Thema: VWI im Alltag
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Alt 17.09.21, 09:34
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TomS TomS ist offline
Singularität
 
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Standard AW: VWI im Alltag

Es gibt bei der MWI weder ein Problem mit der 1) Kausalität, noch mit der 2) Energieerhaltung.


Zu 1)

In einer relativistischen Formulierung der Quantenmechanik ist die Schrödingergleichung inklusive Zeitentwicklungs- und Hamiltonoperator verträglich mit der Poincare-Algebra und damit der Kausaltruktur bzw. den Lichtkegeln der RT; in der Quantenfeldtheorie erkennt man die Mikrokausalität explizit an der Lichtkegelstruktur der Propagatoren.

Das nichts damit zu tun, dass verschiedenen Zweige dynamisch entkoppelt sind; dabei handelt es sich um Einselection = environment-induced superselection. Dieser Mechanismus ist perfekt verträglich mit der Kausalität.

Vergleicht das mit dem einfachen Fall zweier Beobachter, die sich Bälle zuwerfen und dadurch Impuls austauschen. Wenn sie sich nur sehr sehr selten winzig kleine Bälle zuwerfen, so dass sich ihr Bewegungszustand nicht merklich ändert, ist das immer noch verträglich mit der Kausalität.

Übertragen auf die MWI: die kausale Verknüpfung und Wechselwirkung zwischen den Zweigen ist dergestalt, dass die Zweigstruktur dadurch nicht zerstört wird.


Zu 2)

Die Gesamtenergie des Zustandes ψ über alle Zweige erhalten, da

dH / dt = 0

E = 〈ψ|H|ψ〉

und damit

dE / dt = 0

Die je zweig-lokalem Beobachter sichtbare Energie

E(ζ) = 〈ψ|PHP|ψ〉 / 〈ψ|P|ψ〉

mit dem Projektor

P = P(ζ)

auf den Zweig ζ und der geeigneten Normierung erscheint ebenfalls erhalten.


Es ist richtig, dass sich die Energie auf immer mehr Zweige verteilt, aber das ist unproblematisch.

Man erkennt das anhand eines Beispiels. Betrachten wir ein Photon in einem Experiment mit Strahlteiler, bei dem das Photon anschließend mit sich selbst zur Interferenz gebracht und je zweig-lokalem Beobachter in einem von zwei Detektoren gemessen wird; der Detektor messe außerdem die Energie.

Das Photon habe die Energie E = hf.

A) Nach der Verzweigung liegt in jedem Zweig die zweig-lokale Energie E/2 vor; in Summe also E/2 + E/2 = E. Ein Beobachter muss den Erwartungswert für die zu messende Energie berechnen. Ein globaler Beobachter berechnet E, ein zweig-lokaler Beobachter berechnet ebenfalls nach den Regeln der Quantenmechanik

E(ζ) = (E/2) / (1/2) = E

Deswegen übrigens nach Everett relative-state interpretation .

B) Vor der Verzweigung haben wir ein Photon verteilt auf zwei Zweige, d.h. zwei Komponenten eines Gesamtzustandes hinter dem Strahlteiler; niemand redet hier von Zweigen. Es gibt nur den normalen (globalen) Beobachter, der natürlich

E/2 + E/2 = E

berechnet.

Wenn er nun das Experiment dahingehend abändert, dass die Energie direkt hinter dem Strahlteiler und vor der Interferenz des Photons mit sich selbst gemessen wird, dann darf und wird er natürlich nicht E/2 ansetzen! Er weiß ja, dass er nur eine von zwei Komponenten des Gesamtzustandes betrachtet, d.h. er weiß, dass er stattdessen

(E/2) / (1/2) = E

berechnen muss.

(B) ist seit fast 100 Jahren bekannt.

Nach Everett wird für (A) exakt die selbe mathematische Regel verwendet. Es hat sich nichts geändert, außer dass der Beobachter nicht weiß, dass zwei Komponenten vorliegen, sondern dass er glaubt bzw. interpretiert, dass zwei Zweige vorliegen; das ist der Mathematik jedoch egal - alles prima ;-)
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (17.09.21 um 17:21 Uhr)
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