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SCR 29.09.10 07:15

Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft
 
Zur Diskussion:
Zitat:

  1. Nach Feyerabend lässt sich aus der Wissenschaftsgeschichte der Schluss ziehen, dass die Praxis des Erkenntnisgewinns und der Erkenntnisveränderung in oftmals irrationaler und anarchischer Weise bestehende wissenschaftstheoretische Grundsätze verletzt hat und eben darum erfolgreich war.
  2. Feyerabend betont die Bedeutung von Intuition und Kreativität als Voraussetzung des Erkenntnisgewinns und Erkenntnisfortschritts, beide dürften nicht durch eine bestimmte dogmatische Rationalität und wissenschaftstheoretisch-methodologische Regeln und Zwänge, die ihrerseits nicht sakrosankt seien, sondern vielmehr im Erkenntnisprozess einem Wandel unterlägen, nutzlos und in irreführender Weise eingeschränkt werden.
  3. So prägte er den Begriff der Anti-Regel, die eine Regel bezeichnen soll, die der Induktion widerspricht. Der Wissenschaftler soll sich nicht scheuen, methodische Regeln aufzustellen, die zu Hypothesen führen, die anerkannten Theorien und beobachtbaren Tatsachen widersprechen.

siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Feyerabend

Ich lege einmal detailliert vor: 1 und 2 sind richtig, 3 falsch. :D

Knut Hacker 25.10.10 14:44

AW: Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft
 
Von Paul Feyerabend stammt vor allem der Satz: "Die Welt ist eine Projektion des Gehirns, das wiederum Teil der Welt ist".Das entspricht dem philosophischen Skeptizismus und Idealismus,den Erkenntnissen der Kognitionswissenschaften und der erkenntnistheoretischen Quintessenz aus dem Beobachterproblem der Quantenphysik.
Die Mathematiker Davis und Hersh haben daraus (in ihrem "Descartes´Traum", Über die Mathematik von Zeit und Raum) die Schlussfolgerung gezogen, "dass sowohl die Mathematik als auch die Religion als Grundlage eines Glaubens bedürfen." Als Kronzeuge könnte man Gödel benennen.

Bauhof 25.10.10 16:22

AW: Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft
 
Zitat:

Zitat von Knut Hacker (Beitrag 56311)
... "dass sowohl die Mathematik als auch die Religion als Grundlage eines Glaubens bedürfen."

Hallo Knut Hacker,

welcher Glaube soll denn die Grundlage der Mathematik sein? :confused:

Das Axiomen-System der Mathematik ist m.E. kein Glaubenssystem, sondern eine willkürliche Schöpfung des menschlichen Geistes, das von Fall zu Fall erweitert wird, um nach und nach ein adäquates Beschreibungsmittel für die Natur zu gewinnen.

M.f.G. Eugen Bauhof

Knut Hacker 25.10.10 17:52

AW: Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft
 
Zitat:

Zitat von Bauhof (Beitrag 56316)
welcher Glaube soll denn die Grundlage der Mathematik sein? :confused:

Hallo Bauhof, das stammt ja nicht von mir,sondern von den beiden zitierten Mathematikern. Soweit ich sie verstanden habe, argumentieren sie so, dass vor Gödel die Mathematik als eine bewusstseinsunabhängige "Wahrheit" galt. An solche Wahrheiten glauben ja auch die Religionen. Wir können aber ja nicht aus unserem Bewusstsein heraustreten. Daher ist auch die Mathematik ein geistiges Konstrukt. Dieser Meinung bist du ja auch.Wenn jemand glaubt, dass unsere Bewusstseinsinhalte irgendein - wenn auch nur vages und täuschendes - Spiegelbild einer außerhalb des Bewusstseins gedachten Außenwelt ist - von welchem tranzendenten Standpunkt aus will er denn das beurteilen? -, ist das eben bloßer Glaube.

Knut Hacker 25.10.10 18:12

AW: Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft
 
Hallo Bauhof,
ich habe die von mir zitierte Stelle noch einmal im Zusammenhang nachgelesen. Es wird dort auch Gödel zitiert, "dass kein logisches System seine eigene logische Stimmigkeit nachweisen kann. Der Glaube an die Logik ist in anderen Worten nicht weniger subjektiv als der Glaube an ein säkulares oder mystisches Erklärungsprinzip, weil die Logik selbst weder logisch noch objektiv verifiziert werden kann."

Jogi 25.10.10 18:18

AW: Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft
 
Knut, was schlägst du also vor?

Sollen wir alle Wissenschaft bleiben lassen, weil die Welt, wie sie sich uns offenbart, nur eine Projektion unseres Geistes ist?

Und weil selbst die für uns stringenteste Logik nicht zwangsläufig absolut logisch sein muss?


Gruß Jogi

richy 25.10.10 18:26

AW: Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft
 
Hi Knut
So abwegig ist der Gedanke nicht :
Ich schrieb an anderer Stelle :
Zitat:

Zitat von richy
Man muss die Mengenlehre erweitern und wird letztendlich nicht vermeiden koennen, dass der Existenzbegriff ein Axiom darstellt. Dies muss nicht gleich einen Theismus bedeuten, denn Mathematik ist keine Glaubensangelegenheit. Wuerde man Axiome so einstufen, waeren auch alle Folgerungen daraus eine Glaubensfrage.Mathematik eine Religion.

Wobei es mit dem Unvollstaendigkeitssatz noch schlimmer wird. Denn selbst wenn man die Axiome eines formalen Systems ohne relogioese Annahmen akzeptiert, ergeben sich daraus nichtentscheidbare Aussagen. Aussagen die nicht bewertet werden koennen obwohl sie auf den Axiomen basieren.
Das kann man auch so auffassen, dass unsere Logik nicht vollstaendig ist.
Die Frage waere dann, was sie vervollstaendigt.
Gruesse

Knut Hacker 25.10.10 18:27

AW: Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft
 
Zitat:

Zitat von Jogi (Beitrag 56327)
Sollen wir alle Wissenschaft bleiben lassen, weil die Welt, wie sie sich uns offenbart, nur eine Projektion unseres Geistes ist?

Um Gottes willen, Jogi!Wir haben doch keine andere Welt als das, was uns unser Bewusstsein als Welt bewusst macht. Wobei natürlich ein Denkzirkel vorliegt, da dann, wenn alles nur Konstrukt des Bewusstseins ist, dies auch für das Bewusstsein selbst gelten müsste.
Wittgenstein sagte: "Die Mathematik ist als solche immer Maß und nicht Gemessenes." Dabei ist es völlig wurscht,ob das Gemessene Erscheinungen unseres Bewusstseins sind, oder außerhalb liegen oder auch ein "Außerhalb" lediglich ein Bewusstseinskonstrukt ist.

Knut Hacker 25.10.10 18:38

AW: Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft
 
Zitat:

Zitat von richy (Beitrag 56328)
Das kann man auch so auffassen, dass unsere Logik nicht vollstaendig ist.
Die Frage waere dann, was sie vervollstaendigt.

Auch die Quantenphysik kommt ja mit der aristotelischen, lediglich zweiwertigen Logik nicht weiter. Daher arbeitet sie - jedenfalls in der Kopenhagener Deutung - mit der mehrwertigen, komplementären Logik.In der Astrophysik - string-Theorie- geht man ja auch über die Primärdimensionen Sein-Nichtsein hinaus und postuliert unendlich viele solcher Primärdimensionen (die alten Griechen lassen grüßen). Gegenwärtig geht man - laut Hawking- von mindestens 12 solcher Dimensionen aus.

richy 25.10.10 18:47

AW: Erkenntnisgewinn in der Wissenschaft
 
Zitat:

Auch die Quantenphysik kommt ja mit der aristotelischen, lediglich zweiwertigen Logik nicht weiter.
Wenn man das mal mit einer Fuzzy Logik vergleicht, ist dies immer noch eine quantitative Logik. Den Goedelschen Unvollstaendigkeitssatz wird man dagegen nur mit einer qualitativen Logik beschreiben koennen. Und die gibt es bisher nicht. Wahrscheinlich waere selbst B.Heims aspektbezogene Logik dazu nicht in der Lage. Ich kann es mir jedenfalls nicht vorstellen. Dann muesste man sich eben damit begnuegen, dass eine dafuer notwendige qualitative Logik selbst nicht quantitativ beschreibbar ist.
Und damit wuerde man nach vielen "Erkenntnisgewinnen" gerade beim Status Quo landen :-)


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