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Alt 08.09.17, 15:29
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TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
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Standard AW: Schwerkraft-Anomalie im Kristall

Ich habe leider weder Zugriff auf das Paper in Nature, noch auf das Buch [1] Bertlmann: Anomalies in Quantum Field Theory.

Evtl. hilft dieser Übersichtsartikel weiter: https://arxiv.org/pdf/0802.0634.pdf

Mein Eindruck lautet wie folgt: Man kann (1) in einem speziellen Festkörper ein System präparieren, das formal zu ähnlichen (identischen?) Gleichungen führt wie (2) eine Quantenfeldtheorie mit Kopplung von Fermionen an die Raumzeit; und man kann für (1) den theoretischen Ansatz experimentell testen. Die Frage ist nun, was aus der experimentellen Bestätigung von (1) folgt. Zunächst mal, dass im Falle von (1) die Theorie tatsächlich funktioniert; und dass im Falle von (2) die Theorie auch funktionieren würde, wenn sie tatsächlich zutreffend wäre - was man aber nicht weiß, da man die Tests eben gerade nicht für (2) sondern für (1) durchgeführt hat. Mit anderen Worten: aus der experimentellen Bestätigung für den Festkörper folgt nichts im Falle der Raumzeit.

Dann noch eine wichtige Anmerkung: die spontane Brechung einer Symmetrie (wir z.B. die Brechung der Rotationssysmmetrie im Falle der spontanen Magnetisierung, die Brechung der globalen chiralen Symmetrie in der QCD oder die Brechung der lokalen Eichsymmetrie der elektro-schwachen Wechselwirkung aufgrund des Higgsmechanismus) und die Anomalie einer Symmetrie (wie z.B. die axiale Anomalie und die daraus resultierende große eta-prime Masse, oder die hier diskutierte Anomalie) haben formal nichts miteinander zu tun.

Bei einer spontanen Symmetriebrechung liegt weiterhin ein symmetrischer Hamiltonoperator vor wobei lediglich der Grundzustand die Symmetrie bricht, während im Falle einer Anomalie die Quantisierung der klassischen Feldtheorie formal zu einer Verletzung der Symmetrie bereits im Hamiltonoperator führt.

Zitat:
Zitat von Hawkwind Beitrag anzeigen
Dabei scheint es wohl um chirale Symmetriebrechung zu gehen, also die Begründung warum wir in der elektroschwachen Theorie "nur" SU(2)L sehen oder - anders gesagt - warum wir in der Natur keine rechsthändigen Neutrinos finden.
Das ist evtl. irreführend.

Die chirale Symmetriebrechung in der QCD wird so verstanden, dass die chirale Symmetrie, also die Symmetrie zwischen rechts- und linkshändigen Fermionen, spontan gebrochen wird. Bei der Paritätsverletzung in der elektro-schwachen Theorie liegt eine explizite Brechung der Symmetrie vor; die Grundgleichungen sind also bereits nicht symmetrisch. Im hier vorliegenden Fall wird jedoch die Brechung der Symmetrie durch eine Anomalie induziert.

Ohne Zugriff auf den Artikel ist das etwas schwierig, aber was ich über die mixed chiral-gravitational anomaly im Falle von Weyl-Fermionen weiß ist, dass hier eine Mischung aus der Anomalie einer lokalen Eichsymmetrie, an die die Fermionen koppeln, sowie der lokalen Lorentz-Kovarianz vorliegt. Die Anomalie einer lokalen Eichsymmetrie bedeutet üblicherweise eine gravierende mathematische Inkonsistenz. Wie das im Falle dieser Anomalie ist, kann ich nicht sagen, dazu muss ich erst noch mehr nachlesen.
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (08.09.17 um 15:53 Uhr)
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