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Alt 17.07.10, 15:17
Knut Hacker Knut Hacker ist offline
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Standard AW: Paradoxien-ihr Wesen als begriffliche Rückkopplungen

1.FORTSETZUNG

III Zu den bekanntesten Paradoxien:

1) Descartes : cogito, ergo sum – Ich denke, daher bin ich.

Das eigene Sein kann nicht durch das Denken bewiesen werden, da dieses das zu beweisende Sein voraussetzt (Zirkelschluss).

Die Frage nach dem eigenen Sein hat mit diesem einen so allgemeinen Gegenstand, dass die Antwortmöglichkeiten auf die Metaebene über den Gegensatz Sein – Nichtsein, dem der Fragesteller verhaftet ist, verlagert werden.Da der Fragesteller aus der Gegensatzebene nicht in die Metaebene ausbrechen kann, sondern in ihr verstrickt bleibt (Gödel), kann er alle Argumente zur Bestätigung oder Widerlegung seines Seins nur aus der Gegensatzebene herholen, der er mit seiner Frage selbst angehört ( als seiend oder nichtseind ).Frage und Antwort beißen sich daher sozusagen in den Schwanz (geschlossener Selbstbezug).
(In der Quantenphysik wird die Gegensatzebene aufgegeben: Sein und Nichtsein schließen sich nicht aus. Die Descart´sche Frage wird zum Scheinproblem).

2) Gleiches gilt für die noch abstraktere , die abstrakteste Frage nach dem Sein und dem Nichts und . Sie hat schon Gorgias ad absurdum geführt: Da es das Sein nur als Gegensatz zum Nichts geben kann, das es aber nicht geben kann, weil es sonst seiend wäre, gibt es weder Sein noch Nichts, sondern ist nichts.
Die fragegegenständlichen Begriffe (Sein, Nichts) sind so abstrakt, dass sie jeweils nur durch ihr ebenso abstraktes Gegenteil hinterfragt werden können, das wiederum nur durch sein Gegenteil hinterfragt werden kann. Der Fragegegenstand soll also durch die Verneinung oder Bejahung seines Gegenteils – und damit letztlich durch sich selbst – verneint oder bestätigt werden.
Der Zirkel verengt sich noch dadurch, dass das Sein (im allgemeinen Sinn) und sein Gegenteil, das schon in der bloßen Verneinung liegt, sich gegenseitig umfassen. Denn das Sein ist alles und muss daher, um wirklich alles zu sein, auch sein Gegenteil, das Nichts (in seiner Selbstwidersprüchlichkeit, doch etwas zu sein, wenn es „ist“), mit beinhalten. Dieses wiederum muss als absolute Negation alles einschließen.Sowohl das allgemeine Sein als auch das absolute Nichts weisen daher mangels Unterscheidbarkeit keine eigene Identität auf und sind somit insoweit – und, da es außerhalb eines Identitätsvergleiches keine andere Unterscheidung gibt, überhaupt – identisch (vergleiche auch Hegel).

Das (allgemeine) Sein ist auch deshalb paradox, da es nicht sein kann, ohne sich selbst vorauszusetzen. Auch das Nichtsein des (konkret) Seienden, also eines bestimmten Seinsgegenstandes, ist selbstwidersprüchlich, da es im (allgemeinen) Sein genauso „real“ und damit „seiend“ ist wie „Daseindes“ ( Die Abwesenheit.das Fehlen eines Stuhles vor den Füßen zum Beispiel ermöglicht das ungehinderte Weitergehen und macht das Daraufsetzen unmöglich, ist also genauso eine Erscheinung des Soseins wie ein Stuhl vor den Füßen, der ein Hindernis für den Weitergehenden und eine Sitzgelegenheit für den Ruhewilligen darstellt ).

Dieser Selbstwiderspruch taucht zum Beispiel auch bei dem Allgemeinbegriffspaar Ganzes – Teil auf: So wie das Alles sein Gegenteil, das Nichts, umfasst, so beinhaltet auch das Ganze sein Gegenteil, das Teil. Und so wie das Nichts Gegensatz zum und zugleich Bestandteil des Alles ist, ist das Teil ebenfalls zugleich Gegenteil vom und Gegenstand des Ganzen.

.Die Verneinung von Gegensätzlichkeiten wegen Widersprüchlichkeit (Das Alles kann nicht sein, da es auch das Nichts umfasst und daher durch dieses gegenstandslos wird. Das Nichts kann nicht „sein“. Das endliche Ganze und jedes endliche Teil müssen, aber können nicht aus unendlich vielen Teilen bestehen, so dass es weder das Ganze noch das Teil gibt) lässt allerdings die Denkmöglichkeit einer Zugehörigkeit oder Unzugehörigkeit zu beiden Gegensatzpolen außer acht (vergleiche auch Pyrrhon aus Elis). Aus dieser Perspektive wird die Frageprämisse, dass es etwas nur geben oder nicht geben kann, dass also alles von Gegensätzen – in letzter Abstraktion von der Ja-Nein-Kontradiktion – beherrscht wird (Aristoteles´ „tertium non datur“), überlagert, der Fragehorizont für eine Antwort in mehrwertiger Logik (Quantenphysik) erweitert: Sein und Nichts schließen sich nicht aus und bedingen sich nicht gegenseitig, sondern ergänzen sich als Erscheinungsformen eines verborgenen Dritten.

Im übrigen ist auch folgende Logik möglich: Das Sein kann es nicht nicht geben, da es sonst das Nichts gäbe, das es aber nicht geben kann, da es sonst etwas Seiendes wäre. Dass das Sein ist, ist dann eine Tautologie, die von der Selbstwidersprüchlichkeit eines seienden Nichtseins nicht infrage gestellt, sondern bestätigt wird.

3) Ist die Menge aller Mengen, die nicht in sich selbst enthalten sind (wie zum Beispiel die Menge aller Teelöffel nicht selbst ein Teelöffel ist), in sich selbst enthalten?
Sie kann es nicht sein, weil sie ja nur alle nicht in sich selbst enthaltenen Mengen umfasst. Zugleich muss sie sich jedoch enthalten, weil sie sonst nicht alle Mengen umfasst, die nicht in sich selbst enthalten sind.
Dieses Russel´sche Mengenparadoxon ist ebenfalls in der Allgemeinheit der Fragestellung begründet, die die Antwort in sich selbst zurückverweist (Zirkel), da für sie außerhalb kein Raum mehr bleibt. Die Menge aller Mengen lässt eine Übermenge, in der sie enthalten ist, nicht zu, ebenso wenig wie ihren eigenen Einschluss.
Von der gleichen Struktur ist das Russel´sche Barbier- Paradoxon: Der Barbier von Sevilla rasiert die und nur die männlichen Einwohner von Sevilla, die sich nicht selbst rasieren. Rasiert er sich selbst oder nicht?

2.FORTSETZUNG filgt

Ge?ndert von Knut Hacker (02.08.10 um 17:29 Uhr)
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