Quanten.de Diskussionsforum

Quanten.de Diskussionsforum (http://www.quanten.de/forum/index.php5)
-   Quantenmechanik, Relativitätstheorie und der ganze Rest. (http://www.quanten.de/forum/forumdisplay.php5?f=3)
-   -   Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein? (http://www.quanten.de/forum/showthread.php5?t=3994)

Mirko Buschhorn 16.09.21 14:10

Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein?
 
Leider findet man bei Internet-Suchen aber auch in populärwissenschaftlicher Literatur lediglich Angaben über die Oberflächentemperaturen von Weißen Zwergen. Ich vermute eigentlich, dass solche astronomischen Objekte weiter innen noch heißer sein müssten. Doch wie soll das gehen? Temperatur bedeutet ja durchschnittliche kinetische Energie von Teilchen. Doch die Materie ist vollkommen entartet. Wie sollen sich da Elektronen und Kohlenstoff- und Sauerstoff-Atomkerne bewegen? Alle Plätze sind belegt und Pauli lässt am selben Ort keine weiteren Teilchen mit gleichen Quanteneigenschaften zu. Muss deswegen ein Weißer Zwerg weiter innen kühler werden, weil es immer weniger Platz zum Bewegen gibt? Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein?

Bernhard 16.09.21 22:31

AW: Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein?
 
Hier: https://www.astro.umd.edu/~jph/A320_White_Dwarfs.pdf findet man auf Seite 7 die Angabe 1e6 bis 1e7 K, was in etwa auch der Temperatur im Inneren unserer Sonne entspricht.

Das lässt mich vermuten, dass man die Entstehungsgeschichte des Weißen Zwerges berücksichtigen muss. Die Temperatur im Inneren bleibt scheinbar beim Übergang vom Stern zum Weißen Zwerg in etwa gleich.

Hawkwind 17.09.21 22:37

AW: Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein?
 
Zitat:

Zitat von Mirko Buschhorn (Beitrag 96288)
Leider findet man bei Internet-Suchen aber auch in populärwissenschaftlicher Literatur lediglich Angaben über die Oberflächentemperaturen von Weißen Zwergen. Ich vermute eigentlich, dass solche astronomischen Objekte weiter innen noch heißer sein müssten. Doch wie soll das gehen? Temperatur bedeutet ja durchschnittliche kinetische Energie von Teilchen. Doch die Materie ist vollkommen entartet. Wie sollen sich da Elektronen und Kohlenstoff- und Sauerstoff-Atomkerne bewegen?
...

Das stimmt so nicht ganz: beim Weißen Zwerg ist nicht die Kernmaterie (Neutronen, Protonen) in einem entarteten Zustand sondern lediglich die Elektronen. Für den Neutronenstern würde deine Bemerkung dann passen.

Siehe z.B.
https://de.wikipedia.org/wiki/Entartete_Materie
"In Weißen Zwergen sind die Elektronen entartet, in Neutronensternen die Neutronen."

oder genauer über die Temperaturverteilung in Weißen Zwergen siehe
On The Theory Of White Dwarf Stars

Mirko Buschhorn 18.09.21 13:52

AW: Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein?
 
Zitat:

Zitat von Bernhard (Beitrag 96304)
Hier: https://www.astro.umd.edu/~jph/A320_White_Dwarfs.pdf findet man auf Seite 7 die Angabe 1e6 bis 1e7 K, was in etwa auch der Temperatur im Inneren unserer Sonne entspricht.

Das lässt mich vermuten, dass man die Entstehungsgeschichte des Weißen Zwerges berücksichtigen muss. Die Temperatur im Inneren bleibt scheinbar beim Übergang vom Stern zum Weißen Zwerg in etwa gleich.

Das finde ich erstaunlich, da ja wenig bis kein Platz für die Bewegung der Teilchen vorhanden sind. Wie kann das sein?

Mirko Buschhorn 18.09.21 13:56

AW: Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein?
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 96357)
Das stimmt so nicht ganz: beim Weißen Zwerg ist nicht die Kernmaterie (Neutronen, Protonen) in einem entarteten Zustand sondern lediglich die Elektronen. Für den Neutronenstern würde deine Bemerkung dann passen.

Aber die Kernmaterie kann sich doch an keinem Ort aufhalten, der bereits von zwei Elektronen belegt ist, da auch Neutronen und Protonen einen halbzahligen Spin aufweisen, also Fermionen sind. Das muss die Möglichkeit der thermischen Bewegung begrenzen, oder?

Hawkwind 18.09.21 16:46

AW: Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein?
 
Zitat:

Zitat von Mirko Buschhorn (Beitrag 96374)
Aber die Kernmaterie kann sich doch an keinem Ort aufhalten, der bereits von zwei Elektronen belegt ist, da auch Neutronen und Protonen einen halbzahligen Spin aufweisen, also Fermionen sind. Das muss die Möglichkeit der thermischen Bewegung begrenzen, oder?

Das Pauli-Prinzip gilt pro Teilchensorte separat (falls diese Fermionen sind). Elektronen und Neutronen können also völlig unabhängig voneinander Zustände besetzen.
Die Fermi-Dirac-Statistik gilt für voneinander ununterscheidbare (identische) Teilchen mit Spin 1/2; natürlich können wir ein Neutron von einem Elektron unterscheiden (wenn auch beide Spin 1/2 haben).

Bernhard 19.09.21 08:09

AW: Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein?
 
Zitat:

Zitat von Mirko Buschhorn (Beitrag 96374)
Aber die Kernmaterie kann sich doch an keinem Ort aufhalten, der bereits von zwei Elektronen belegt ist, da auch Neutronen und Protonen einen halbzahligen Spin aufweisen, also Fermionen sind. Das muss die Möglichkeit der thermischen Bewegung begrenzen, oder?

Es gibt doch diese anschauliche Beschreibung, dass in normalen Atomen so viel Platz zwischen dem Kern und den Elektronen ist. Das könnte bei Weißen Zwergen auch noch gelten.

Das könnte man eventuell als weitere Erklärung dafür verwenden, dass die Kerne im Elektronensee des Weißen Zwergs doch noch ziemlich viele thermische Zustände besetzen können?

Kerne haben zusätzlich auch "innere" Vibrationszustände, die auch Energie aufnehmen können.

Hawkwind 19.09.21 09:02

https://www.astro.umd.edu/~jph/A320_White_Dwarfs.pdf

Ein Abschnitt (§1.3 aus obigem Link) auszugsweise frei übersetzt:
"Weiße Zwergen verdanken ihren Namen den hohen Oberflächentemperaturen (z.B. 16 000 K für Eridani B, dem zuerst entdeckten Weißen Zwerg) und deshalb erscheinen sie in Weiß. Aber ihre Oberflächentemperaturen sind weit niedriger als die Temperaturen im Inneren, die bis zu zig-Millionen K betragen können.
Wenn wir über Temperaturen im Inneren reden, dann geht es um Ionen (Kerne von He, C, O etc.); diese sind nicht entartet, sondern haben eine Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung. Die entarteten Elektronen haben weit höhere kinetische Energien als die Ionen, aber sie können diese nicht abgeben, weil das Pauli-Prinzip sie daran hindert, niedrigere (bereits gefüllte) Energieniveaus anzunehmen.
...
Das heisse Innere wird durch eine dünne Schicht nicht-entarteten Gases nahe der Oberfläche isoliert. Diese nicht-entartete Schicht macht weniger als 1% des Radius des Weißen Zwergs aus, aber in dieser Schicht fällt die Temperatur von 10^7 K auf 10^4 K. Abstrahlung von der Oberfläche führt langsam thermische Energie aus dem Inneren ab, aber das zieht sich über Milliarden von Jahren."

Habe gar nicht gewusst, wie interessant Weiße Zwerge sind. :)

TomS 19.09.21 09:31

AW: Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein?
 
Zitat:

Zitat von Hawkwind (Beitrag 96400)
Wenn wir über Temperaturen im Inneren reden, dann geht es um Ionen (Kerne von He, C, O etc.); diese sind nicht entartet, sondern haben eine Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung. Die entarteten Elektronen haben weit höhere kinetische Energien als die Ionen, aber sie können diese nicht abgeben, weil das Pauli-Prinzip sie daran hindert, niedrigere (bereits gefüllte) Energieniveaus anzunehmen.

Haben die Elektronen eine andere Temperatur als die Kerne? Dann wären beide nicht im thermischen Gleichgewicht.

Hawkwind 19.09.21 10:41

AW: Wie heiß kann ein Weißer Zwerg in seinem Zentrum sein?
 
Zitat:

Zitat von TomS (Beitrag 96402)
Haben die Elektronen eine andere Temperatur als die Kerne? Dann wären beide nicht im thermischen Gleichgewicht.

Wenn ich recht sehe, wird die Temperatur der entarteten Elektronen in den meisten Rechnungen vernachlässigt, muss also nahe Null sein.


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 15:31 Uhr.

Powered by vBulletin® Version 3.8.8 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
ScienceUp - Dr. Günter Sturm