wurde ja nur die "Natur" nachgebaut. Auch, wenn auf diese Art künstliches Leben entstanden ist, versteht man nicht im Detail, wie das Genom funktioniert - glaube ich zumindest, vielleicht sind Molekularbiologen hier schon weiter, als ich denke.

Aber einen Aspekt möchte ich doch noch ansprechen, der es meiner Meinung nach zu einer echten Sensation macht: Es geht ja um nichts Geringeres, als das aus unbelebter Labormaterie ein lebensfähiger, sich selbst reproduzierender Organismus geformt wird. Je nach Sichtweise ist das bisher nur dem Zufall vor ca. 3,5 Milliarden Jahren oder Gott "in sieben Tagen" gelungen. Insofern spielt hier Craig schon wirklich Gott.
Es ist das erste Mal auf diesem Planeten, das Leben künstlich erschaffen wird, oder anders gesagt, das zweite Mal, das überhaupt Leben geschaffen wird.

Leben, das vielleicht zur Evolution fähig ist und in ein paar Milliarden Jahren vor einem PC hockt und Texte tippt.

Deine Aussage, richy, "Alle komplexen Systeme sind lebendig", kann man natürlich vertreten, trotzdem gibt es meiner Meinung nach einen großen Unterschied zwischen KI und biologischem Leben, um das es ja hier geht.

Mich wundert fast, dass das bisher so wenig Resonanz in den Medien gefunden hat, aber vielleicht ist die Meldung auch einfach noch zu neu.

Viele Grüße,

Günter

pauli 08.10.07 12:29

AW: Künstliches Leben
 
Ich hoffe, dass es nur eine Ente bzw. Show ist, und dass selbst wenn es ihnen gelungen ist, irgendwelche Basen/Moleküle hinzupfriemeln und in eine Zelle einzuschleusen, diese schlau genug ist das Kuckuksei zu erkennen und sich nicht teilt.

Vlt. kann Eyk uns mehr aus fachmännischer Sicht dazu sagen.

Lorenzy 08.10.07 15:09

AW: Künstliches Leben
 
Zitat:

Zitat von quantquant (Beitrag 9143)
Auch, wenn auf diese Art künstliches Leben entstanden ist, versteht man nicht im Detail, wie das Genom funktioniert - glaube ich zumindest, vielleicht sind Molekularbiologen hier schon weiter, als ich denke.

Ich denke, die Funktionsweise des Genoms zu verstehen (was man heute schon recht gut kann) ist noch gar nichts im Vergleich zum Verständnis der Aufgaben und Wechselwirkung zwischen Proteinen. Wenn das Genom das Programmgerüst mit der Programmiersprache darstellt, so wären die Proteine die Worte in einem Satz, und deren Bedeutung somit vom Kontext des Satzes abhängig, welcher wiederum vom Kontext eines ganzen Textes abhängig ist. Durch diese enorme Komplexitätszunahme mag man zurecht bezweifeln, ob man jemals in der Lage sein wird, komplexe Organismen in all ihrer Schönheit zu verstehen.
Nichtsdestotrotz sollte man von diesem Ziel nicht abweichen.

Zitat:

Zitat von Jogi
Man darf nicht alles, was man kann.

Meiner Meinung nach sollte man mehr darauf achten was man kann und darf. Seit jeher wendet der Mensch neue Technologien nicht gerade mit einer Weitsicht an. Sei es durch Verwendung von FCKW in Kühlschränken oder durch gentechnisch veränderte Pflanzen in Freilandversuchen. Man ging immer, bis zu einem gewissen Grad, mit dem Motto "Augen zu und durch" ins Rennen. Natürlich hat der Mensch schon immer die Natur mitbeeinflusst (wir sind ja schliesslich ein Teil des Ökosystems). Aber die neuen "Faktoren" die wir in dieses System werfen können, werden meiner Meinung nach immer bedenklicher. Andererseits bleibt uns aber wahrscheinlich nichts weiter übrig, als so weiterzumachen wie bisher, da wir dieser Komplexität einfach nicht gewachsen sind.

Gandalf 08.10.07 17:35

AW: Künstliches Leben
 
[QUOTE=quantquant;9108]
Craig Venter hat vermutlich ....
Was haltet ihr davon?

/QUOTE]

Craig Venter .. ehemaliger Surfboy und bekannter Anbieter von Vaporware hat also vermutlich...

Was ich davon halte?????

(ohne Worte)

MCD 08.10.07 18:22

AW: Künstliches Leben
 
[QUOTE=Gandalf;9212]
Zitat:

Zitat von quantquant (Beitrag 9108)
Craig Venter hat vermutlich ....
Was haltet ihr davon?

/QUOTE]

Craig Venter .. ehemaliger Surfboy und bekannter Anbieter von Vaporware hat also vermutlich...

Was ich davon halte?????

(ohne Worte)

Hatte gestern bei spiegel.de davon gelesen, allerdings meine ich mich erinnern zu können*, dass hinsichtlich Venters Seriosität eine gewisse Skepsis geboten sei...

Gr.
MCD

*Aus mir unerklärlichen Gründen, funktioniert der Link bei spiegel.de im Moment nicht:confused: (http://www.spiegel.de/wissenschaft/)

rene 08.10.07 18:53

AW: Künstliches Leben
 
O-Ton Craig Venter:

"Wir versuchen, ein neues Wertesystem für das Leben zu schaffen. Wenn man mit solchen Dimensionen zu tun hat, kann man nicht erwarten, dass jeder glücklich sein wird."


Die Kombination von "neues Wertesystem für das Leben" und "dass nicht jeder glücklich sein wird", sagt doch schon einiges aus.

Zuerst muss sich sein Laborbakterium-Genom mal erfolgreich im Wirtsbakterium bewähren, d.h. die Kontrolle über den Wirt haben um nach seiner Design-Vorlage die Stoffwechselproduktion sowie seine Reproduktion zu übernehmen.

Ob die Stoffwechseländerung schlussendlich dem Wirt gut tut oder daran zugrunde geht (wie wir nach einer tödlichen Infektionskrankheit) steht noch aus. Und selbst wenn nicht, ist die Reproduktion ein anderes Thema.

Grüsse, rene

Jogi 08.10.07 19:53

AW: Künstliches Leben
 
Hi.

Nachdem ich nun inzwischen auch mehrere Links und Kommentare zu der Meldung gelesen habe, relativiert sich die Sensation doch schon ein bisschen.

Aber auch wenn das Experiment in diesem Fall erfolglos bleibt, so wird es doch nur eine Frage der Zeit sein, bis sich Visionen von künstlichem Leben realisieren lassen.

Vielleicht (hoffentlich) erkennt man den wissenschaftlichen "Warnschuss" als solchen.

Ich plädiere weiterhin dafür, das Agieren dem Reagieren vorzuziehen, und so zumindest einen Teil der Fäden in der Hand zu behalten.

Doch leider hat sich in den letzten Jahren der Trend der Abwanderung von Wissenschaftlern und damit auch von know how auf diesem Gebiet fortgesetzt, und da sind wir alle nicht ganz unschuldig daran.
(Das gilt für andere Wissenschafts- und Technologiebereiche übrigens auch.)
Seltsamerweise sind da die Amis, obwohl gar so fromm, doch wesentlich pragmatischer, von den Japanern ganz zu schweigen.

Vielleicht sollten wir unser permanent schlechtes Gewissen gegenüber der Welt mal in vorausschauender Weise anwenden, und den vermeintlichen Pakt mit dem Teufel mit unterzeichnen, um auch an den Folgen wenigstens teilweise aktiv beteiligt zu sein.

Verantwortung übernehmen kann nicht heißen, Risiken von sich zu schieben.
Denn dann überlässt man sie anderen, von denen man nicht sicher sein kann wie sie damit umgehen, aber ich wiederhole mich.


Gruß Jogi


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