Zitat:
Zitat von Bernhard
Danke. Genau so ist es gemeint. Dass man Superpositionen innerhalb der QM zwingend benötigt, soll nicht in Frage gestellt werden. Die Frage ist vielmehr, ob so etwas in der makroskopischen Welt unmittelbar erfahrbar ist, was ich bezweifle.
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Es sind jedoch zwei unterschiedliche Fragestellungen, ob etwas
erfahrbar ist, oder ob es tatsächlich
existiert. Ersteres ist eine
epistemische Frage, letzteres eine
ontologische.
Dass makroskopische Superpositionen - zumindest bisher - nicht erfahrbar sind, ist offensichtlich klar. Ob sie demnach nicht existent sind, ist eine andere - und zunächst auf Basis von Beobachtungen nicht beantwortete - Frage. Ob die erfahrbare mit der tatsächlich real existierenden Welt übereinstimmen muss, oder ob erstere nur eine kleine Untermenge darstellt, ist ebenfalls offen. Everett sagt jedenfalls voraus, dass letzteres der Fall ist, d.h. es existieren grundsätzlich unbeobachtbare Entitäten, und gemäß der Dekohärenz verstehen wir quantitativ, warum dies der Fall ist.
Dass eine physikalische Theorie Phänome korrekt beschreiben
muss, steht außer Frage. Ob eine Theorie auch einen ontologischen Anspruch haben
darf, eine völlig andere. Ich denke, die Physiker stimmen darin überein, dass eine Theorie nicht zwingend einen ontologischen Status haben
muss; sie stimmen jedoch
nicht darin überein, ob sie einen solchen haben
darf.
Bohr - als Instrumentalist - hat einen ontologischen Status der Quantenmechanik abgelehnt und hatte als solcher auch keine Probleme mit dem unzureichenden und in sich unlogischen Axiomensystem der orthodoxen Quantenmechanik, da sich dessen Probleme insbs. dann zeigen, wenn man sie ontologisch auffassen möchte. Bohr war zufrieden mit der korrekten Vorhersage von Messergebnissen.
Es gibt Physiker, die ich eher der „platonischen Philosophie“ zuordnen würde, z.B. Penrose, die dies anders sehen, und für
eine Theorie die tatsächlich existierenden Entitäten strukturell zutreffend beschreibt, die also tatsächlich einen ontologischen Anspruch vertreten. Im Umfeld der Quantenmechanik tut dies insbs. Deutsch; er hat auch sehr starke Argumente, warum die rein instrumentalistische Oosition, es ginge ausschließlich um die Vorhersage von Beobachtungen und nicht um das Verständnis dessen, was real existiert, letztlich großer Käse ist und warum die Physiker, die meinen, diese Position zu vertreten, das lediglich noch nicht zu Ende gedacht haben; sie würden sonst erkennen, dass es Käse ist. Folgt man Deutsch, so gelangt man zu dem Schluss, dass es letztlich nur zwei Lager gibt, nämlich die „Realisten“ bzw. „Platoniker“, sowie die „shut-up-aber-calculate Fraktion“, wobei letztere ihre Position jedoch philosophisch nicht schlüssig vertreten kann.
Im Zuge der Diskussion um Everett ist es demnach zunächst durchaus eine sinnvolle Ausgangsposition, zuzulassen, dass die Theorie einen ontologischen Status haben kann. Man kann dies persönlich ignorieren, jedoch nicht logisch ausschließen. Darüberhinaus ist es jedoch logisch unbefriedigend, der Theorie den ontologischen Status auf Basis sehr eingeschränkter makroskopischer Beobachtungen abzusprechen. Es gibt kein logisch konsistentes Argument, demzufolge ich die
reale Existenz der Zweigstruktur, deren mathematische Struktur ich formal eindeutig und unumstritten aus der Theorie ableiten kann, aufgrund der
Phänomene und Beobachtungen ablehnen kann; es handelt sich um eine persönliche Glaubensfrage ohne logischen Gehalt.
Letztlich kenne ich genau zwei Argumente, warum die ontologischen Konsequenzen der Everettschen Quantenmechanik abgelehnt werden:
1) „eine physikalische Theorie muss phänomenologisch zutreffend sein - und
muss darüber hinaus
nicht weitere, ontologischen Aussagen treffen“
2) „aber das kann doch nicht wahr sein“
Zu (1): der erste Teil der Aussage ist unumstritten, der zweite auch; häufig wird das „
muss nicht“ in ein „darf nicht“ uminterpretiert; das ist jedoch logisch nicht begründbar
Zu (2): das ist natürlich kein sinnvolles Argument; die Exustenz der Zweige abzulehnen, weil ich sie nicht mag, ist Geschmacksache; darauf muss man nicht weiter eingehen.