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Alt 15.07.07, 03:35
zeitgenosse zeitgenosse ist offline
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Standard AW: Theremin und Co, Akustisches

Zitat von richy
Im Forum wird vermutet, dass der Raum den Residualton erzeugt, Stimmt nicht. Habs gerade im Kopfhoerer ausprobiert. Es ist ganz einfach die Schwebung, die man als Ton interpretiert und bei der Quinte einen Subbass erzeugt.

Zum "Residualtonhören" (The missing fundamental):

Die Theoriebildung dazu ist nicht einfach. Unter vielen hat sich Shouten darum verdient gemacht, indem er den Terminus "Residuum" bemühte.
Offensichtlich wird der Residualton im Gehirn oder zumindest im Innenohr erzeugt. Physikalisch, d.h. messtechnisch, ist er ausserhalb nicht nachzuweisen. Möglich wäre die Residualtonbildung bereits in der Cochlea. Gemäss heutiger Erkenntnis werden die Residualtöne an bestimmten Stellen der Obertöne in einem festgelegten Band der Basilarmembran gebildet. Bereits Schouten konnte nachweisen, dass sich die Residualtöne von den durch Nichtlinearität erzeugten Herlmhotz'schen Kombinationstönen unterscheiden und durch Interferenz nicht ausgelöscht werden (was auf einen genuin nervösen Ursprung hinweist). Doch sind längst nicht alle Fragen dazu bereits geklärt. Die Orts- und Zeittheorie verlagert sich zunehmends in Richtung Gehirn.

Die Entwicklungsgeschichte der (Psycho)-Akustik - eng verwoben mit der Musiktheorie - ist sehr komplex und verlaüft über:

- Pythagoras (Monochord)
- Galilei (Tonhöhe)
- Kepler (Weltharmonik)
- Mersenne (Dimension des Tones)
- Euler (Klangfarben, log. Intervallrangordnungen)
- Ohm vs. Seebeck (Ton und Klang; Ohmsches Gesetz der Akustik)
- Chladni (experimentelle Akustik)
- Helmholtz (Klangfarbentheorie; Resonanztheorie; Helmholtzresonator)
- Rayleigh (Theory of Sound)
- Lipps (Mikrorhythmentheorie)
- Schönberg (Klangräume)
- Fletcher (The Physics of Musical Instruments)
- Köhler (Gestalt Psychology)

sowie etliche weitere namhafte Personen, die hier nicht einzeln genannt werden können.

Ein paar Links verdeutlichen diesen Sachverhalt:

http://www.uni-koeln.de/phil-fak/muw...e/133hesse.pdf
http://www.informatik.uni-ulm.de/ni/...TonhoehenI.pdf
http://www.kuhblume.de/Magisterarbeit.pdf

Komplex ist auch der menschliche Gehörapparat. Das Trommelfell ist sozusagen ein Druckwellensensor. Wer ein perforiertes Trommelfell besitzt wie ich, weiss leidlich darum Bescheid. Beim gesunden Organ werden bereits Durchbiegungen von nur 0.01 Micrometer (!) registriert.

Das Mittelohr wirkt als Schallverstärker, um die Dämpfung in der mit Flüssigkeit gefüllten Gehörschnecke zu kompensieren. Wunderbar der Anblick der Gehörknöchelchen. Die Fussplatte des Steigbügels ist perfekt in das ovale Fenster eingepasst. Jeder Feinmechaniker könnte davon noch hinzulernen.

Das Innenohr funktioniert als organischer Frequenzanalysator. Unterschiede von 3 Hz werden bereits wahrgenommen. Der Tonumfang reicht beim gesunden und jungen Gehör von C2 bis e7. Unglaublich raffiniert ist das Zusammenwirken von Basilarmembran und Cortischem Organ (
dem Sinnesepithel der Gehörschnecke). Ein gutes Ohr kann zwischen "hoch" und "tief" ca. 1600 verschiedene Frequenzen und zwischen "laut" und "leise" an die 350 Tonstärkenunterschiede empfinden (dies ergibt einen Dynamikumfang von 135 dB).

Zudem befindet sich im Innenohr auch das Gleichgewichtsorgan für den Drehsinn mit seinen drei Bogengängen. Auch der physikalische Ortsraum ist dreidimensional.

Selbst habe ich wiederum den Eindruck, dass die Klang- und Harmoniewahrnehmung nicht allein physikalischer Art ist, sondern dass dem menschlichen Geiste Empfindungen eigen sind, deren Urbilder sich nicht in einem stofflichen Behälter wie dem Gehirn befinden.

H. Riemann (1916) vermerkt dazu:

...daß das Musikhören nicht nur ein passives Erleiden von Schallwirkungen im Hörorgan, sondern vielmehr eine hochgradig entwickelte Betätigung von logischen Funktionen des menschlichen Geistes ist...

Das Gehirn verstehe ich unter diesem Aspekt als einen vom Ilkor-Niveau abhängigen Receiver. Damit käme ich unweigerlich zur Heim-Dröscher-Theorie eines immateriellen Welthintergrundes zu sprechen, was aber nicht Thema dieses Fadens ist.

Gr. zg

Ge?ndert von zeitgenosse (18.07.07 um 00:26 Uhr)
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