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Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik Runder Tisch für Physiker, Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker

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  #1  
Alt 31.07.18, 11:02
Benutzerbild von TomS
TomS TomS ist offline
Singularität
 
Registriert seit: 04.10.2014
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Standard AW: Kann man Everetts "reine Quantenmechanik" noch weiter ignorieren?

Zitat:
Zitat von JoAx Beitrag anzeigen
Eine Frage, Tom - was hat man ohne der Bornschen Regel von der ganzen QM?

Wie stelle ich die Zahlen, die dann rauskommen, den experimentellen Daten gegenüber?
Man geht davon aus, dass die Bornsche Regel im Zuge der Everettschen Interpretation als Theorem aus anderen Axiomen ableitbar ist. Das hat bereits Everett versucht, allerdings besteht bis heute keine Einigkeit, ob und wie diese Argumentation funktionieren kann und ob derartige Ableitungen nicht alle irgendwie zirkulär wären.

Streng genommen muss man zwei Fragen klären:

1) Warum resultiert aus der Everettschen Interpretation überhaupt eine Wahrscheinlichkeit? Immerhin ist die Theorie explizit deterministisch.

2) Wenn (1) gelöst ist, warum resultiert gerade die Bornsche Regel?

In gewisser Weise ist (2) einfacher bzw. bereits gelöst; man kann nämlich streng beweisen, dass auf einem Hilbertraum nur ein einziges Wahrscheinlichkeitsmaß zulässig ist, und dies enstpricht gerade der Bornschen Regel; dies ist das sogenannte Gleasonsche Theorem

Zu (1) gibt es diverse Indizien, angefangen bei Everett selbst. Nach der Dekohärenz tragen die o.g. resultierenden Zweige gerade den gem. Born richtigen Gewichtsfaktor. Nach Hartle konvergiert eine häufige Anordnung eines speziellen "Zähloperators" für das Auftreten bestimmter Ergebnisse bei unabhängigen Messungen gerade gegen das Ergebnis der Bornschen Regel.

All dies deutet darauf hin, dass die Bornschen Regel bereits in der Geometrie des Hilbertraumes und einiger Axiome angelegt ist. Es gibt jedoch keinen schlüssigen Beweis, warum diese so resultierenden Werte als Wahrscheinlichkeiten aufzufassen sind.

Stell dir vor ich gebe dir Tabellen der Form

A ½
B ½

A ¼
B ¾

...

Nun können wir beweisen, dass wenn wir die zweite Spalte als Wahrscheinlichkeiten P(A) = ½ auffassen wollen, dass dann P(B) = 1 - P(A) sowie 0 ≤ P ≤ 1 folgt.

Nur, wir können nicht beweisen, dass wenn ich dir diese Tabellen gebe und sie diese Bedingen erfüllen, dass ich sie dann als Wahrscheinlichkeiten interpretieren muss.

Das ist eines der wesentlichen Probleme der Everettschen Interpretation: warum folgt aus der Mathematik eine Wahrscheinlichkeitsaussage? Bisher sind alle Herleitungen recht verzwickt und werden immer wieder als zirkulär kritisiert, im Sinne von "wenn wir irgendetwas annehmen, was implizit bzw. versteckt irgendwas enthält, was irgendwie entfernt mit Wahrscheinlichkeiten zu tun hat, dann folgt irgendwie eine Wahrscheinlichkeitsinterpretation sowie die Bornsche Regel".
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.

Ge?ndert von TomS (31.07.18 um 11:09 Uhr)
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  #2  
Alt 31.07.18, 11:56
Bernhard Bernhard ist offline
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Standard AW: Kann man Everetts "reine Quantenmechanik" noch weiter ignorieren?

Hallo Tom,

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
1) Warum resultiert aus der Everettschen Interpretation überhaupt eine Wahrscheinlichkeit? Immerhin ist die Theorie explizit deterministisch.

2) Wenn (1) gelöst ist, warum resultiert gerade die Bornsche Regel?
Sorry, wenn ich da nerve, aber die Literaturliste in der WP ist mir da zu lange. Kannst Du eine Referenz nennen, auf die man sich ggf. bei dieser Diskussion beziehen kann.

Ich würde mir das schon mal ansehen, auch wenn aus deinem Beitrag bereits gewisse Alarmsignale zu entnehmen sind.
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Freundliche Grüße, B.
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  #3  
Alt 31.07.18, 12:17
Benutzerbild von TomS
TomS TomS ist offline
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Standard AW: Kann man Everetts "reine Quantenmechanik" noch weiter ignorieren?

Literatur zu welchem Thema genau?
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
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  #4  
Alt 31.07.18, 12:31
Bernhard Bernhard ist offline
Moderator
 
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Standard AW: Kann man Everetts "reine Quantenmechanik" noch weiter ignorieren?

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
Literatur zu welchem Thema genau?
Na zu den Axiomen der Everettschen Sichtweise, falls solche von Everett jemals ausreichend klar formuliert wurden. Sonst spekulieren wir doch noch "in 100 Jahren" über die everettschen Arbeiten.
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Freundliche Grüße, B.
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  #5  
Alt 31.07.18, 13:07
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soon soon ist offline
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Standard AW: Kann man Everetts "reine Quantenmechanik" noch weiter ignorieren?

Ausreichend klare Formulierungen kann es vielleicht nicht geben ohne eine zufriedenstellende Definition des Begriffs 'quantenmechanische Messung'.
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... , can you multiply triplets?
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  #6  
Alt 31.07.18, 13:31
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Standard AW: Kann man Everetts "reine Quantenmechanik" noch weiter ignorieren?

Zitat:
Zitat von soon Beitrag anzeigen
Ausreichend klare Formulierungen kann es vielleicht nicht geben ohne eine zufriedenstellende Definition des Begriffs 'quantenmechanische Messung'.
Richtig.

Das ist sicher ein wesentliches Defizit der orthodoxen Quantenmechanik.

Nach Everett entspricht eine Messung lediglich einer speziellen Wechselwirkung mit einem speziellen makroskopischen Objekt - dem Messgerät - das eine möglichst präzise Korrelation zwischen den Zuständen des zunächst isolierten Quantensystems und den Zuständen des makroskopischen Zeiger des Messgerätes herstellt.
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  #7  
Alt 31.07.18, 13:26
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TomS TomS ist offline
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Standard AW: Kann man Everetts "reine Quantenmechanik" noch weiter ignorieren?

Ich suche dir einige Quellen zusammen.

mMn versteht man heute im Kern folgende Axiome als grundlegend:

1. Die Beschreibung eines Quantensystems erfolgt im Rahmen eines separablen Hilbertraumes
2. Der Zustand eines einzelnen Quantensystems wird durch einen normierten Vektor als Element dieses Hilbertraumes beschrieben.
3. Die Zeitentwicklung eines einzelnen isolierten Quantensystems wird durch einen unitären Zeitentwicklungsoperator U(t) = exp[-iHt] beschrieben
(H entspricht dabei dem Hamiltonoperator; dieses Axiom ist äquivalent zur
Schrödingergleichung)
__________________
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  #8  
Alt 31.07.18, 15:22
Bernhard Bernhard ist offline
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Standard AW: Kann man Everetts "reine Quantenmechanik" noch weiter ignorieren?

Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
mMn versteht man heute im Kern folgende Axiome als grundlegend:

1. Die Beschreibung eines Quantensystems erfolgt im Rahmen eines separablen Hilbertraumes
2. Der Zustand eines einzelnen Quantensystems wird durch einen normierten Vektor als Element dieses Hilbertraumes beschrieben.
3. Die Zeitentwicklung eines einzelnen isolierten Quantensystems wird durch einen unitären Zeitentwicklungsoperator U(t) = exp[-iHt] beschrieben
(H entspricht dabei dem Hamiltonoperator; dieses Axiom ist äquivalent zur
Schrödingergleichung)
Wie sieht es mit Operatoren auf dem Hilbertraum aus?
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  #9  
Alt 31.07.18, 15:40
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Standard AW: Kann man Everetts "reine Quantenmechanik" noch weiter ignorieren?

Zitat:
Zitat von Bernhard Beitrag anzeigen
Wie sieht es mit Operatoren auf dem Hilbertraum aus?
Die mathematische Existenz der Operatoren ist natürlich durch den Hilbertraum gegeben. Dass bestimmte Operatoren physikalischen Observablen entsprechen, bleibt weiterhin gültige Konvention.

Die Eigenwerte dieser Operatoren werden jedoch nicht mehr per Postulat als mögliche Messwerte eingeführt. Es ist eher umgekehrt so, dass eine Messung bzw. ein Messgerät gerade so konstruiert sind, dass eine Korrelation aus diesen Eigenzuständen mit ihren Eigenwerten sowie den makroskopischen Zeigerzuständen folgt.

D.h. wenn du z.B. den Spin s messen möchtest, dann musst du eine Messgerät konstruieren, so dass dessen Zeigerzustände |S> gerade mit den Eigenzuständen |s> korreliert sind, so dass du genau damit eine diesbzgl. Auffächerung |s,S> auszeichnest; dieses Messgerät bewirkt genau diese Auffächerung des Zustandes in jeweils stabile sowie wechselweise unsichtbare Zweige.

Es handelt sich nicht mehr um ein Postulat, sondern eher um einen Leitsatz zur Konstruktion geeigneter Messgeräte. Im Zuge der orthodoxen Quantenmechanik ist in keinster Weise klar, dass zu jedem selbstadjungierten Operator überhaupt eine physikalisch mögliche Messung existiert. Der Zusammenhang zwischen Messgerät und Observablen bleibt offen. Nach Everett ist klar, warum dies offen bleibt: die Eigenschaft der Messung bzw. des Messgerätes einer bestimmten Observablen hängt am Hamiltonoperator, der die WW des Quantensystems mit dem Messgerät beschreibt.
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Ge?ndert von TomS (31.07.18 um 15:48 Uhr)
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  #10  
Alt 31.07.18, 15:47
Bernhard Bernhard ist offline
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Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
so dass du genau damit eine diesbzgl. Auffächerung |s,S> auszeichnest;
… und mit Auffächerung ist dann obige Korrelation von Zuständen im Hilbertraum gemeint?
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everett - welten, viele-welten theorie


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