Einzelnen Beitrag anzeigen
  #83  
Alt 15.04.22, 20:09
Ich Ich ist offline
Moderator
 
Registriert seit: 18.12.2011
Beitr?ge: 2.426
Standard AW: Ist Bewegung relativ?

Ich stelle hier etwas fest, das mir schon oft begenet ist. Man könnte es vielleicht "Horror relativitatis" nennen, eine Angst vor dem Relativen. Etwas weiter gefasst ist es wohl eine Ablehnung alles Abstrakten.

Hier also die kinetische Energie (das hatten wir erst). Interessanterweise wird ihre Existenz nicht geleugnet - eigentlich das Gegenteil: Das Konzept ist ja wirklich alt, und es ist ja wirklich derart grundlegend, hilfreich und einfach, dass es schon im zweiten Jahr Physik an der Schule gelehrt wird. Das Problem damit ist also nicht, dass es in Abrede gestellt wird. Es wird vielmehr kritisiert, dass es kein Ding ist.
Wenn ich diesen Thread nicht falsch lese, dann sollte Energie irgendwie zu finden sein, wenn man die Körper seziert und unter das Mikroskop legt. Es muss ein mehr oder minder stoflliches Ding sein, darf kein abstraktes Konzept sein. Aber es geht noch weiter:

Die Relativität von Bewegung ist ja auch nicht gerade die neueste wissenschaftliche Erkenntnis, sondern bald 400 Jahre alt. Maxwell schien wieder eine absolute Bewegung nötig zu machen, aber das hat sich ja schnell als Irrtum herausgestellt. Mittlerweile weiß man noch einiges mehr, und die heutige Form des Relativitätsprinzips, die lokale Lorentzkovarianz, ist in allen physikalischen Theorien ein Grundpfeiler. Nach Verletzungen der Kovarianz, also eine irgendiwie messbare absolute Bewegung oder Richtung oder Position, wird seit über 100 Jahren gesucht. Es wurde nie auch nur der allerkleinste Hinweis darauf gefunden. Die Genauigkeit dieser Messungen ist mittlerweile beinahe absurd gut, und doch gibt es da nichts.
Wir haben also die Relativität der Bewegung als eine absolut (oun intended) gesicherte Erfahrungstatsache. Da gibt es nichts zu deuteln. Unsere gesamte, offensichtlich extrem erfolgreiche, Wissenschaft basiert darauf, weil wie gesagt alle Theorien explizit relativ formuliert sind.

Und doch - bitte korrigieren, wenn ich das falsch verstehe - will man all diesen Tatsachen zum Trotz unbedingt eine unbeobachtbare absolute Bewegung einführen - damit man auch eine reale, nicht abstrakte kinetische Energie hat. Etwas, das eine Eigenschaft des Körpers und nur des Körpers ist. Ein Ding eben. Selbst dann, wenn dieses Ding nach wie vor komplett unbeobachtbar ist. Unter dem Mikroskop findet man nach wie vor nichts, aber es ist anscheinen sehr beruhigend - ich würde sogar den alten (und für mich infamen) Begriff denknotwendig herausholen, zu wissen, dass es da ist.

Habe ich das einigermaßen richtig wiedergegeben? Es mag sich etwas polemisch lesen, aber das illustriert nur meinen Punkt: Alles funktioniert wunderbar. Relative Bewegung ist eine nie verletzte Tatsache. Die Formulierung der Theorien ist sogar noch eleganter, wenn man diese nicht beobachtbaren und konsequenzlosen Vorstellungen weglässt.

Wie um Himmels Willen kommt man darauf, das jetzt "reparieren" zu wollen, indem man einfach unbeobachtbare Dinge dazu packt? Die Frage ist nicht rhetorisch, ich stelle sie hier noch mal konkreter:
- Denkst du, entlang meiner Darstellung, dass die relative Formulieung irgendwie erkenntnistheoretisch unbefriedigend sei und man deshalb absolute Bezüge einführen sollte, auch wenn die keinerlei messbare Konsequenzen haben?
- Oder denkst du, dass es sehr wohl messbare, aber bisher übersehene, Konsequenzen gibt, die einen solchen Schritt nötig machen?

Bitte berücksichtigen, dass wir hier über Interpretationen anerkannter Physik reden, nicht über eigene Theorien. Argumente müssen also wissenschaftlich sein und nicht gegen bekannte Fakten verstoßen.

EDIT: Ich lese gerade, dass du die weitere Diskussion im anderen Unterforum fortsetzen willst. Daran habe ich wegen jahrelanger Erfahurung relativ wenig Interesse. Mich würde aber schon interessieren, was für Gründe du - im Rahmen bekannter Physik! - hast, derart ablehnend gegenüber abstrakten Konzepten zu sein, auch wenn sie über alle Zweifel wirkungsvoll sind nie mit messbarer Realität in Konflickt stehen. Oder ist dir dieser experimentelle und theoretische Status gar nicht bekannt? Auf meinen Beitrag also bitte hier antworten.

Ge?ndert von Ich (15.04.22 um 20:17 Uhr)
Mit Zitat antworten