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Alt 17.09.20, 09:21
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TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
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Standard AW: Kollaps der Wellenfunktion am Doppelspalt

Fairerweise muss man dazu sagen, dass die genannten Probleme verschwinden, wenn man darauf verzichtet, die Quantenmechanik als Beschreibung der Realität anzusehen und sie stattdessen als reines Rechenwerkzeug begreift.

Zeilinger:

Die Annahme, dass sich diese Wahrscheinlichkeitswellen tatsächlich im Raum ausbreiten, ist also nicht notwendig - denn alles, wozu sie dienen, ist das Berechnen von Wahrscheinlichkeiten. Es ist daher viel einfacher und klarer, die Wellenfunktion ψ nicht als etwas Realistisches zu betrachten, das in Raum und Zeit existiert, sondern lediglich als mathematisches Hilfsmittel, mit Hilfe dessen man Wahrscheinlichkeiten berechnen kann. Zugespitzt formuliert, wenn wir über ein bestimmtes Experiment nachdenken, befindet sich ψ nicht da draußen in der Welt, sondern nur in unserem Kopf […] Der Kollaps der Wellenfunktion ist aber dann nicht etwas, was im wirklichen Raum stattfindet.”

Dieser Instrumentalismus insbs. nach Bohr wurde jahrzehntelang schon geradezu krampfhaft verfochten, ist jedoch recht bald bald den Philosophen sowie inzwischen auch bei ernstzunehmenden Physikern zunehmend in Verruf geraten (schon die Darstellung, das Bohr in der berühmten Debatte über Einstein “gesiegt” hätte, ist nicht aufrechtzuerhalten; Bohr hatte natürlich recht, dass man sehr genau wisse, wie die Quantenmechanik funktioniere und wie nicht, das bedeutet aber natürlich nicht, dass man auch versteht, warum sie funktioniert). Der vorgeschobene Glaube, man würde ausschließlich berechnen und dabei nichts über die Natur verstehen wollen, ist schon reichlich absurd. Man sollte diese pragmatische Haltung, die im Zuge der eigenen Forschung offene Fragen ausblendet - was ok ist - jedoch nicht zum Dogma erheben, d.h. den Kollegen und Studenten einimpfen, nichts über die Natur verstehen zu dürfen.


Ein paar Zitate insbs. aus Kopenhagen, die m.M.n. den Begriff “Dogma” durchaus rechtfertigen:

zu Bohm

We consider it juvenile deviationism.
No one had actually read the paper.
We don’t waste our time ... If we cannot disprove Bohm, then we must agree to ignore him
Oppenheimer nach dem Vortrag Bohms in Princeton, zitiert nach Max Dresden, aus David Peat (Biograf Oppenheimers)

zu Everett

http://jamesowenweatherall.com/SCPPR...heelerOxon.doc

This work suffers from the fundamental misunderstanding which affects all attempts at ‘axiomatizing’ any part of physics. The ‘axiomatizers’ do not realize that every physical theory must necessarily make use of concepts which cannot in principle be further analyzed. … The fact, emphasized by Everett, that it is actually possible to set-up a wave function for the experimental apparatus and a Hamiltonian for the interaction between system and apparatus is perfectly trivial, but also terribly treacherous; in fact, it did mislead Everett to the conception that it might be possible to describe apparatus + atomic object as a closed system. … This, however, is an illusion.
(Rosenfeld to Bergmann, 1959; Hervorhebung von mir)

With regard to Everett neither I nor even Niels Bohr could have any patience with him, when he visited us in Copenhagen more than 12 years ago in order to sell the hopelessly wrong ideas he had been encouraged, most unwisely, by Wheeler to develop. He was undescribably [sic] stupid and could not understand the simplest things in quantum mechanics.
(Rosenfeld to Belifante, 1972)

zu Zeh

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/...andp.201570056

At that juncture, Zeh's senior at Heidelberg, the Nobel Prize winner J. H. D. Jensen decided to ask Rosenfeld's advice on the paper. Rosenfeld's opinion was devastating. “I have all the reasons in the world to assume that such a concentrate of wildest nonsense [decoherence, Zeh’s re-discovery of many-worlds] is not being distributed around the world with your blessing, and I think to be of service to you by directing your attention to this misfortune.
(H‐D Zeh, Foundations of Physics, 1, 69–76 (1970). Rosenfeld to Jensen, 14 Feb 1968)


Bei Zeilinger erkennt man übrigens den Fortschritt auch bei pragmatischen Physikern, denn während er einerseits den realistischen Anspruch ablehnt, erkennt er doch an, dass die Quantenmechanik eben nicht - siehe oben - auf die Mikrowelt beschränkt ist, sondern auch für makroskopische Systeme gültig sein sollte - was im Licht auch seiner eigenen Experimente naheliegend ist.

Ich würde Zeilinger als Vertreter eines - vermutlich recht großen - Teils der Physiker ansehen, denen inzwischen klar geworden ist, dass die “Kopenhagener Deutung” nicht wirklich sinnvoll und konsistent ist - sie also durchaus ihre Probleme damit haben - jedoch keine bessere Alternative sehen.
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
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