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ReinesInteresse 22.01.12 14:25

Heisenbergische Unschärferelation vs. Willensfreiheit
 
Guten Tag,

Ich möchte vorweg nehmen, dass ich nicht der Größte Quantenphysiker bin und mir nur einige Basisinformationen bekannt sind.

Ich sitze gerade vor einem Text über Willensfreiheit und mich beschäftigt schon länger eine Frage:

Die heisenbergische Unschärferelation besagt (meines Wissens nach), dass es für uns unmöglich ist sowohl den genauen Ort eines Teilchens, sowie seine Geschwindigkeit zu messen. Ist das auf Ungenauigkeit der Messinstrumentalien zurückzuführen oder ist es einfach unmöglich beides auszusagen?


Ich hab auch von einem anderen Phänomen gelesen: Es hieß, dass sich theoretisch die Moleküle in einem Raum in den Ecken konzentrieren könnten. Ist das das Resultat einer gewöhnlichen Kausalkette oder einfach die Lust der Natur. Können Quanten die Kausalität sprengen oder bewegen sie sich einfach nur nach Kräften, die uns Menschen nicht bekannt sind?

Ich wäre sehr glücklich über einige Antworten.

amc 22.01.12 14:32

AW: Heisenbergische Unschärferelation vs. Willensfreiheit
 
Zitat:

Zitat von ReinesInteresse (Beitrag 66212)
Ist das auf Ungenauigkeit der Messinstrumentalien zurückzuführen oder ist es einfach unmöglich beides auszusagen?

Hallo,

die bis heute übliche Sichtweise ist, dass es definitiv nicht auf unzureichende Messungen zurückzuführen ist, sondern dass es sich hierbei um einen prinzipiellen Charakter unserer Natur/Welt/Wirklichkeit handelt. Dies stellt eine sehr tiefgreifende um umwerfende Erkenntnis dar.

Grüße, AMC

ReinesInteresse 22.01.12 14:35

Heisenbergische Unschärferelation vs. Willensfreiheit
 
Interessant, das bedeutet, dass es für uns momentan (und womöglich auch in der Zukunft) unmöglich ist eine Maschiene zu bauen, die alles vorrausberechnet.

Relativiert sich die Unschärfe auf dauer? (<- Macht diese Frage überhaupt Sinn)

EMI 22.01.12 14:46

AW: Heisenbergische Unschärferelation vs. Willensfreiheit
 
Koordinate und Impuls eines Teilchens existieren als genaue physikalische Größe nicht gemeinsam!
Es ist prinzipell unmöglich ein Verfahren anzugeben was zu ihrer genauen Bestimmung führen würde.
Das liegt nicht an einer subjektiven Unvollkommenheit sondern das ist ein objektives Naturgesetz.
Diejenigen die das Unbestimmtheitsprinzip wiederlegen möchten, erwartet das traurige Schicksal der Erfinder der Perpetuum mobile!

Gruß EMI

fossilium 22.01.12 15:44

AW: Heisenbergische Unschärferelation vs. Willensfreiheit
 
Hi Emi,

Zitat:

Zitat von EMI (Beitrag 66215)
Koordinate und Impuls eines Teilchens existieren als genaue physikalische Größe nicht gemeinsam!
Gruß EMI

Das ist nicht genau genug gesagt, Emi. Selbstverständlich kann ich sowohl Impuls als auch Ort eines Teilchens genau messen. Nur bei einer Wiederholung der Messung unter exakt den gleichen Bedingungen, streut einer der Messwerte in Abhängigkeit von der Genauigkeit des anderen Messwertes. Die Unschärferelation ist eine statistische Aussage. Sie besagt, dass Messungen mit hoher Genauigkeit nicht reproduzierbar sind. Die Deltas in der Heisenberg-Formel sind statistische Streuungen.

Besser aber immer noch nicht besonders gut könnte es heissen:

Koordinate und Impuls eines Teilchens lassen sich als physikalische Messwerte bei Mehrfachmessungen nicht genau reproduzieren.

Grüsse Fossilium

Bauhof 22.01.12 18:06

AW: Heisenbergische Unschärferelation vs. Willensfreiheit
 
Zitat:

Zitat von ReinesInteresse (Beitrag 66212)
Die heisenbergische Unschärferelation besagt (meines Wissens nach), dass es für uns unmöglich ist sowohl den genauen Ort eines Teilchens, sowie seine Geschwindigkeit zu messen. Ist das auf Ungenauigkeit der Messinstrumentalien zurückzuführen oder ist es einfach unmöglich beides auszusagen?

Hallo ReinesInteresse,

es ist nicht auf die Ungenauigkeit der Messinstrumente zurückzuführen.
Der Zustand "unendlich scharfer Ort und gleichzeitig unendlich scharfer Impuls" kommt in der Natur nicht vor. Es kommen nur solche Zustände in der Natur vor oder können experimentell realisiert werden, die sich als Vektoren im Hilbert-Raum darstellen lassen. Das heißt, solche Zustände existieren nicht und deshalb können sie auch nicht als Messwerte in Erscheinung treten.

Max Born schreibt dazu [1]:
Zitat:

Hier dagegen handelt es sich um die gleichzeitige Messbarkeit von Lagekoordinaten und Geschwindigkeitskomponenten; BOPP nennt dies die Bestimmbarkeitshypothese. Er gibt eine ganz elementare Begründung dafür, dass diese nicht gilt - ganz unabhängig von den quantenmechanischen Unbestimmtheitsrelationen, und fordert stattdessen: Von den 6N Koordinaten eines Punkts im Phasenraum sind nie mehr als die Hälfte zugleich genau bestimmbar. Damit ist das statistische Wesen der Quantenmechanik von vornherein festgelegt.
Mit freundlichen Grüßen
Eugen Bauhof

[1] Bemerkungen zur statistischen Deutung der Quantenmechanik.
Aufsatz in: Max Born, Ausgewählte Abhandlungen, Band 2.
Göttingen 1963

ReinesInteresse 22.01.12 20:47

Weiterführende Frage
 
Nun bleibt mir eine Frage offen, zu der ich die Meinung eines jeden gebrauchen kann: Schließt die heisenbergische Unschärferelation ein determiniertes Weltbild aus?

fossilium 22.01.12 23:58

AW: Weiterführende Frage
 
Hi Reines Interesse,

Zitat:

Zitat von ReinesInteresse (Beitrag 66219)
Nun bleibt mir eine Frage offen, zu der ich die Meinung eines jeden gebrauchen kann: Schließt die heisenbergische Unschärferelation ein determiniertes Weltbild aus?

ja schliesst sie aus, da bei (sehr kleinen) Wechselwirkungen immer einer von konjugierten Messwerten grundsätzlich nicht mehr exakt vorhersagbar ist.

Grüsse Fossilium

Bauhof 23.01.12 08:48

AW: Weiterführende Frage
 
Zitat:

Zitat von ReinesInteresse (Beitrag 66219)
Nun bleibt mir eine Frage offen, zu der ich die Meinung eines jeden gebrauchen kann: Schließt die heisenbergische Unschärferelation ein determiniertes Weltbild aus?

Hallo ReinesInteresse,

nicht allein die Unbestimmtheitsrelation führt zu dem Schluss, das die Welt probalistisch ist, sondern die Quantenmechanik allgemein.

Die Welt, in der wir leben, ist an der Basis indeterministisch. Der kantische Determinismus, bei dem der Zufall nur ein Verborgensein von bestimmenden Ursachen ist, wird von der Physik nicht bestätigt. Außerdem wird eine Substruktur mit verborgenen Parametern von der probalistischen Deutung der Wahrscheinlichkeit von Bohr und Born ausgeschlossen.

Arthur March bringt es in [1] wie folgt auf den Punkt:
Zitat:

Diametral entgegengesetzt ist die zweite Auffassung, die umgekehrt nur die Korpuskeln als real betrachtet, den Wellen dagegen die Wirklichkeit eines physischen Vorganges, der mit Transport von Energie und Impuls verbunden ist, abspricht und sie nur für das anschauliche Bild einer mathematischen Funktion nimmt, welche die Wahrscheinlichkeit gewisser Messergebnisse bestimmt.

Das ist die heute als orthodox geltende Lehrmeinung, die auf Born zurückgeht und auf die Heisenberg, Bohr und Dirac ein eindrucksvolles und widerspruchsfreies System der Quantenmechanik gegründet haben. Wir wollen sie im Folgenden die probalistische Deutung nennen.

Ihr charakteristischer Zug ist, dass sie, im Gegensatz zur klassischen Physik, eine Determiniertheit des Einzelgeschehens leugnet, weil ihre Grundsätze nur für die Wahrscheinlichkeit, mit der dies oder jenes geschehen wird, nicht aber für das Geschehen selber eine Vorhersage zulassen. Wir können nach ihr, wenn der Anfangszustand eines abgeschlossenen Systems gegeben ist, niemals mit Bestimmtheit die zukünftigen Zustände vorherbestimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Eugen Bauhof

[1] March, Arthur
Die physikalische Erkenntnis und ihre Grenzen.
Braunschweig 1955

Harti 23.01.12 10:42

AW: Heisenbergische Unschärferelation vs. Willensfreiheit
 
Hallo ReinesInteresse,

ich habe mir die Unschärferelation mal rein begrifflich/sprachlich aus dem in unserer Vorstellung kostruierten Gegensatz von Ruhe und Bewegung vorstellbar zu machen versucht.
Beispiel: Auch bei einem Auto, das sich vor meinem Haus auf der Straße befindet, kann ich im Verhältnis zum Bezugssystem Straße nur entweder seinen Ort (bei Annahme von Ruhe im Verhältnis zur Straße) oder seine Geschwindigkeit (Bewegung im Verhältnis zur Straße) genau feststellen. Da Ruhe und Bewegung begrifflich als Gegensätze konstruiert sind, können sie nicht beide gleichzeitig beliebig genau gegeben sein.
Mir ist bekannt, dass man dieser Vorstellung mathematisch mit einer Infinitesimalbetrachtung begegnet und in Form eines Grenzwertes eine Momentangeschwindigkeit konstruiert.
Dies mag im Makrokosmos eine hinreichend geeignete Methode zur Beschreibung der Wirklichkeit sein; im Mikrokosmos funktioniert sie jedoch nicht mehr, wie die Unschärferelation zeigt.

MfG
Harti


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