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Alt 11.03.12, 13:05
RoKo RoKo ist offline
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Standard Zum Emergenz- und Messproblem

Wer mit der statistischen Interpretation unzufrieden ist, der muss das Emergenz- und das Messproblem lösen. [Audretsch 2008]

Das Emergenz-Problem
Geht man von einem Ur-Quantenplasma, bestehend aus Wasserstoff- und Heliumkernen, Elektronen und elektromagnetischer Strahlung, wie es gemäß dem kosmologischen Standardmodell wohl rund 300.000 Jahre lang bestanden haben muss, dann lassen sich folgende, für die quantenphysikalische Debatte interessierende Feststellungen machen:

1.) Die Dynamik des Gesamtsystems ist zu diesem Zeitpunkt durch eine Tendenz zum Ladungsausgleich und eine adiabatische Ausdehnung geprägt. Die Schrödinger-Dynamik ist demzufolge keineswegs die alleinige Dynamik. Diese Feststellung ist angesichts einer m.E. voreiligen Postulate [Zurek 2007, Axiom (o)] notwendig.

2.) Die adiabatische Ausdehnung verringert die Energiedichte und ermöglicht letztlich die Atombildung. Ob es davor eine allgemeine Verschränkung gab oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Mit der Atombildung faktorisiert die universelle Wellenfunktion. Zugleich ändert sich die Gesamtsituation geradezu „revolutionär“.
- Das Universum wird „durchsichtig“, womit atomare Materie und Strahlung entkoppelt werden, zwei „Gase“ mit unterschiedlicher Ausdehnungsgeschwindigkeit bilden und im weiteren Verlauf zwei unterschiedliche Temperatur-Niveaus ausbilden.
- Für das atomare Gas bestimmt nunmehr die Gravitation – und dies ist ganz klassische Mechanik! – das weitere Geschehen.
- Die Schrödinger-Dynamik wird quasi suspendiert; sie wird zur „Statik“ und spielt nur in der Wechselwirkung mit Licht eine Rolle.
- Darüber hinaus entsteht erst mit dem Atom so etwas wie „Ort“ bzw. Lokalität. Davor waren diese Begriffe unbedeutend bis sinnlos – nun werden sie wichtig!
- Mit den „Orten“ der Atome entsteht der Abstand zueinander und damit ein zusätzlicher Freiheitsgrad für ungerichtete kinetische Energie, die wir als Wärme empfinden.

3.) Die Schrödinger-Dynamik kommt erst wieder ins Spiel, nach dem sich Festkörper gebildet haben – und sie spielt sich nun im Inneren dieser Festkörper ab. Letzteres ist durch die Materialwissenschaft und die Chemie hinreichend geklärt. Entscheidend ist es zu erkennen, das Gase, Flüssigkeiten und Festkörper (stoffliche Materie) zwar aus atomarer bzw. subatomarer Quanten-Materie bestehen, das Ganze aber stets mehr als die Summe seiner Teile ist und sich daher auch anders verhält.

4.) Erst Milliarden Jahre später kommen bewusste Lebewesen auf einem relativ unbedeutenden Planenten auf die Idee, die vermeintlichen „Einzelteile“ von Festkörpern zu untersuchen und wundern sich, dass ihre Vorurteile zu Widersprüchen führen – u.a. zum Messproblem.

Das Messproblem
5.) Höchst salopp gesprochen besteht das Messproblem darin, dass wir die Quanten-Materie und ihren Eigengesetzlichkeiten mit ihrem emergenten Entwicklungsprodukt, der stofflichen Materie, die sich nach anderen Gesetzlichkeiten verhält, konfrontieren.

6.) Die Eigengesetzlichkeit der Quanten-Materie lässt sich leicht unter den Begriffen Superposition und Verschränkung zusammenfassen. Die Eigengesetzlichkeiten der stofflichen Materie sind bekannt. Hierzu gehört das Prinzip der Lokalität, dass, wie oben gezeigt, erst mit dem Atom entstanden sein kann.

7.) Genauer formuliert besteht das Messproblem darin, dass die für Quanten-Materie (unter sich) zutreffende Gesetzlichkeit nur Superposition und Verschränkung kennt und deren Wechselwirkung mit stofflicher Materie bisher nur statistisch oder mit zusätzlichen Annahmen erklärt werden kann.

Meine Schlussfolgerungen:
8.) Die „Kopenhagener Deutung“ ist zwar in bezug auf die Quantenmechanik in sich konsistent, aber nur unter Leugnung der Realität von Quanten-Materie. Sie steht damit im Widerspruch zu anderen Erkenntnissen. Elektrische Leitfähigkeit oder chemische Affinitäten können da nur Mysterien sein.

9.) Die abgeschwächten Varianten der KD, oft auch als Standard oder statistische Interpretation bezeichnet, sind entweder begrifflich nicht konsistent oder leugnen ebenfalls die Realität von Quanten-Materie. Um es deutlich zu machen: Elektronen, Protonen und Neutronen sind unleugbar Elemente der Realität. Die Wellenfunktion beschreibt das Verhalten dieser Elemente der Realität und das Absolutquadrat der Wellenfunktion ist ein Maß für die Intensität bzw. Dichte dieser Elemente der Realität. Ohne den Begriff der Ladungsdichte lassen sich chemische oder auch makrophysikalische Eigenschaften wie die Dipol-Eigenschaft des Wassers nicht sinnvoll erklären. Es kann sich also nicht nur um reine Rechenvorschriften handeln. Es gibt in der Natur deutlich mehr zu beobachten als Messgeräte.

10.) Der Versuch, die Eigengesetzlichkeiten der Quanten-Materie auf stoffliche Materie als Ganzes anzuwenden, ist eine unzulässige Simplifizierung, die auf die Analyse des Messprozesses durch John von Neumann 1932 zurückgeht. („Princeton-Schule“) Das Superpositionsprinzip ist auf Festkörper nicht anwendbar (siehe 3) und es wurde auch noch nie beobachtet.

11.) Die „Priceton-Schule“ muss wegen 3) und 10) zusätzlich einen ungeklärten „Kollaps der Wellenfunktion“ annehmen kommt damit standardmäßig auch nur zu einer statistischen Erklärung.

12.) Die Dekohärenz/VWI-Interpretation, die aus der „Princeton-Schule“ hervorgegangen ist, d.h. die Traditionslinie Everett – Zeh – Zurek u.a., hat die unter 10) angesprochene Simplifizierung mitgeschleppt und landet genau deshalb bei absurden „Viele Welten“.

13) Bleibt die Bohmsche Mechanik, die ohne Absurditäten das Messproblem löst. Ihr ontologisches „Teilchen“-Bild steht allerdings im krassen Widerspruch zur Eigengesetzlichkeit der Quanten-Materie. Hier ist Zeh zuzustimmen, dass es keine Diskretheit gibt.

14.) Es gibt also noch einiges zu erforschen. Interessant wäre z.B. die Fragestellung nach den Gemeinsamkeiten von Quantenmechanik und Elektrodynamik.
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mit freundlichem Gruß aus Hannover

Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion

Ge?ndert von RoKo (11.03.12 um 13:07 Uhr) Grund: Layout
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