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Alt 24.08.11, 22:28
RoKo RoKo ist offline
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Standard AW: Was genau ist Standard-Quantenmechanik?

Hallo Johann,

zu deiner Nachfrage ein kurzes Skript von Ilja Schmelzer. Die mathematische Herleitung findet sich dort auf Seite 2 bis 3 oben.

Verbal fast Schmelzer das zum Schluß zusammen:
"Ihr mathematischer Apparat [der BM] ist extrem einfach und hängt nicht von den Details der konkreten Quantentheorie ab. Er besteht aus der Schrödingergleichung der jeweiligen Quantentheorie selbst und einer Leitgleichung, die man auf einfache Weise aus der Gleichung für den Wahrscheinlichkeitsfluß der jeweiligen Quantentheorie erhalten kann."

Wie man sich an Hand der Herleitung leicht selbst verdeutlichen kann, sind Die Bohmschen Trajektorien zugleich Isolininien der Wahrscheinlichkeit.

Identifiziert man nun den Ort mit dem Massenschwerpunkt eines Teilchens und betrachtet den Impuls dieses Massenschwerpunktes (analog zur klassischen Mechanik), dann wird deutlich das dieser Impuls nicht erhalten bleibt. Dieser Impuls ist aber nicht identisch mit dem Impulsoperator!

In der ursprünglichen Debatte ging es mir um Unterschiede zwischen klassischer und Quantenmechanik. Dieser besteht aus Sicht der BM eben darin, dass ein klassischer Massepunkt sich entsprechend seines Impulses, einer Eigenschaft, die ihm eindeutig zugeordnet werden kann, und die sich nur durch Impulsaustausch ändern kann, bewegt. (Mathematisch beschrieben durch eine Differentialgleichung 2.Ordnung.) In der QM ist diese Art Impuls eben keine Erhaltungsgröße, weil Geschwindigkeit und Richtung durch die Wellenfunktion vorgegeben werden. (Mathematisch beschrieben durch eine komplexe Differentialgleichung 1.Ordnung.)

Das könnte man auch in der Abb. 4.6 im Script von Volker Meden sehen, wenn man statt der Grautöne ein Punktraster für die Wahrscheinlichkeitsdichte verwenden würde. Da dort das "Zerfliessen" eines freien Teilchens betrachtet wird, ist auch klar, dass da keinerlei Impulsaustausch stattfindet. (Aus Sicht der BM zerfliesst da natürlich nicht das Teilchen, sondern seine möglichen Orte entfernen sich deutlich voneinander.)

Wenn ich darüber hinaus ansprach, dass ein System von N teilchen nur N Orte haben kann, dann zielte das wenige auf die VWI, sondern auf die Wahrscheinlichkeitsinterpretation. Um das besser zu verstehen, denke dir ein radioaktives Atom. Das Zerfallsprodukt kann als Kugelwelle beschrieben werden. Wo es dann registiert wird, erscheint als Zufall. Der Zufall "entsteht" aber aus Sicht der BM nicht bei der Registrierung, sondern beim Austritt aus dem radioaktiven Atom (Austrittswinkel!). [Vom zufälligen Zeitpunkt ganz zu schweigen.]

Abschliessend: Die Betrachtung des Wahrscheinlichkeitsflusses aus Sicht der BM hat eigentlich nur einen "Nutzen": Man "weiß" dann, das es notwendigerweise ein eindeutiges Messergebnis geben muß und auch kein Kollaps der Wellenfunktion stattfindet, weil durch die angenommene Anfangsbedingung ein Zweig der Wellenfunktion ausgezeichnet ist. Standard-Quantenmechaniker können also ruhigen Gewissens weiter machen wie bisher. Auch die Dekohärenz/VWI-Anhänger können weiterdenken wie bisher mit der leichten Einschränkung, dass es eben nur eine reale und viele nicht realisierte Welten gibt.
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mit freundlichem Gruß aus Hannover

Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion
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