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Alt 09.03.10, 05:29
zeitgenosse zeitgenosse ist offline
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Standard AW: Lehrmittel für Physik, Mathematik und Technik

Zitat:
Zitat von EMI Beitrag anzeigen
IEs gab nicht genügend angereichertes Material im Reich damals!
Das würde ich so nicht behaupten. Schliesslich sind in Old Germany zwei Uranmeiler getestet worden. Der eine Versuchsreaktor in Haigerloch bei Tübingen, der andere in Gottow bzw. Stadtilm in Thüringen. Nicht umsonst suchten Mitglieder der ALSOS-Mission nach der deutschen Kapitulation fieberhaft nach spaltbarem Material und den daran beteiligten Wissenschaftlern.

Ende Februar 1945 gelangten bspw. 1,5 Tonnen Uran, ebensoviel Tonnen schweren Wassers und 10 Tonnen Graphit nach Haigerloch, wo ein Versuchsreaktor (Uranbrenner) unter Heisenbergs Leitung aufgebaut wurde.

Diebners Uranwürfelanordnung hatte sich inzwischen definitiv gegenüber Heisenbergs Schichtaufbau durchgesetzt. In den USA befasste sich Fermi mit der neuartigen Urantechnologie. Bereits 1942 gelang ihm mit dem 'First Pile' (CP-1) ein erster Durchbruch, indem die erste - jemals von Menschenhand in Gang gesetzte - kontrollierte Kernspaltung stattfand. Dagegen mutet die unter Heisenberg aufgebaute Versuchsanlage in Haiderloch in gewissen Aspekten geradezu riskant an.

In Wikipedia ist darüber zu lesen:

Zitat:
Es waren weder Kontrollstäbe vorgesehen, noch gab es eine Möglichkeit, das einmal eingefüllte schwere Wasser schnell wieder abzulassen...
Zum Glück für die anwesenden deutschen Wissenschaftler - unter ihnen auch Heisenberg, der ständig irgendwelche Berechnungen durchführte - setzte keine selbsterhaltende nukleare Kettenreaktion ein. Es wäre sonst zweifellos zu einer Katastrophe grösseren Ausmasses gekommen.

Vier Männern - allesamt Physiker - kam ungewollt eine Schicksalsfunktion zu in diesem Poker um die Weltherrschaft - nämlich Diebner, Heisenberg, von Weizsäcker und Gerlach. Aber auch Wirtz, Bagge und Houtermann sind zu nennen.

Insbesondere der Experimentalphysiker Kurt Diebner erweckt den Eindruck einer nur schwer durchschaubaren Persönlichkeit:

http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Diebner

Es besteht die vage Möglichkeit, dass Diebner in den letzten Kriegstagen einen "Brüter" entwickelt hat (wie er einen solchen 1955 auch patentieren liess). Das Kontrollratsgesetz Nr. 25 versagte den deutschen Wissenschaftlern jedoch jegliche Tätigkeit an Forschungsgegenständen, die auch für militärische Zwecke in Frage kamen. So musste sich Diebner nach Kriegsende mit der Produktion eines von ihm entwickelten Dämmerungsschalters über die Runden bringen.

Soviel zu den reichsdeutschen Uranmaschinen.

Rainer Karlsch hat weitere Bücher geschrieben, die du bei Gelegenheit unbedingt in Betracht ziehen solltest, darunter:

Karlsch und Petermann, Für und Wider "Hitlers Bombe" (Waxmann, 2007)

Karlsch und Zeman, Urangeheimnisse (Ch. Links Verlag, 3. Auflage 2007)

Zur Bombe selbst:

Für eine Kernwaffe benötigt man nicht unbedingt besonders grosse Mengen an angereichertem Uran. Prof. Winterberg (Univ. Nevada, Reno), der nach dem Krieg als Gruppenleiter bei Diebner am Forschungsreaktor Geesthacht tätig war und somit Einblick in die diesbezügliche Forschung erhielt, führte aus, dass bei geeigneter Methodik auch mit einer erheblich geringeren als der ansonsten üblichen Menge ein Erfolg beschieden ist.

In der TAZ war am 14.05.2005 diesbezüglich zu lesen:

Zitat:
Es handelte sich anscheinend um hybride "Fission-Fusion-Bomben", auch Booster-Bomben genannt. Hier wird mit Hilfe von Fusionsreaktionen bei Lithiumdeuterid die Spaltung von schweren Elementen wie Uran oder Plutonium enorm beschleunigt. "Im Prinzip können Sie die kritische Masse an Spaltstoff bis auf 100 Gramm herabsetzen", so Winterberg. Und solche Mengen standen 1945 durchaus zur Verfügung.
Vermutlich handelte es sich bei der im thüringischen Ohrdruf getesteten Waffe um eine nukleare Hohlladungsgranate mit hoher Sprengkraft. Augenzeugen berichteten von einer starken Detonation, bergleitet von einem hellen Lichtblitz. Als taktische Booster-Bombe eingesetzt, wäre es noch immer eine äusserst gefährliche Angriffswaffe gewesen. Zum Glück - das sagte ich bereits früher - kam es nicht soweit.

Der Historiker Marc Walker (Department of History, Union College, Schenectady, NY) schrieb darüber:

Zitat:
Diese Waffe war nicht mit den Atombomben zu vergleichen, die im folgenden August über Japan abgeworfen werden sollten. Vielmehr wurde hierbei versucht, Sprengstoff in Form von Hohlladungen einzusetzen, um Kernspaltung in kleinen Proben entscheidend angereicherten Urans hervorzurufen und Kernfusion in einer kleinen Menge Lithiumdeuterid. Es ist nicht eindeutig erwiesen, ob diese Apparatur dergestalt funktionierte, daß sie es schaffte, Kernreaktionen zu produzieren. Zweifellos jedoch entwickelte und testete eine Gruppe deutscher Wissenschaftler nach eigenem Dafürhalten eine Kernwaffe. Diebner und Gerlach hielten diese Waffe und den damit verbundenen Test streng geheim. Keiner der anderen am Uranprojekt beteiligten Wissenschaftler, noch nicht einmal Heisenberg und Weizsäcker, erfuhren etwas davon.
Beachte auch das Buch:

Walker, Nazi Science: Myth, Truth, and the German Atomic Bomb (Perseus)

Dass man diese Angelegenheit auch bei der PTB durchaus ernst einstufte, geht aus einem Kurzbericht von 2005 hervor:

http://www.ptb.de/de/aktuelles/archi..._pi050321.html

Seither hat man leider nicht mehr viel darüber vernommen. Beredtes Schweigen kann auch eine Antwort sein.

Diesen Aspekt wollte ich noch klarstellen, bevor ich mich wieder angenehmeren Dingen widme, als mich hier ungerechtfertigterweise schmähen zu lassen. Zwischendurch komme ich aber nicht umhin, den Dingen auf den Grund zu gehen, weil ich stets wissen will, wie es wirklich war und ist. Das gilt für sämtliche Lebensbereiche, denen ich mich gerade zuwende, darunter auch Physik, Technik und Wissenschaftsgeschichte. Mit einer bestimmten Ideologie hat das nichts zu tun.

Gr. zg
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