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Alt 20.11.22, 15:00
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TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
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Standard AW: Warum das Interferenzmuster im Doppelspaltversuch

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Zitat von SuperpositionSimon Beitrag anzeigen
Danke Tom für Deinen äußerst konstruktiven Beitrag.
Danke, gerne.

Zitat:
Zitat von SuperpositionSimon Beitrag anzeigen
Dann drehen wir den Spieß um und gehen der Frage nach, wieso er in folgendem Beispiel korrekt ist :
Bei Schrödingers Katze ist das radioaktive Atom, solange es nicht beobachtet wird, in Superposition. Das Atom ist in einem Überlagerungszustand von zerfallen und nicht zerfallen. Ob es zerfallen oder nicht zerfallen ist, wird erst dann festgelegt, wenn das Atom beobachtet wird.

1) Wie kommt man darauf, dass es sich in diesem Fall um eine Superposition handelt?
Zunächst mal rein mathematisch: Aus der Quantenmechanik folgen experimentell bestätigte Vorhersagen, die mit einem Wahrscheinlichkeitsmaß über klassischen Ereignissen oder Eigenschaften nicht reproduziert werden können. Diese Experimente zeigen, dass dieser andere mathematische Formalismus notwendig zur korrekten Beschreibung der Natur ist, und dazu gehören eben Superpositionen.

Einfaches Beispiel, in dem verschiedene Merkwürdigkeiten der Quantenmechanik vereint sind:
Wenn ich sozusagen klassisch ein Paar Schuhe nehme, jeweils einen davon in einen undurchsichtigen Beutel stecke und diese Beutel zwei Physikern gebe, dann
  • wissen beide, dass sie jeweils einen Schuh eines Paares haben,
  • weiß keiner der beiden, welcher Schuh in welchem Beutel steckt,
  • wissen beide, dass in genau einem Sack sicher der rechte und im jeweils anderen sicher der linke Schuh steckt.
Wenn in quantenmechanisch zwei verschränkte Photonen mit entgegengesetzter Polarisation präpariere und jeweils eines davon einem der beiden Physikern “gebe“, dann
  • wissen beide, dass ihr Photonen die entgegengesetzte Polarisation des jeweils anderen hat,
  • weiß keiner der beiden, welches Photon welche Polarisation hat,
  • dürfen beide nicht annehmen, sie wüssten, dass einer das Photon mit dieser, der andere das mit jener Polarisation hat

Man kann zeigen, dass diese letzte Annahme zu experimentell falsifizierten Aussagen führen würde und deswegen sicher falsch sein muss. Und man kann zeigen, dass die Wahrscheinlichkeitsrechnung auf Basis des quantenmechanischen Formalismus zu den korrekten d.h. experimentell bestätigten Vorhersagen führt.

D.h. die Natur sagt uns noch nicht, wie genau sie sich verhält, aber sie sagt uns, dass es bestimmte Annahmen über ihr Verhalten gibt, die sicher falsch sind. Zu diesen seltsamen Mechanismen gehören Superposition und Verschränkung - beides ist in diesem Beispiel enthalten.

Grob gesprochen ist es in der Quantenmechanik möglich, dass einem Quantenobjekt zugleich zwei sich nach klassischem Verständnis gegenseitig ausschließende „Eigenschaften“ zukommen können, und dass wenn „mehrere Eigenschaften auf mehrere Quantenobjekte verteilt werden“, offen bleibt, welche „Eigenschaft“ welchem Objekt zukommt.

Am einfachsten ist es jedoch, zunächst mal überhaupt nichts über ein System vor einer Messung anzunehmen, sondern ausschließlich die Mathematik bzw. deren experimentell überprüfbaren Konsequenzen zu verstehen. Die klassische Physik operiert mit Wahrscheinlichkeit bzgl. klassischer Eigenschaften (rechts, links …) oder Mengen (ist im Wohnzimmer, in der Küche … hat eine Energie zwischen 2 und 3 Joule). Die Quantenmechanik operiert mit Wahrscheinlichkeiten über sogenannten Hilberträumen, wobei eine quantenmechanische Eigenschaft einem „Ort“ oder Zustand in diesem abstrakten Zustandsraum entspricht. Darunter kann man sich noch nichts vorstellen, aber das können wir ja diskutieren.
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (20.11.22 um 16:37 Uhr)
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