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Alt 09.03.10, 22:58
zeitgenosse zeitgenosse ist offline
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Standard AW: Lehrmittel für Physik, Mathematik und Technik

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Zitat von EMI Beitrag anzeigen
Hier ist ein Physikforum und wer hier nur unkritisch aus historischem Humbug zitiert hat andere Ziele!
Mir die Worte andauernd im Munde zu verdrehen und mich des latenten Nazismus zu bezichtigen ist schlichtweg unsinnig, im Grunde genommen auch höchst perfid! Von einem bestimmten Teilnehmer (mit zuweilen paranoiden Anwandlungen und pathologischer Neigung zu extremen Erregungszuständen) bin ich mir dies zwar längst gewohnt. Unschön ist es trotzdem.

Um nicht missverstanden zu werden: EMI hat in meinen Augen in diesem Forum hervorragende Beiträge zu bspw. Extremwertaufgaben beigesteuert; doch in der vorliegenden Thematik befindet er sich einfach in einem Grundlagenirrtum. Wenn er sein offensichtliches Nichtwissen in dieser Sache wenigstens eingestehen oder - noch besser - durch das Studium geeigneter Fachliteratur wettmachen würde, käme man endlich weiter, als sich andauernd gegenseitig in zermürbenden Stellungskämpfen herunter zu machen!

Zur Sache kommend:

Die Booster-Bombe (fusionsverstärkte Spaltbombe) - um die es im Kontext mit grosser Wahrscheinlichkeit geht - ist nicht mit einer konventionellen Uran- oder Plutonium-Spaltbombe vom Hiroshima- resp. Nagasaki-Typ zu vergleichen. Die ursprüngliche Idee, Hohlladungen in räumlicher Implosionsanordnung für thermonukleare Reaktionen zu verwenden, stammt von Schumann und Trinks. Hohlladungen sind nötig, um extreme Drücke und Temperaturen zu erzeugen. Auch die bahnbrechenden Arbeiten der Professoren Busemann und Guderley sollten hier zur Kenntnis genommen werden. Die entscheidenden Reaktionsgleichungen für eine thermonukleare Bombe wurden von Richter (1942) gefunden. Gewissermassen als Nebenprodukt seiner Kalkulationen entdeckte Richter auch den Reaktionszyklus einer hochwirksamen Gamma-Flash-Bombe, die einen Blitz von 21 MeV Gammaquanten auslösen würde. Es schaudert uns, wenn wir nur schon daran denken. Dr. Diebner hat diese zunächst nur theoretisch vorliegenden Konzeptionen aufgegriffen, verfeinert und technisch ausgearbeitet. Als Experimentalphysiker war dies sein Metier, so dass er durch das HWA mit der Umsetzung beauftragt wurde.

Der prinzipielle Aufbau einer Booster-Bombe ist der folgende:




Durch das Booster-Prinzip lässt sich die Sprengkraft von Fissionsbomben in etwa verdoppeln. Der Fusionsprozess dient lediglich zur Dynamisierung des einsetzenden Spaltprozesses. Als Spaltmaterial eignet sich bereits waffentaugliches Uran mit einem Anreicherungsgrad von 40 %. Es muss - entgegen der Grafikaussage - keineswegs hochangereichertes Uran sein. Ein derartiges Hybridsystem vermag nach Meinung anerkannter Fachleute infolge der ausgelösten Schockwellen (und der dadurch bewirkten Verdichtung) bereits Massen von wenigen 100 g Spaltstoff zu zünden, wobei Energien von einigen hundert Tonnen TNT freigesetzt werden! Anstelle von fluidem Deuterium-Tritium kann auch Lithiumdeuterid verwendet werden, ein graues metallisches Pulver, das sich problemlos zu Tabletten pressen lässt. Als Neutronenreflektor wird häufig Beryllium verwendet. Ganz aussen ist ein sphärisch angeordneter Sprengsatz (z.B. Baratol oder Composit B) erkennbar, um die für den Hohlladungsmechanismus benötigte Implosion in Gang zu setzen.

Natürlich - das sei unbestritten - benötigt man auch für die Booster-Bombe eine gewisse Menge von eigentlichem Spaltmaterial wie zB. Plutonium-239. Bei Verwendung von Plutonium wird sogar deutlich weniger kritische Masse benötigt, als dies bei Verwendung von Uran-235 der Fall ist. Auf die aufwendige Anreicherungsprozedur kann in diesem Fall sogar gänzlich verzichtet werden. Das Einzige, was man dann wirklich braucht, ist eine ergiebige Neutronenquelle, durch die das Natururan zu Plutonium transmutiert. Erweist sich ferner die Annahme als richtig, dass Diebner bereits einen rudimentären "Brüter" entwickeln konnte, läge es lt. den Gesetzen menschlicher Logik auf der Hand, dass für eine Hybridbombe dazu ausgebrütetes Plutonium benutzt wurde. Mit schwach angereichertem Uran-235 ginge es selbstverständlich auch. Als Kautschukverarbeitungsanlagen getarnte Urananreicherungsfabriken sind denkbar. Geheimanlagen im Harz als auch in Niederschlesien gab es gegen Kriegsende sowieso zuhauf. Ins Isotopen-Projekt der Reichspost-Forschungsanstalt in seinem Labor in Lichterfelde war übrigens kein geringerer als Manfred von Ardenne involviert. Und das aus freien Stücken notabene. An einem Superzyklotron in einer ehemaligen Textilfabrik in Bisingen (Hohenzollern) arbeitete der Ing. Walter Dällenbach, ein Schweizer und Schüler Einsteins übrigens. Man muss die inneren Zusammenhänge mit der Zeit erkennen lernen.

Aufgrund des bisherigen Wissensstandes ist folglich davon auszugehen, dass die Gruppe um Diebner und Walther Gerlach in Ohrdruf eine - zwar noch primitive, aber in der Tat bereits funktionsfähige - Booster-Bombe getestet hat. Das ist überhaupt nicht abwegig. Dermassen zerstörerisch wie Jahre später 'Greenhouse Item' (1951) wird diese Booster-Bombe zwar nicht gewesen sein. Aber ziemlich sicher zerstörerisch genug, um feindlichen Verbänden empfindliche Schläge zuzufügen - wäre es zum direkten Schlagabtausch gekommen. Psychologisch verheerend sogar, wenn mit derartigen "Mini-Nukes" - plaziert in Langstreckengleitern - Städte an der Ostküste Amerikas, unter ihnen New York, attackiert worden wären. Sängers Antipodenbomber wäre zu einem solchen Weitflug in der Lage gewesen. Schreckenszenarien dieser Art befanden sich Anfangs des Jahres 1945 - nicht nur als Planspiele - durchaus im Bereich des Möglichen. In der Endphase des Krieges gerieten diese Visionen immer stärker in den Zugriff der SS, insbesondere Kammlers. Wäre Nazi-Deutschland durch die Mehrfrontenverluste nicht bereits dermassen geschwächt und zudem von Kerosin und andern dringend benötigten Rohstoffen abgeschnitten gewesen, wäre es bestimmt zu solchen Exzessen gekommen. Die dringend benötigte kriegsentscheidende "Wunderwaffe" kam glücklicherweise nicht übers Teststadium hinaus. Zum Glück, sage ich! (und wenn ich das sage, meine ich es auch so).

Fazit:

Wer sich ernsthaft mit der Thematik auseinandersetzen will, kommt m.E. nicht um die beiden Bücher von Karlsch (Hitlers Bombe; Für und wider Hitlers Bombe) herum. Wer sich - ohne eines dieser Bücher überhaupt gelesen zu haben - zu unschönen Entgleisungen hinreissen lässt, kann nicht Anspruch auf eine wissenschaftliche Gesinnung erheben.

Gr. zg

Ge?ndert von zeitgenosse (09.03.10 um 23:32 Uhr)
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