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Simon_St 21.10.18 16:48

Welche Form der Logik braucht man für die Physik
 
Hallo,
ich möchte gern mein Projekt vorstellen. Ich beschäftige mich seit 15 Jahren intensiv mit mathematischer Logik und habe ein Physikstudium absolviert.

Mein Ziel ist es die Grenzen der formalen Methodik auf die Physik zu übertragen (Gödel etc.).

Hierbei interessiert mich zunächst, wo Abzählbarkeit und Überabzählbarkeit auftaucht. Bzw. Prädikatenlogik erster Stufe oder zweiter Stufe.

Interessant für mich ist zunächst das Vollständigkeitsaxiom der reellen Zahlen. Dieses ist in der Prädikatenlogik erster Stufe nicht formulierbar und besagt anschaulich, dass jede Folge, die durch ein kleiner werdendes Intervall charakterisiert ist, den Limes in den reellen Zahlen hat. Auf diesem Axiom, welches selbst nicht beweisbar ist, beruht jeder Darstellungsraum, den man sich als Kontinuum vorstellt.

Meine Vermutung zunächst ist, dass die Zustandsräume in der Quantenmechanik abzählbar unendlich sind, da diese durch Operatoren aufgebaut werden.

Die Physik ist immer etwas ungenau, was genau die logischen Mittel betrifft. Deshalb versuche ich zunächst die logischen Mittel der QM und ART zu verstehen.

Bernhard 22.10.18 21:01

AW: Welche Form der Logik braucht man für die Physik
 
Zitat:

Zitat von Simon_St (Beitrag 88917)
Meine Vermutung zunächst ist, dass die Zustandsräume in der Quantenmechanik abzählbar unendlich sind, da diese durch Operatoren aufgebaut werden.

Die Eigenwerte des Impuls- und Ortsoperators sind kontinuierliche Werte und damit ist die Dimension der zugehörigen Zustandsräume überabzahlbar unendlich.

Zur Auffrischung: Das lernt man in jeder Anfängervorlesung zur Quantenmechanik und es wird in der schrödingerschen Wellenmechanik und deren Verallgemeinerung durch die Dirac-Gleichung ausgiebig verwendet, wie z.B. in der Streutheorie. Zumindest die Anfangszustände haben hier normalerweise einen kontinuierlichen Parameter für den Impuls und damit auch für die Energie.

Simon_St 23.10.18 17:37

AW: Welche Form der Logik braucht man für die Physik
 
OK. Ist auch ein erster Versuch Logik auf die Physik zu übertragen.

Was mich zu der Vermutung der Abzählbarkeit verleitet hat ist die Heisenbergdarstellung.

Wenn ich das noch richtig weiß, kann man einen Messoperator stets als Matrix darstellen. Wobei die Matrix ruhig unendlich viele Elemente haben kann. Aber eben abzählbar viele Elemente.

Liege ich auch hier falsch?

Die Abzählbarkeit würde sich auf das Observable beziehen. Dass die "Information" die ein Beobachter aus einem System ziehen kann stets abzählbar ist.

Bernhard 24.10.18 09:00

AW: Welche Form der Logik braucht man für die Physik
 
Zitat:

Zitat von Simon_St (Beitrag 88924)
Wenn ich das noch richtig weiß, kann man einen Messoperator stets als Matrix darstellen. Wobei die Matrix ruhig unendlich viele Elemente haben kann. Aber eben abzählbar viele Elemente.

In den allermeisten Fällen stimmt das, aber es gibt halt auch in der Heisenberg-Darstellung immer noch den Orts- und den Impulsoperator. Die Anzahl der Eigenvektoren dieser Operatoren ist überabzählbar, wenn man von einem unendlich großen euklidischen Ortsraum und einem Teilchen ohne Wechselwirkung ausgeht. Beide Operatoren sind somit keine Matrix-Operatoren.

Timm 24.10.18 09:15

AW: Welche Form der Logik braucht man für die Physik
 
Zitat:

Zitat von Simon_St (Beitrag 88917)
Die Physik ist immer etwas ungenau, was genau die logischen Mittel betrifft. Deshalb versuche ich zunächst die logischen Mittel der QM und ART zu verstehen.

Bleiben wir mal bei der ART. Um zu verstehen um was es geht, wäre es hilfreich, wenn du anhand der Friedmann Gleichungen kurz erläutern könntest, inwiefern sie "etwas ungenau" sind.

TomS 25.10.18 12:24

AW: Welche Form der Logik braucht man für die Physik
 
Zitat:

Zitat von Simon_St (Beitrag 88917)
Meine Vermutung zunächst ist, dass die Zustandsräume in der Quantenmechanik abzählbar unendlich sind, da diese durch Operatoren aufgebaut werden.

Zustandsräume der QM und QFT sind i.A. separable Hilberträume mit abzählbarer Hilbertbasis; es gibt jedoch Ausnahmen, bei denen überabzählbare Basen oder gar nicht-separable Räume betrachtet werden.

Im Falle von Orts- oder Impuls-Eigenzuständen werden überabzählbare Basen verwendet; diese liegen im Abschluss des ursprünglichen Hilbertraumes. Man erhält sogannte rigged Hilbert spaces. Allerdings ist das ein rein technisches Thema, die grundsätzliche Separabilität wird dadurch nicht in Frage gestellt.

Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 88927)
In den allermeisten Fällen stimmt das, aber es gibt halt auch in der Heisenberg-Darstellung immer noch den Orts- und den Impulsoperator. Die Anzahl der Eigenvektoren dieser Operatoren ist überabzählbar, wenn man von einem unendlich großen euklidischen Ortsraum und einem Teilchen ohne Wechselwirkung ausgeht. Beide Operatoren sind somit keine Matrix-Operatoren.

Richtig.

Dennoch ist der zugrundeliegende Hilbertraum separabel, nämlich isomorph zum L² bzw. zu l², auch wenn die verwendete Basis dies verschleiert

Nicht-Separatbilität ist eher exotisch.

In der QM musst du dich mit Funktionalanalysis sowie nicht-beschränkten Operatoren auf Hilberträumen auseinandersetzen; dabei ist m.W.n. mathematisch alles wohldefiniert (ich kenne folgende Themen im Rahmen der Funktionalanalysis, wo’s grenzwertig wird: der nicht-konstruktive Beweis der Existenz von Hamelbasen für beliebige Banachräume, der Satz von Tychonoff oder das Hahn–Banach Theorem auf Basis des Auswahlaxioms; ich sehe jedoch nicht, dass dies in der QM eine Rolle spielt)

Prinzipiell problematisch ist, dass bis heute kein Axiomensystem bekannt ist, gemäß dessen die Existenz wechselwirkender Quantenfeldtheorien auf Hilberträumen oder mittels C*-Algebren im Rahmen der algebraischen Quantenfeldtheorie garantiert werden kann; gesichert ist die Existenz lediglich für freie Quantenfeldtheorie sowie einige triviale Fälle mit WW.

Grundsätzlich glaube ich nicht, dass dich dies weiterbringt; du müsstest sehr viel Mathematik lernen, ohne dabei wirklich Physik zu betreiben. Das seit ca. 50 Jahren etablierte Standardmodell der Elementarteilchenphysik ist aus mathematischer Sicht noch nicht mal definiert, funktioniert aber für uns Physiker doch ganz gut :-)

Wenn dich derartige Fragen interessieren, dann solltest du im Umfeld der Millennium Prize Problems zu lesen anfangen:

http://www.claymath.org/millennium-p...s-and-mass-gap
http://www.claymath.org/sites/defaul.../yangmills.pdf
http://www.claymath.org/sites/default/files/ym2.pdf

Simon_St 27.10.18 19:17

AW: Welche Form der Logik braucht man für die Physik
 
Was ich mit "ungenau" in der Physik meine, ist, dass sie nicht aus der Sicht der Logik geschrieben ist. Z.B. unterscheidet man in der Logik streng zwischen Axiomen und einem Modell, was die Axiome erfüllt. Hierbei gibt es auch "nicht-Standard" Modelle.

Interessant wird Logik, wenn die zugrunde liegende Theorie den Begriff der Berechenbarkeit umfasst. Da Beweisbarkeit selbst eine Form der Berechnung darstellt, kann sich die Logik dann selbst "aufs Korn" nehmen. Mit interessanten Folgerungen, wie dem Gödelschen Unvollständigkeitssatz.


Den Ansatz, den ich seit 18 Jahren in der Logik verfolge ist, dass ich ALLE Selbstbezüglichkeiten aus der Mathematik entfernen möchte. Ich habe ein Buch geschrieben, was diesen Ansatz verfolgt. Dies ist mir fast vollständig gelungen, indem ich streng zwischen "Ausdrucksschemata" und deren Ausdrucksstärke unterscheide. Eine Diagonalisierung, alla Cantor, ist damit auflösbar.


Komischerweise findet sich in der Physik nichts, was mit Selbstbezüglichkeiten in der Mathematik vergleichbar ist. Aber die Suche hat gerade erst begonnen.


Ich will zunächst die Mathematik der Quantenfeldtheorie verstehen. (Obwohl ich diese als Fach im Studium belegt habe, habe ich nicht mal die Grundsätze verstanden.) Siehe weitere Verständnis-Posts in diesem Forum.


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