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Alt 11.06.13, 14:50
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soon soon ist offline
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Standard AW: Unmöglichkeit der Wegentscheidung

Ein Zitat aus dem oben erwähnten Buch 'Richard P. Feynman, QED Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie' zum Doppelspaltversuch:
Zitat:
Eigentlich würde man ja erwarten, daß sich nach Öffnung eines zweiten Spalts die auf den Detektor auftreffende Lichtmenge auf jeden Fall erhöhen müßte. Genau das aber tritt nicht ein. Deshalb ist es falsch zu sagen, das Licht nimmt »entweder den einen oder den anderen Weg«. Selbst ich ertappe mich noch gelegentlich bei Reden wie, »Nun, es breitet sich entweder auf diesem oder jenem Weg aus«. Doch solche Aussagen, darüber muß man sich klar sein, sind nur im Sinne einer Addition der Amplituden statthaft: Das Photon hat eine Amplitude, den einen Weg einzuschlagen, und eine Amplitude, den anderen Weg zu nehmen. Sind die Amplituden aber gegeneinander gerichtet, kommt kein Licht in D an – selbst wenn beide Spalte geöffnet sind.

Damit nicht genug, hat die Natur eine weitere Überraschung auf Lager, die ich Ihnen gern vorführen möchte. Nehmen wir einmal an, wir setzen in A und in B einen Spezialdetektor ein, der uns verrät, ob ein Photon durchfliegt (solche Geräte gibt es), damit wir dahinterkommen, durch welchen Spalt das Photon schlüpft, wenn beide geöffnet sind (vgl. Abb. 50). Da die Wahrscheinlichkeit, daß ein einzelnes Photon von S nach D gelangt, nur vom Abstand zwischen den Spalten beeinflußt wird, muß sich das Photon, sollte man meinen, durch irgendeinen heimtückischen Trick in zwei spalten und dann wieder vereinen. Dieser Hypothese zufolge müßten die Detektoren in A und B stets zur gleichen Zeit klicken (vielleicht aber nur halb so laut?), während sich der Detektor in D je nach dem Abstand zwischen A und B bei 100 Photonen von gar nicht bis 4 mal melden dürfte.

Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus: Die Detektoren klicken nie gleichzeitig – entweder ertönt A oder B. Das Photon spaltet sich nicht; es schlägt den einen oder den anderen Weg ein.





Außerdem zeigt der Detektor in D unter diesen Umständen von 100 Photonen konstant 2 an – also schlicht die Summe aus den beiden Wahrscheinlichkeiten für A und B (1 % + 1 %) –, und zwar gleichgültig, wie weit wir A und B auseinanderrücken. Das aber bedeutet, daß keine Interferenz mehr auftritt, wenn wir in A und B Detektoren einsetzen!

Sie sehen, die Natur läßt sich nicht in die Karten schauen. Versuchen wir, mit Hilfe von Instrumenten dahinterzukommen, welchen Weg das Licht von Fall zu Fall nimmt, läßt sie uns das zwar getrost herausfinden. Dafür unterschlägt sie uns aber die wunderbaren Interferenzeffekte. Haben wir dagegen keine Instrumente, die uns über den vom Licht eingeschlagenen Weg informieren, tauchen die Interferenzeffekte wieder auf! Fast zu toll, um wahr zu sein!

Versuchen wir nun dieses Paradoxon zu ergründen, so müssen wir uns ein äußerst wichtiges Prinzip vor Augen halten: Um die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ereignisses korrekt zu berechnen, muß man darauf achten, wirklich das ganze Ereignis klar zu definieren – vornehmlich im Hinblick auf Anfangs- und Endzustände des Experiments. Wir schauen uns also die Anlage vor und nach Durchführung des Experiments an und sehen uns an, was sich verändert hat. Als wir die Wahrscheinlichkeit berechneten, daß ein Photon ohne Detektoren in A oder B nach D gelangt, bestand unser Ereignis beziehungsweise die einzige Veränderung der Zustände einfach in einem Klick des Detektors in D. In diesem Fall konnten wir den Weg des Photons nicht feststellen; dafür jedoch hatten wir Interferenzeffekte.

Als wir anschließend in A und B Detektoren einsetzten, haben wir das ganze Problem verändert. Mit einemmal haben wir nämlich zwei komplette Ereignisse – zwei Sätze von Endzuständen –, die sich genau unterscheiden lassen: 1) die Detektoren in A und D klicken oder 2) die Detektoren in B und D klicken. Bei mehreren möglichen Endzuständen eines Experiments müssen wir die Wahrscheinlichkeit für jede Möglichkeit getrennt berechnen oder, anders gesagt, wir müssen alle Möglichkeiten als komplette, in sich abgeschlossene Ereignisse betrachten.

Zur Berechnung der Amplitude, daß die Detektoren in A und D klicken, multiplizieren wir die Pfeile für folgende Schritte: ein Photon wandert von S nach A, das Photon wandert von A nach D, der Detektor in D klickt. Die Resultierende quadrieren wir, und damit haben, wir auch schon die Wahrscheinlichkeit für dieses Ereignis: 1 Prozent. Sie ist also genauso groß wie bei geschlossenem Spalt in B, weil wir es in beiden Fällen mit denselben Vorgängen zu tun haben. Nun können aber auch die Detektoren in B und D klicken – das ist das andere komplette Ereignis, dessen Wahrscheinlichkeit ganz ähnlich berechnet wird und ebenfalls etwa 1 Prozent beträgt.

Wollen wir nun wissen, wie oft der Detektor in D klickt, ohne uns weiter darum zu kümmern, ob das Photon den Weg über A oder B genommen hat, errechnet sich die Wahrscheinlichkeit einfach aus der Summe der beiden Ereignisse – 2 Prozent. Im Prinzip haben wir also, wenn im System etwas vorhanden ist, was wir beobachtet haben könnten, um den vom Photon eingeschlagenen Weg herauszufinden, verschiedene »Endzustände« (unterscheidbare Endbedingungen), und wir addieren die Wahrscheinlichkeiten – nicht die Amplituden – für jeden Endzustand.12

Ich habe Ihnen diese Spielarten vorgeführt, um Ihnen zu demonstrieren, wie sehr das seltsame Verhalten der Natur die Aufstellung eines Modells, das auch nur die einfachsten Phänomene erklärt, erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht. Die theoretische Physik hat in diesem Punkt auch die Waffen gestreckt.
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... , can you multiply triplets?
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