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zeitgenosse 05.06.07 23:57

eine Differentialgleichung...
 
In Physik und Technik bestimmen Differentialgleichungen den Ausgang eines Geschehens. Newton - Schöpfer der Fluxionsrechnung - wusste darum Bescheid.

Vermutlich haben die meisten unter uns schon einmal eine Differentialgleichung (DGL) gelöst ohne es überhaupt bewusst wahrzunehmen. Bspw. ist f'(x) = e^x eine DGL, wenn auch von extrem einfacher Form. Die Stammfunktion ist übrigens auch e^x, weil die Umkehrung der Ableitung einer Exponentialfunktion gleich ihrer Ableitung sein muss.

Mit anderen Worten: exponentielle Funktionen sind mittels einer DGL lösbar.

Dazu eine elementare Wachstumsfunktion. Gegeben sei eine Population, die sich ungestört vermehren kann. Wie sieht dieses Wachstum überhaupt aus?

Zur Zeit t hat die Population die Grösse P(t). Es ist nicht unvernünftig, anzunehmen, dass bei einer kleinen Zeitspanne ∆t die Vermehrung näherungsweise proportional zum Anfangsbestand P(t) und zur Zeitspanne ∆t sein wird. Somit wird die Population nach Ablauf der Zeitspanne ∆t eine Zuwachs um ∆P vorweisen können:

∆P ≈ α P(t) ∆t ; α ist eine positive Konstante

In Worten ausgedrückt wird sich die Population sowohl bei einer Verdoppelung ihres Bestandes P(t) als auch bei einer Verdoppelung der Zeitspanne ∆t jeweils verdoppeln. Die obige Beziehung beschreibt aber nur bei kleinem ∆t die Vermehrung einigermassen zutreffend; denn bei grossem ∆t wird sie unrealistisch, weil die neu hinzukommenden Mitglieder stetig zum Wachstum der Population beitragen.

Weil aber die Forderung nach einer kleinen Zeitspanne ∆t nicht unproblematisch ist, wird man die Relation umschreiben in der Art:

∆P/∆t ≈ α P(t)

Indem man nun ∆t --> 0 streben lässt (womit wir bereits bei der Differentialrechnung in Leibniz'scher Notation angekommen sind), gelangt man zur "ingenieurmässigen" Darstellung:

dP/dt = α P

in der berechtigten Hoffnung, nun das exakte Wachstumsgesetz der Population gefunden zu haben.

Dieses Wachstumsgesetz nun ist bereits eine DGL, weil sowohl die gesuchte Funktion als auch deren Ableitung darin vorkommen. Die DGL beschreibt somit das Aenderungsverhalten der Population im Kleinen, indem die zur Zeit t vorliegende Wachstumsgeschwindigkeit dP/dt der Population mit der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Populationsgrösse P(t) verknüpft wird.

Nun aber beginnt erst die eigentliche Aufgabe des Naturwissenschaftlers, indem diese DGL auch gelöst werden muss. Es gilt somit, alle diejenigen Funktionen zu finden, die dieser DGL genügen. Nach reiflicher Überlegung (man konsultiere ggf. den Bronstein) gelangt man schliesslich zur allgemeinen Lösung:

P(t) = C * e^αt ; mit einer beliebigen reellen Konstanten C

Besitzt die Population zum Zeitpunkt t_o = 0 die Grösse P_o folgt daraus:

P(t) = P_o * e^αt

Die Anfangsgrösse P_o und das lokale Wachstumsgesetz legen somit eindeutig die Grösse in jedem Zeitpunkt t ≥ 0 fest. Damit haben wir das Wachstumsgesetz im Grossen gefunden. Aus naheliegenden Gründen nennt man es ein "exponentielles Wachstumsgesetz".

Gr. zg

Uli 06.06.07 00:12

AW: eine Differentialgleichung...
 
Zitat:

Zitat von zeitgenosse (Beitrag 1340)

dP/dt = α P

...
Nun aber beginnt erst die eigentliche Aufgabe des Naturwissenschaftlers, indem diese DGL auch gelöst werden muss. Es gilt somit, alle diejenigen Funktionen zu finden, die dieser DGL genügen. Nach reiflicher Überlegung (man konsultiere ggf. den Bronstein) gelangt man schliesslich zur allgemeinen

Das geht hier noch ganz elementar mit dem Standard-Verfahren "Separation der Variablen", d.h. alle P's auf die eine Seite und die t's auf die andere bringen. Wo das geht, hat man gute Chancen, eine Lösung zu finden. Ist hier trivial:

dP/P = a dt

und nun kann man direkt integrieren (Stammfunktion von 1/P ist ja der natürliche Logarithmus)

ln P - ln Po = a (t - to)

Nach Exponentiation

P/Po = exp [a (t - to)]

P = Po exp [a (t - to)]

Dabei steht ln für den natürlichen Logarithmus und Po für P zur Zeit to - die sog. Anfangsbedingung.

Zitat:

Zitat von zeitgenosse
Lösung:

P(t) = C * e^αt ; mit einer beliebigen reellen Konstanten C

Besitzt die Population zum Zeitpunkt t_o = 0 die Grösse P_o folgt daraus:

P(t) = P_o * e^αt

Die Anfangsgrösse P_o und das lokale Wachstumsgesetz legen somit eindeutig die Grösse in jedem Zeitpunkt t ≥ 0 fest. Damit haben wir das Wachstumsgesetz im Grossen gefunden. Aus naheliegenden Gründen nennt man es ein "exponentielles Wachstumsgesetz".

Gr. zg


zeitgenosse 06.06.07 00:30

AW: eine Differentialgleichung...
 
Zitat:

Zitat von Uli (Beitrag 1342)
Das geht hier noch ganz elementar mit dem Standard-Verfahren "Separation der Variablen", d.h. alle P's auf die eine Seite und die t's auf die andere bringen. Wo das geht, hat man gute Chancen, eine Lösung zu finden. Ist hier trivial

Genau. Aber wie sieht es z.B. bei der folgende DGL aus:

y' = tan(xy) ?

Gr. zg

zeitgenosse 06.06.07 01:13

AW: eine Differentialgleichung...
 
In diesem Thread sollen nur gewöhnliche Differentialgleichungen (ordinary differential equation's) angesprochen werden, also solche die sich mit einer einzigen Ableitung einer Funktion begnügen.

Allg. lässt sich zu den DGL-ungen sagen:

1) Jede Gleichung, die eine oder mehrere Ableitungen der gesuchten Funktion enthält, heißt eine Differentialgleichung.

2) Jede Funktion, welche die Differentialgleichung erfüllt, ist eine Lösung oder ein Integral der Differentialgleichung.

3) Tritt in einer Differentialgleichung die n-te Ableitung der gesuchten Funktion als höchste Ableitung auf, so nennt man die Differentialgleichung von n-ter Ordnung.

4) Die allgemeine Lösung einer Differentialgleichung n-ter Ordnung enthält genau n unbestimmte Integrationskonstanten.

Nicht alle Typen von gewöhnlichen DGL lassen sich analytisch exakt lösen. Etwas komplizierter wird es bei den partiellen DGL (partial differential equation), solchen also, in denen partielle Ableitungen vorkommen. Bspw. sind viele physikalische Vorgänge u(x, t) sowohl vom Ort als auch von der Zeit abhängig:

Die partielle Ableitung ∂u(x, t)/∂t gibt an, wie stark sich die Funktion in der Zeit ändert. Entsprechendes gilt für die Aenderung der Funktionswerte in der Ortsvariablen ∂u(x, t)/∂x.

Eine mögliche Lösung wäre z.B.:

u(x, t) = f(x + t) mit einer beliebigen Funktion f

Nur für wenige PDGL existieren exakte Lösungen. Ansonsten wird man eine numerische Lösung anstreben müssen.

p.s.
Ein früher beliebtes Lehrmittel für den Einsteiger war der "Kampke" (aber ich weiss nicht, ob es den im Buchhandel noch gibt).

Gr. zg

Uli 06.06.07 02:22

AW: eine Differentialgleichung...
 
Zitat:

Zitat von zeitgenosse (Beitrag 1345)
Genau. Aber wie sieht es z.B. bei der folgende DGL aus:

y' = tan(xy) ?

Gr. zg

Schon unangenehmer. Ich würde eine Substitution versuchen
z(x) = x y(x)
dann y' mittels Quotientenregel durch z' und x ausdrücken.

Aber wie's dann weitergeht, sehe ich zu dieser späten Stunde zumindest nicht mehr.
Weisst du, wie's geht ?

Gruss, Uli

zeitgenosse 06.06.07 02:43

AW: eine Differentialgleichung...
 
Zitat:

Zitat von Uli (Beitrag 1349)
Weisst du, wie's geht ?

In etwa. Ich bin zu folgender Lösung vorgestossen:

int [0 bis y] e^(t^2/2) cos(xt)dt = C * e^(x^2/2)

p.s. Ich kann's wenden wie ich will. Immer kommen bei mir Exponentialfunktionen vor. ;)

Jetzt aber muss ich auch in die Federn!

Gr. zg

richy 06.06.07 03:29

AW: eine Differentialgleichung...
 
Zitat:

p.s. Ich kann's wenden wie ich will. Immer kommen bei mir Exponentialfunktionen vor.
Deswegen verwendet man ja auch oft den komplexen Exponentialansatz.
Wenn du eine linaeare DGL mit konstanten Koeffizienten betrachtest.
Die kannst du schematisch immer mittels La Placetransformation loesen.
Gegebenenfalls ist eine Partialbruchzerlegung zur Ruecktransformation notwendig. In den meisten Faellen ergibt sich daraus eine Funktionen komplexer Exponentialfunktionen der Partialbruchterme.
(Koennte man im Bronstein nachschlagen)
Bei PDE's hilft oft ein Produktansatz weiter. Im Bronstein gibt es auch
eine Methode ueber die Einhuellende.

y' = tan(xy) ?

@uli
Dein Vorschlag scheint mir vielversprechend. Aber ob es ueberhaupt eine geschlossene Loesung gibt ?
Wird auf jeden Fall kompliziert.
Hmm ... Stichwort exkte DGL koennte weiterhelfen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Exakte_...ntialgleichung
integrierender Faktor faellt mir noch ein. Das funktioniert aber nicht immer.

Zwar spaet, aber ich probiers mal:
dy/dx=tan(xy)
dy=tan(xy)*dx
dy-tan(xy)*dx=0
dy-sin(xy)/cos(xy)*dx=0
cos(xy)*dy-sin(xy)*dx=0

P(x,y)=-sin(xy), dP/dy=-x*cos(xy)
Q(x,y)=cos(xy), dQ/dx=-y*sin(xy)

hmm so wird das nicht exakt:
Ganz anderer Ansatz:
Fuer y'(x)=F(y/x) gibt es eine Substitution. z=y/x, y'=z+x*z'
Fuehrt diese zum auch bei F(y*x) zum Ziel ? Ulis Ansatz ?

richy 06.06.07 04:13

AW: eine Differentialgleichung...
 
doppelt .......

rene 06.06.07 07:44

AW: eine Differentialgleichung...
 
Ich habe bei y'=tan(x*y) keine geschlossene Form gefunden Diese DGL lässt sich implizit ausdrücken in komplexer Form:

C * (erf(1/2*sqrt(2)*(x Iy)))^2 = 0

mit dem Gauss'schen Fehlerintegral
erf(x) = 2/sqrt(Pi) * int(exp(-t^2), t=0..x)

Grüsse, rene

richy 06.06.07 13:09

AW: eine Differentialgleichung...
 
Hi
Wie weit kommt man mit Ulis Ansatz ?

dy/dx=tan(xy)
z=x*y(x)
dz/dx=1*y+x*dy/dx => dy/dx=(dz/dx-y)/x

y muss ich ersetzen durch z/x damit ich ein f(x) erhalte
dy/dx=(dz/dx-z/x)/x

einsetzen :
(dz/dx-z/x)/x=tan(z)
(dz/dx-z/x)=x*tan(z)
dz/dx=z'=x*tan(z)+z/x

Das waere eine Form
z'=x*f(z)+z*g(x)
Da komme ich aber nicht weiter :-(


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