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Alt 04.07.21, 15:07
Jakito Jakito ist offline
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Standard AW: Thermal Interpretation

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Ich sehe ein wesentliches Problem in der Sprache:

Zitat:
Q-Expectations and Q-correlators are physical properties of quantum systems, not predicted averages.
Das erklärt nicht den Charakter der fundamentalen Größen,
Die Q-Expectations sind zunächst mal schlicht die formalen Erwartungswerte der QM selbst, wie sie im Ehrenfest-Theorem vorkommen. Aus der Gesamtheit dieser formalen Erwartungswerte lässt sich die Dichtematrix rekonstruieren, d.h. der Quantenzustand. Somit scheint die Thermal Interpretation eine Everett-artige Interpretation zu sein. Nun merkt man aber bei der Lektüre von Neumaier schnell, das er Kopenhagen und Ensemble-Interpretationen nahesteht. Er versucht Bohm- und Viele-Welten Interpretationen nach Möglichkeit erst gar nicht zu erwähnen. Ausserdem interpretiert die Thermal Interpretation auch die Quantenfeldtheorie, und in diesem Kontext wird es schwieriger, Q-Expectations and Q-correlators zu definieren und zu interpretieren. (s.u.)

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
und es erklärt nicht das Verhältnis der mathematischen Beschreibung zu einem einzelnen Quantensystem. Ich halte das ganze für eine Variante der Ensemble-Interpretation, die mich wenig interessiert, weil sie über das einzelne System nichts aussagt.

Ich finde auch keine klare Aussage zum Kollaps. Ich habe immer den Eindruck, Ensemble-Interpretationen mogeln sich ein bisschen darum herum.
Es gibt, bzw. gab (bereits 2007) eine klare Aussage zum Kollaps, unter "S33. Was wird aus dem Superpositionsprinzip?" schrieb Neumaier:

Zitat:
Man kann nämlich nicht ganze Universen superponieren. Jedenfalls wüsste ich nicht, wie das präpariert werden soll. Es gibt in der Thermischen Interpretation nur _einen_ Zustand, den des gesamten Universums. Alles andere sind Derivate.

Das Superpositionsprinzip gilt nur für Systeme, die so klein sind, dass man sie innerhalb dieses Universums in praktisch beliebiger Anzahl herstellen und manipulieren kann. Makroskopische Systeme gehören definitiv nicht mehr dazu!

Diese Einschränkung bringt Wigners klassisches Argument zu Fall, das die Unvereinbarkeit von uneingeschränkter Unitarität, dem uneingeschränkten Superpositionsprinzip und dem Kollaps des Zustands bei einer Messung beweist.
Das ist harter Tobak. In Bezug auf verschiedene Unmöglichkeitstheoreme muss man dies wohl als das Superdeterminismus Schlupfloch bezeichnen. In späteren Darstellungen scheint Neumaier dies dann ein wenig wegpoliert zu haben. Zumindest war dies mein Eindruck, den ich auch in meinem Review zum Ausdruck gebracht habe. Die Verbindung zum Superdeterminismus ist auch auf PhysicsForums angesprochen worden. Dabei wurde klar, dass Neumaier seine Interpretation nicht als superdeterministisch ansieht.

Einerseits ist Superdeterminismus natürlich super negativ besetzt, so dass es kaum verwundern kann, dass Neumaier diese Assoziation vermeiden will. Andererseits ist es aber tatsächlich so, dass die Situation in Bezug auf die Interpretation der Quantenfeldtheorie noch ein wenig komplizierter ist. Zunächst mal ist gar nicht klar, ob es in diesem Zusammenhang zulässig oder sinnvoll ist, beliebige Q-correlators als Teil des Zustands (bzw. physical properties) zu betrachten. Vor einiger Zeit äusserte ich die Vermutung, dass nur raumartige Korrelationen zulässig sein sollten:
Zitat:
Examples of such questions for the thermal interpretation would be whether spacelike or timelike quantum correlations are observable, not just by fiat but also within the interpretation/QM theory itself by a suitably modeled measurement setup. My guess is that only spacelike quantum correlations are observable in that sense.
Diese Einschränkung war wohl ein wenig zu stark, angemessener wäre wohl die Vermutung, dass der (Anti-)Kommutator der korrelierten Größen quasi verschwinden sollte. Diese Überlegungen zeigen jedoch, dass ein zeitlicher Anfangszustand dem Zustand des Universums im Sinne der Thermal Interpretation nicht angemessen ist. Stattdessen müsste man wohl eher den aktuellen Zustand betrachten, und zwar aktuell sowohl in Bezug auf die Zeit als auch auf den Ort. Dies wäre in unserer Umgebung vermutlich ein überwiegend thermischer Zustand. Damit wäre das Problem superdeterministischer Interpretationen, keine saubere wissenschaftliche Vorhersagekraft zu haben, weitestgehend entschärft. (Aber eben nur weitestgehend, in Bezug auf Kosmologie ist man trotzdem kaum weiter als mit Kopenhagen.) Insofern war es etwas unglücklich, dass ich damals ein (bei Jan-Markus Schwindt gefundenes) kosmologisches Beispiel verwendet habe, um Gedankengänge im Umfeld des Superdeterminismus akzeptabler erscheinen zu lassen.
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