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Alt 10.07.07, 03:52
zeitgenosse zeitgenosse ist offline
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Standard AW: Theremin und Co, Akustisches

Servus Nachtschwärmer!

Das Glockengiessen muss wahrlich verstanden sein! Bronze scheint das dominante Legierungsmaterial zu sein. Die Dehnungs- und Biegemoden von Zylinderschalen sind vermutlich sehr ausschlaggebend, der Klöppelanschlag bestimmend. Auch atonale Klänge mit anharmonischen Obertönen, schnell abklingend, sind erkennbar. Die Tonhöhe infolge "psychoakustischer Effekte" stark subjektiv gefärbt. Und wie du bereits gesagt hast: Das Ohr erkennt den fehlenden Grundton und empfindet diesen als Anschlagnote.

Bereits im Altertum wurden Becken (Cymbeln) gefertigt. In der Neuzeit gab's in Konstantinopel einen "Zildjian" (Beckenschmid). Bekannt sind Tam-Tams (80% Kupfer, 20% Zinn). Eingesetzt von Mussorgski in "Eine Nacht auf dem Berge". In ländlichen Gegenden war die "Teufelsgeige" (Deiwelsgeije) beheimatet. Ein Holzbalken mit Becken, Schellenring und Tamburin, oft auch mit Schlagholz. In der Schweiz schwenken wir Kuhglocken und Treicheln.

Die Schallabstrahlung bei geschmiedeten und gewalzten Gußschalen (Becken) erfolgt durch Biegewellen. Weil es sich darunter um Wellen in dünnen Kreisplatten handelt, sind wir bereits wieder bei den Besselfunktionen (es gibt auch sog. hyperbolische) angelangt. Die Schwingungsmoden sind sehr interessant (Chladni-Gesetz). Erzeugt werden Harmonische und es kommt auch zur Bildung Subharmonischer.

Unglaublich die Vielfalt der Nuancen bei Crash-, Splash- und Ridebecken, wenn zusätzlich Löcher, Nieten oder Schellen eingebracht werden (von Zischeleffekten und fliessendem Grundrauschen bis Dschungelklang). Pingt man die Kuppe an, entsteht ein heller glockenartiger Ton, an den Rändern hingegen nimmt das Obertonspektrum zu (physikalisch im Wortsinn "Randbedingungen").

Auch bei diesen Klangkörpern haben wir nebst linearem ein chaotisches Verhalten. Hohe Amplitudenanregung in Nähe der Normalmodenfrequenz führt zur Bifurkation (Verdoppelung und Verdreifachung der Schwingungsperiode usw.). Bei einem Orchesterbecken im Zentrumsbereich bspw. fünffache Periodenerhöhung und unterschwelliger Klang durch 5. Subharmonische der Anregungsfrequenz.

Wiederum die altbekannte Gleichung: Musik = Mathematik.

Schön, wer beides einigermassen beherrscht (geniale Physiker wie Planck, Einstein und Feynman spielten ein Instrument). Selbst betrachte ich mich als leidlichen Durchschnitt. Klarinette spiele ich nur noch zur Entspannung, in Mathe war ich nie der Beste, in Physik einigermassen gut.

p.s.
Auch ganz schön anspruchsvoll sind Kesselpauken und Trommeln (Tom Tom, Conga, Bongo usw.). Hier bestimmt nebst der Form das Paukenfell den Klangcharakter. Du triffst rasch auf Besselfunktionen 1. Art. Löse einmal die Wellengleichung in Polarkoordinaten! Das bringt einen echt ins Schwitzen.

Gr. zg

Ge?ndert von zeitgenosse (10.07.07 um 03:56 Uhr)
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