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Alt 12.12.08, 06:52
kawa kawa ist offline
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Registriert seit: 06.12.2008
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Standard AW: Die QM könnte durchaus lokal realistisch sein

Zitat:
Zitat von Gandalf Beitrag anzeigen
"Statistikglaube" ist der Anfang vom Ende einer jeden naturwissenschafltichen Betrachtungsweise (man beachte die Korrelation der Anzahl der Piraten mit der Klimaerwärmung http://www.venganza.info/ )
Da bringst du einiges durcheinander. Statistik ist erst einmal nichts anderes als eine Methode, allgemeine ('emergente') Eigenschaften komplexe Systeme zu betrachten, ohne das man sich in Details verzettelt. Ich empfehle für den Einstieg ein Buch über statistische Physik (man nennt das oft auch 'Thermodynamik').

Wenn du z.B. etwas siehst, ist das pure Statistik, weil dein Auge über eine riesige Anzahl von Photonenemissionen/absorptionen mittelt und du damit immer nur statistische Durchschnittswerte siehst. Würdest du jedes einzelne Photon sehen, wäre das einfach ein Haufen chaotischer Punkt-Ereignisse - aber eben kein Bild! Das Bild entsteht erst aus der Statistik.

Nehmen wir nun einmal die Chemie: Zwei Substanzen sollen eine chemische Reaktion ausführen. Wie funktioniert das? Damit die Reaktion stattfindet, müssen die Moleküle der Substanz im richtigen Winkel mit der richtigen Geschwindigkeit zusammentreffen. Nun befinden sich diese Moleküle aber in einem Lösungsmittel (z.B. Wasser) im Verhältnis 1:10. Die Ausrichtung völlig zufällig verteilt, die Geschwindigkeiten z.B. nach eine Gaußverteilung. Wieso beobachtet man nun, das die chemische Reaktion mit einer gewissen Geschwindigkeit abläuft (welche vom Konzentrationsunterschied zwischen Reaktionprodukt und Reaktionsausgangssubstanzen sowie der mittleren Geschwindigkeit, der 'Temperatur', abhängt)? Ganz einfach weil zufällig immer mal wieder passende Moleküle passend zusammenstoßen. Betrachtet man nun die Statistik dieser Zusammenstöße, erhält man rein statistische Gesetzmäßigkeiten n(das Massenwirkungsgesetz). Aufgrund der riesigen Zahl von Ereignissen (man hat ja in der Größenordnung von 10^24 Teilchen) sieht man von den Einzelereignissen nichts mehr. Um das Gesamtergebnis betrachten zu können gibt es keinen anderen Weg als den der Statistik.

Zitat:
Zitat von Gandalf Beitrag anzeigen
(Ich musste mich hier wirklich sehr zurückhalten, das ich nicht deutlicher werde, zumal ja diese unwissenschafltiche Haltung im modernen Medizinbetrieb (ist ja mit Biologie nicht ganz unverbunden) fröhliche Urstände feiert und neben unzähligen Milliarden Euro auch sehr viel Menschenleben fordert)
Wie gesagt, da verwechselst du die evlt. fehlerhafte Anwendung von Statistik mit dem mathematischen Modell der Statistik an sich. Letzteres ist pure Mathematik und bei korrekter Anwendung so sicher und exakt wie 1+1=2. Aber genauso wie ich die Algebra falsch anwenden dann, und z.B. nicht sagen kann "2 Äpfel + 3 Birnen = 5 Apfelbirnen", so kann man auch die Statistik falsch anwenden.

Statistik ist ein Mittel, Systeme zu beschreiben. On das System, welches man 'mathematisch hineinsteckt' mit der Realität korrelliert ist, ist bei jeder physikalischen Betrachtung zu untersuchen. Das ist der fundamentale Unterschied zwischen Mathematik und Physik. Und das betrifft nicht nur Statistik, es betrifft die komplette mathematische Modellbildung in der Physik.

Noch kurz zur Medizin: Was da gemacht wird, ist folgendes: Man hat ein allgemeines Modell 'Medikament wirkt'. Aus diesem Modell berechnet man die zu erwartende Statistik. Dann macht man eine möglichst große Zahl von Versuchen ('Studie') und prüft, ob das Ergebnis der Studie mit dem Modell übereinstimmt. Wenn ja, dann betrachtet man das als 'Beleg' für die Wirksamkeit des Medikaments. Die möglichen Haken bei diesem Verfahren sind folgende:

- Es wird nur alles im Rahmen des Modells betrachtet, Vorgänge außerhalb des Modells werden nicht betrachtet
- Die Zahl und Auswahl der Experimente ist oft zu gering für die gezogenen Schlußfolgerungen (Statistik ist ja erst im Grenzfall unendlich vieler Versuche absolut exakt)
- Es gibt systematische Mängel bei der Versuchsausführung (z.B. bei der Auswahl der Probanden)
- Das Modell entspricht nicht der berechneten Statistik (jemand hat geschuldert, gerade Mediziner sind da berüchtigt)

Bei all dem darf man nicht vergessen, das ja Experiment immer nur statistische Aussagen machen können. Wenn ich 1000 mal eine Apfel fallen lasse und messe, das es eine Sekunde dauert, dann ist das keine Garantie dafür, das es auch beim 1001ten mal so sein wird. Man geht aber davon aus, weil es der allgemeinen Erfahrung entspricht. Das ist dann die Basis der gesamten Naturwissenschaften. Man kann dabei aber eben auch Dinge übersehen. Führe ich das Experiment z.B. auf dem Mond aus, erhalte ich eine andere Zeit. Führe ich es aus, wenn ich in einer Zentrifuge sitze, fällt der Apfel auch ganz anders (Corioliskraft). Usw.

In der Medizin kommt das dann nun schon mal vor. Z.B.: Ein Medikament wirkt im 'Patientenkollektiv' und hat keine Nebenwirkungen. Leider hat man übersehen, das Genvariante X nicht im Kollektiv enthalten war und gerade bei dieser Variante starke Nebenwirkungen auftreten. Kommt das Medikament nun auf den Markt und damit in ein sehr viel größeres Kollektiv (wovon nun auch einige Genvariante X haben) hat man das Dilemma.

Allerdings stellt sich die Frage, wie man sonst vorgehen sollte. Pharmakritiker können zwar immer gut (und teils mich recht) meckern, aber bisher sehe ich da nirgends eine Alternative, solange der menschliche Körper nicht bis ins letzte Detail verstanden ist.

Mit der Statistik ansich hat das aber nichts zu tun, sondern nur mit der Interpretation von Experimenten.

Ge?ndert von kawa (12.12.08 um 07:03 Uhr)
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