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Alt 23.03.10, 20:15
zeitgenosse zeitgenosse ist offline
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Standard AW: Der Einstein-Lobachewski-Geschwindigkeitsraum

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Zitat von SCR Beitrag anzeigen
Der Geschwindigkeitsraum weist eine hyperbolische Geometrie auf und kann nur in Einzelfällen und näherungsweise als euklidisch angenommen werden.
Versuch einer Deutung des physikalischen Raumbegriffs:

In der Physik macht man oft von abstrakten Räumen Gebrauch, die real gar nicht existieren. So gibt es bspw. einen Phasenraum und einen Impulsraum. Diese Räume sind aufs Engste mit der analytischen Mechanik verknüpft. In der QM spielt der Hilbertraum eine wichtige Rolle.

Für die SRT ist der Minkowski-Raum von einzigartiger Bedeutung. Dieser besitzt eine pseudoeuklidische Struktur (Eichkurve ist die Hyperbel).

Man spricht im Kontext auch vom "hyperbolischen Pythagoras": x² - (ct)² = 1

Die raumzeitliche Union des Hermann Minkowski ist flach. Die Christoffel-Symbole verschwinden in dieser Welt. Beobachter befinden sich in kräftefreier Bewegung. Es handelt sich geometrisch bei einem Minkowski-Diagramm um eine Projektion hyperbolischer Strukturen auf die Ebene. Man spricht auch von der Lorentz-Geometrie.

Die Raumzeit (Mannigfaltigkeit) der ART dagegen ist pseudo-riemannsch, d.h. dass dem vierdimensionalen Kontinuum eine positive Krümmung eigen ist. An die Stelle Kartesischer Koordinaten treten Riemannsche Normalkoordinaten. Einsteins Überlegungen liegt die Riemannsche Geometrie und der Tensor-Calculus von Levi-Civita zugrunde. Nicht ohne Grund wird der Riemann-Christoffelsche Krümmungstensor bemüht, aus welchem der für die Einsteinschen Feldgleichungen massgebende Ricci-Tensor durch Verjüngung hervorgeht.

(Frage an SCR: Wie überschiebst du einen Tensor und was verstehst du unter der Kontraktion eines Tensors?)

Es sind dies alles mathematische Konstruktionen der theoretischen Physik, um mehr oder weniger komplizierte Sachverhalte quantitativ zu erfassen.

So überrascht es nicht, dass es auch einen Geschwindigkeitsraum gibt. In der Galilei-Mechanik ist dieser euklidisch, in der relativistischen Mechanik hingegen von einer Lobatschewski-Struktur. Geschwindigkeiten werden dort durch den Tangens hyperbolicus bestimmt.

Der Unterschied (mit c = 1) ist der:

a) Nach Galilei gilt --> u = w + v

In einem Galileischen Geschwindigkeits-Diagramm sind zwei Bewegungslinien durch den Tangens ihres Schnittwinkels bestimmt.

b) Nach Einstein gilt --> u = (w - v)/(1 - wv)

In einem Minkowski-Diagramm erweist sich der Winkel zwischen zwei Weltlinien daher als die gesuchte Relativgeschwindigkeit.

Es wäre nun fatal, wenn einer dieser abstrakten Räume mit dem natürlichen Bewegungsraume verwechselt würde. Der Naturraum (Ortsraum) ist allem Anschein nach euklidisch. Global allenfalls von verschwindender (positiver) Krümmung. Der Sehraum wiederum ist hyperbolisch. Das geht eindeutig aus empirischen Befunden hervor. Auch die Projektive Geometrie spielt dabei eine gewisse Rolle. Es ist nicht immer einfach, diese Unterschiede zu erkennen. Es empfiehlt sich das Büchlein von Weyl, "Raum-Zeit-Materie", sowie eventuell ein Studium Reichenbachs, z.B. "Die philosophische Bedeutung der Relativitätstheorie" (Gesammelte Werke Band 3). Insgesamt geht die vorliegende Thematik weit über die Physik hinaus. Mathematik, Philosophie und Physik geben sich hier die Hand.

Mit den Worten von Prof. Walter Thirring schliesse ich diesen Exkurs:

Hier ist der ganze menschliche Geist, sind Wissenschaft und Religion gefordert.

Gr. zg

Ge?ndert von zeitgenosse (23.03.10 um 21:26 Uhr)
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