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-   -   Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=3194)

TomS 08.08.17 10:14

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 84901)
Die Szene in Interstellar wird dadurch immerhin relativ gut beschrieben. Nur bei der Frage von Finne gibt es das Problem der schwierigen Berechnung.

Wenn man mal von der Raketengleichung absieht, dann bereitet L > 0 kein wirkliches mathematisches Problem.

Eine Näherung, die ich implizit vorausgesetzt habe, ist der Start des Raumschiffs vom Planeten selbst; letztlich müsste man den nämlich mit einberechnen.

Ich denke, man kann in guter Näherung annehmen, dass der Planet selbst einen zusätzlichen Energieaufwand wie für den Start von der Erde verursacht, und dass dieser im Falle von Extremsituationen, also wenn der Planet sich nahe am Ereignishorizont des Schwarzen Lochs befindet, vernachlässigbar ist.

D.h. wir betrachten letztlich die Fluchtgeschwindigkeit bzw. die benötigte Energie für das Schwarzschildproblem.

Dafür könnte man sich nun überlegen, ob sich qualitative viel ändert, wenn die Startbedingung des Raumschiffs nicht statisch bei r = const. und phi = const. angenommen wird (also für den künstlichen Fall, dass das Raumschiff mit eigenem Antrieb schwebt), sondern wenn man das Raumschiff antriebslos mit L > 0 auf einen stabilen Schwarzschild-Orbit setzt und von aus starten lässt.

Ich 08.08.17 10:15

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
In der Schwarzschildmetrik gibt es natürlich Kreisbahnen, und ich würde Millers Planet auch auf eine setzen.
Dann gilt laut Wikipedia ω²=rs/2r³, wobei ω=dφ/dt. Die lokale Geschwindigkeit v des Planeten ist dann rω/sqrt(1-rs/r).
Die gesamte Zeitdilatation ist dann sqrt(1-v²)*sqrt(1-rs/r) = sqrt(1-3rs/2r).
Bei einer Zeitdilatation von 7000 liegt das quasi genau auf der Photonsphäre, von wo aus man eine gravitative ZD von sqrt(3)~=1,73 hat. Die zugehörige Rapidität ist w=areacosh(sqrt(3))~=1,14.
In die klassische Raketengleichung kann man also 1,14c als Zielgeschwindigkeit einsetzen und kommt so auf das Verhältnis Nutzlast/Treibstoff. Bei einer Ausstoßgeschwindigkeit von 5 km/s ist das etwa 10^-30000. Also macht man einen Swingby und alles ist gut. :cool:

Bernhard 08.08.17 10:35

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 84903)
In der Schwarzschildmetrik gibt es natürlich Kreisbahnen,

Laut verlinktem WP-Artikel geht das nur auf den zwei speziellen Radien r_inner und r_outer. Dort müsste man mMn bestimmte Dilatationsfaktoren in Abhänigkeit vom jeweiligen Radius haben, die nicht mehr mit denen aus dem Film übereinstimmen müssen. D.h. ich vermute, dass es auf den zwei speziellen Radien eine feste Winkelgeschwindigkeit in Abhängigkeit vom Radius geben müsste. Der Wert für den Dilatationsfaktor würde dann von der Masse von "Gargantua" alleine vorgegeben werden.

Ich 08.08.17 11:46

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 84905)
D.h. ich vermute, dass es auf den zwei speziellen Radien eine feste Winkelgeschwindigkeit in Abhängigkeit vom Radius geben müsste.

Einfach weiterlesen, das steht da alles. Ich hab's auch schon verwurstet.

Bernhard 08.08.17 13:12

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 84903)
Bei einer Ausstoßgeschwindigkeit von 5 km/s ist das etwa 10^-30000.

Das ist ein typischer Wert, wie man ihn aus vergleichbaren Rechnungen her kennt.

Zitat:

Also macht man einen Swingby und alles ist gut. :cool:
Man kann vermuten, dass sich das K. Thorne beim Dreh des Filmes auch gedacht hat ;) .

Ich 08.08.17 13:17

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Ich habe gerade Probleme damit, meine eigene Argumentation nachzuvollziehen. Muss noch mal drüber nachdenken.

Bernhard 08.08.17 22:23

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 84899)
Ich habe gestern gesehen, dass es in der Schwarzschild-Raumzeit keine Geodäten mit r=const. gibt

Ich habe nochmal nachgerechnet und bekomme jetzt kreisförmige Bahnen für beliebige r, falls r > 3/2 r_s. Dieses Ergebnis macht Sinn, weil bei r = 3/2 r_s gerade Licht eine (instabile) kreisförmige Bahn einnimmt. Die Winkelgeschwindigkeit auf einer kreisförmigen Bahn ist für Teilchen mit Ruhemasse ungleich Null für einen entfernten Beobachter dabei gleich der Winkelgeschwindigkeit, die man aus der newtonschen Theorie erhält.

Der Dilatationsfaktor divergiert bei r = 3/2 r_s, so dass bei den beschriebenen Kreisbahnen prinzipiell jeder Dilatationsfaktor von 1 bis "fast unendlich" realisiert werden kann.

Den Satz:
Zitat:

Zitat von Wikipedia
There are two radii at which this balancing can occur, denoted here as r_inner and r_outer

kann ich aktuell nicht nachvollziehen.

Bernhard 09.08.17 00:19

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Ich habe die Ergebnisse für die Kreisbahnen gleich mal mit der Formel für die Energie aus der Wikipedia verknüpft und komme damit auf interessante Ergebnisse:

Das Mutterschiff bei 10 Schwarzschildradien ist gemäß Formel aus der WP mit einem kleinen Energiegewinn zu erreichen. Diesen Energiegewinn will ich mal vernachlässigen. Um Millers Planet bei etwa 1,5 Schwarzschildradien zu erreichen muss eine Menge Energie aufgewendet werden. Geht man von einem idealen Antrieb aus, der Masse zu 100% in Energie verwandeln kann so erhalte ich insgesamt die folgende genäherte Formel:

1 + Masse_Treibstoff / Masse_Raumgleiter = f / 3

mit guter Genauigkeit, falls f > 100.

Dabei ist f der Dilatationsfaktor von Millers Planet. 1 Stunde auf Millers Planet entspricht 61362 Stunden auf der Erde. Es gilt also f = 61362, bzw. f/3 = 20454.

Für jedes kg vom Raumgleiter + Mannschaft braucht das Raumschiff also bei idealer Energienutzung etwas mehr als 20 Tonnen "Treibstoff" um Millers Planet zu erreichen.

Hier "flunkert" der Film also schon ein wenig. Ohne Energiezufuhr von außen oder gänzlich neuartige Reisemöglichkeiten, wäre die Reise zu Millers Planet so nicht machbar.

Ich 09.08.17 08:18

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 84911)
Den Satz:
Zitat:

Zitat von Wikipedia
There are two radii at which this balancing can occur, denoted here as r_inner and r_outer

kann ich aktuell nicht nachvollziehen.

Bei gegebenem L hast du im effektiven Potential ein lokales Minimum und, weiter innen, ein lokales Maximum. An beiden ist eine Kreisbahn prinzipiell möglich. Stabil ist sie aber nur im Minimum.

Ich 09.08.17 09:02

AW: Gravitative Zeitdilatation und Entkommen des Gravitationsfeldes bei Interstellar
 
Zitat:

Zitat von Ich (Beitrag 84908)
Ich habe gerade Probleme damit, meine eigene Argumentation nachzuvollziehen. Muss noch mal drüber nachdenken.

Ich habe meinen Denkfehler gefunden: Ich habe denn innersten stabilen Orbit mit der Photonsphäre assoziiert, was natürlich Unsinn ist. Die Orbits nahe der Photoshäre sind alle instabil und äußerst ungebunden. Da könnte beim besten Willen kein Planet sein.

Wenn da einer wäre, dann müsste man, wie du schon sagst, stark beschleunigen, um dahin zu kommen.
Wenn ich nicht wieder einen Denkfehler mache, auf einen Gammafaktor von 35427. Die restlichen 1.73 kriegt man aus dem Gravitationspotential des SL.
Bei einem noch so kleinen Navigationsfehler stürzt man entweder ins SL oder rast mit fast c davon.
Für das Treibstoffverhältnis komme ich aber auf 70855:1 ~=2f. (Bei 5 km/s Ausstoßgeschwindigkeit auf 10^291000:1).

*Der Gammafaktor ist nicht 7000, wie ich mich fälschlicherweise erinnerte, sondern 61362, wie du sagst.


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