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Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik Runder Tisch für Physiker, Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker

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  #41  
Alt 28.08.18, 18:59
Timm Timm ist offline
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Standard AW: VWI im Alltag

Wie interpretieren wir die nun folgende Verkomplizierung?

Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
Zuvor macht er ein Experiment. Er' findet Spin up, Er'' Spin down. Er' und Er'' teilen dieselbe Erinnerung.
Wer bezweifelt, daß Er' und Er'' real aber akausal getrennt existieren, sollte sie bitte begründen.

Nach der Messung wählt die Schwester seine Nummer. Mit wem spricht sie, mit ihm' oder mit ihm''? Wahl zufällig? Mit wem sie auch spricht, aus Gründen der Konsistenz hat sie in aller Zukunft immer mit ihm' Kontakt, falls Er' am Telefon war. Bei künftigen Anrufen sollte demnach nur sein' Telefon klingeln. Demnach entscheidet das erste Telefonat mit wem sie es künftig zu tun hat. Einspruch?
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Der Verstand schafft die Wahrheit nicht, sondern er findet sie vor - Aurelius Augustinus
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  #42  
Alt 29.08.18, 09:40
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soon soon ist offline
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Standard AW: VWI im Alltag

Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
...Nach der Messung wählt die Schwester seine Nummer. Mit wem spricht sie, mit ihm' oder mit ihm''? ...
Die Schwester hat vor der Messung einen Brief verschickt, wer erhält nach der Messung den Brief? Er' erhält Brief' von Schwester'. Er'' erhält Brief'' von Schwester''.

Die Ereignisfolgen, die zu Er' und Er'' führen, reichen rückwärts betrachtet bis zum Urknall zurück und waren von Anfang an minimal unterschiedlich, imho.

Mich würde trotzdem interessieren, was die VWI zu der Rückwärtsverfolgung der Ereignisse meint. Aus einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung bei der Zusammenführung von "Zweigen" entstehen wiederum Verzweigungen, oder nicht?


Edit: [Sollte wir das nicht besser in der Plauderecke diskutieren?]
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Ge?ndert von soon (29.08.18 um 10:10 Uhr)
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  #43  
Alt 29.08.18, 11:21
Timm Timm ist offline
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Standard AW: VWI im Alltag

Zitat:
Zitat von soon Beitrag anzeigen
Die Schwester hat vor der Messung einen Brief verschickt, wer erhält nach der Messung den Brief? Er' erhält Brief' von Schwester'. Er'' erhält Brief'' von Schwester''.
Ich bin bisher davon ausgegangen, daß der Everett'sche Formalismus strikt in die Zukunft gerichtet ist, sodaß eine Messung keine Verzweigung in der Vergangenheit auslösen kann.

Vielleicht kann Tom diese Frage klären.

Allerdings führt der Brief (wie auch das Telefonat) ohne die Annahme von Schwester' und Schwester'' zu einem logischen Widerspruch.
Kann man den Standpunkt einnehmen, es gebe nicht mehr als die Verzeigung (Ergebnis Spin up ) und (Ergebnis Spin down)? Nein, derjenige der die Messung durchgeführt hat, sieht beide Ergebnisse, ist also in die Verzeigung inbegriffen. Und dem hat hier auch bis jetzt niemand widersprochen.
Wie löst sich dieser Widerspruch auf?

Ja, vielleicht ist dieser Thread in der Plauderecke besser aufgehoben. Mir ist das egal.
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Ge?ndert von Timm (29.08.18 um 11:47 Uhr)
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  #44  
Alt 29.08.18, 12:24
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soon soon ist offline
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Standard AW: VWI im Alltag

Zitat:
Zitat von Timm Beitrag anzeigen
Ich bin bisher davon ausgegangen, daß der Everett'sche Formalismus strikt in die Zukunft gerichtet ist, sodaß eine Messung keine Verzweigung in der Vergangenheit auslösen kann.
Eigentlich will ich auf die Frage hinaus, ob man eine Messung auch in der Vorwärtsbetrachtung als "Zusammenführung" von "Zweigen"/Objekten, die zuvor nichts miteinander zu tun hatten, ansehen kann.
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  #45  
Alt 29.08.18, 21:44
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TomS TomS ist offline
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Standard AW: VWI im Alltag

Eine mikroskopische Verzeigung ist ohnehin angelegt und unumstritten:

(α|↑> + β|↓>)|0>|0>|0>

Dabei markieren die Farben von links nach rechts das mikroskopische Quantensystem, das Messgerät, den Beobachter sowie den Empfänger der Botschaft mit dem Ergebnis der Beobachtung.

Wenn wir sinnvollerweise die Sortierung der makroskopischen Subsysteme von links nach rechts entsprechend der Entfernung bzw. der Reihenfolge der jeweiligen Beobachtung ansetzen, dann beobachtet sozusagen immer das rechts stehende Subsystem das jeweils links daneben stehende Subsystem. Damit setzt sich die Verzweigung von links nach rechts fort, d.h. man erhält jeweils durch physikalische Propagation der Information

(α|↑>|misst ↑> + β|↓>|misst ↓>) ⊗ |0>|0>

(α|↑>|misst ↑>|beobachtet ↑> + β|↓>|misst ↓>|beobachtet ↓>) ⊗ |0>

...

Dabei habe ich der Übersichtlichkeit halber auf diverse |...> Terme verzichtet, die die Umgebungsfreiheitsgrade bezeichnen, die jeweils mit den Subsystemen verschränkt werden was die eigtl. makroskopische Verzweigung gemäß der Dekohärenz bewirkt, und ich habe diverse ... Terme der Form α|↑> ⊗ |misst ↓> weggelassen, die aufgrund der Dekohärenz um viele Größenordnungen unterdrückt sind.

Die beiden „Zweige“ sind innerhalb der Klammern (... + ...) durch das Pluszeichen getrennt, z.B.

(α|↑>|misst ↑>|beobachtet ↑> + β|↓>|misst ↓>|beobachtet ↓>)

Für die außerhalb der Klammer stehenden Terme wie z.B. |0> hat noch keine Verzweigung stattgefunden.

Die Verzeigung propagiert natürlich durch direkte Beobachtung, aber auch durch die Umgebungsfreiheitsgrade. Nehmen wir an, der Empfänger empfängt eine Botschaft, die keine Information über das Messergebnis enthält. Allerdings erreichen ihn außerdem Photonen - d.h. Umgebungsfreiheitsgrade |...> die ich hier nicht notiere - die mit dem Messgerät verschränkt wurden. Dann propagiert die Verzeigung alleine durch die Photonen, d.h. auch das rechts stehende |0> wird in die Zweigstruktur mit einbezogen. Diese Propagation ist sogar die Regel, weil man sie spätestens bei der Verwendung eines makroskopischen Messgerätes nicht verhindern kann.

In der Praxis bedeutet dies z.B. im Falle von Schrödingers Katze im Kasten, dass alleine die Verschränkung der Luftmoleküle im Kasten mit der Katze, sowie die weitere Verschränkung der Luftmoleküle außerhalb des Kastens die Verzeigung auf einen Beobachter induzieren. Erst recht gilt dies für einen gläsernen Kasten und Photonen, was eine Verzweigung des Beobachters induziert, auch wenn dieser die Augen geschlossen hält - er verzweigt nicht durch das Empfangen eines Bildes oder Bewegungssignals von der Katze sondern alleine durch seine Verschränkung mit den von der „leben und toten Katze“ ausgesandten Photonen.

Wenn die Kommunikation der links mit den rechts stehenden Subsystemen schneller als die Propagation der Verzeigung funktioniert, d.h. z.B. Kommunikation per Licht und Propagation durch Luft, jedoch Empfänger weit entfernt, dann ist auch eine weitere Kommunikation mit einem weiterhin unverzeigten Subsystem möglich.
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Ge?ndert von TomS (29.08.18 um 22:19 Uhr)
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  #46  
Alt 29.08.18, 22:23
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Zitat:
Zitat von soon Beitrag anzeigen
Eigentlich will ich auf die Frage hinaus, ob man eine Messung auch in der Vorwärtsbetrachtung als "Zusammenführung" von "Zweigen"/Objekten, die zuvor nichts miteinander zu tun hatten, ansehen kann.
Nein, das funktioniert praktisch nicht, und zwar wegen der Verschränkung mit den Umgebungsfreiheitsgraden. Eine „Zusammenführung“ wäre eine Entwicklung von

(α|↑> ⊗ |misst ↑> + β|↓> ⊗ |misst ↓>)

nach

(α|↑> + β|↓>) ⊗ |0>

Nun müssen wir doch die bisher nicht notierten Umgebungsfreiheitsgrade |...> wie Luft, Licht etc. mit einbeziehen; das wäre dann eine Entwicklung von

(α|↑> ⊗ |misst ↑> ⊗ |... verschränkt mit Messung ↑> + β|↓> ⊗ |misst ↓> ⊗ |... verschränkt mit Messung ↓>)

nach

(α|↑> + β|↓>) ⊗ |0> ⊗ |... verschränkt mit noch nichts gemessen = 0>

Aufgrund der beteiligten Umgebungsfreiheitsgrade |...>, d.h. aller Luftmoleküle, Photonen etc. sind die beiden Zustände |... verschränkt mit Messung ↑> und |... verschränkt mit Messung ↓> extrem unterschiedlich. Der Zielzustand |... verschränkt mit noch nichts gemessen = 0> müsste jedoch für beide Zweige wieder identisch sein. Ein Gerät, das diese Rückwärtsentwicklumg ermöglicht, ist für makroskopische Apparate und deren Verschränkung mit makroskopischen Subsystemen |...> technisch nicht realisierbar, denn dazu müsste man alle Freiheitsgrade des Apparates sowie alle Umgebungsfreiheitsgrade gezielt kontrollieren und wieder in einen für beide Zweige identischen Zustand bringen. Da dies nicht realisierbar ist, funktioniert die Dekohärenz und damit die Verzeigung asymmetrisch und immer nur vorwärts in der Zeit; der umgekehrte Vorgang der „Zusammenführung von Zweigen“ ist makroskopisch unmöglich (für mikroskopische Systeme ist das natürlich möglich; eine derartige Zusammenführung von mikroskopischen Zweigen ist seit Jahrzehnten möglich und absoluter Standard, so dass man dabei überhaupt nicht von „Zusammenführung von mikroskopischen Zweigen“ spricht ... es ist triviales und elementares Handwerkszeug).

Prinzipiell wäre dies aber natürlich genau der Weg, wie man die VWI gezielt experimentell überprüfen könnte: man führt eine normale Messung mit „scheinbarem Kollaps“ durch; man manipuliert nach Messung und Beobachtung alle involvierten Freiheitsgrade dergestalt, dass sie wieder in einen identischen Zustand überführt werden, d.h. man eliminiert insbs. die Dekohärenz durch die Umgebungsfreiheitsgrade und „führt die Zweige zusammen“. Gemäß der Kollapsinterpretation ist dies nicht möglich, da aufgrund des Kollapses nur ein Zweig übrigbleibt. Gemäß der VWI ist dies dagegen prinzipiell möglich! Leider ist dies jedoch praktisch unmöglich, d.h. man kann die KI sowie die VWI rein praktisch nicht voneinander unterscheiden: wo für mikroskopische Systeme derartige Experimente praktisch durchführbar sind, machen beide Theorien die selben Vorhersagen, weil für mikroskopische und insbs. unbeobachtete Systeme sowohl KI als auch VWI keinen Kollaps vorhersagen; wo für makroskopische und insbs. beobachtete Systeme die KI einen Kollaps postuliert, die VWI dagegen nicht, sind derartige Experimente praktisch undurchführbar.

Es ist also falsch, der VWI vorzuwerfen, sie wäre nicht falsifizierbar. Zunächst sind beide - sowohl KI als auch VWI - falsifizierbar, indem man ein System entdeckt, das nicht der Schrödingergleichung gehorcht. Dann sind KI und VWI prinzipiell experimentell unterscheidbar, indem man nämlich
i) die KI (VWI) dadurch verifiziert (falsifiziert), dass man den Kollaps nachweist bzw. die theoretische Zusammenführung makroskopischer Zweige experimentell widerlegt, oder
ii) die VWI (KI) dadurch verifiziert (falsifiziert), dass man den Kollaps widerlegt bzw. die theoretische Zusammenführung der Zweige experimentell nachweist.
Leider sind derartige Experimente praktisch absolut undurchführbar; die Dekohärenzzeit für makroskopische Systeme sind so kurz und die Verzeigung so schnell und effizient, dass die Verzweigung gemäß VWI nie von einem Kollaps unterschieden werden kann.

Ein Experiment, das diese Frage löst, würde mich fast mehr interessieren als eine Lösung für die Quantengravitation.
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Ge?ndert von TomS (29.08.18 um 23:03 Uhr)
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  #47  
Alt 29.08.18, 23:03
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Vielen Dank für die ausführlichen Antworten.
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  #48  
Alt 05.09.18, 10:35
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Vielleicht muss man die Sichtweise ändern.

Hier ein Versuch eines Vorschlags dazu:

Doppelspaltexperiment und das Ziegenproblem

Analogien:

Beobachter entspricht Kandidat.

Messung beim Doppelspaltexperiment: ein Einschlag auf dem Detektorschirm entspricht
Messung beim Ziegenproblem: ein Tor wird geöffnet.

Zu messendes Objekt beim Doppelspaltexperiment: das fertige Interferenzmuster entspricht
zu messendes Objekt beim Ziegenproblem: die Anordnung von Auto und Ziegen hinter den geschlossenen Toren.

Das Interferenzmuster steht bereits fest (Determiniertheit) entspricht
die unveränderbare Anordnung von Auto und Ziegen.

Fazit:

Die Wahrscheinlichkeiten ändern sich durch die Messung und zählen ausschliesslich zu den Eigenschaften des Beobachters.

Das Messobjekt ist bereits fertig vorhanden und liegt für den Beobachter hinter noch verschlossenen Toren gleichbedeutend mit in der Zukunft.

Eine Verzweigung bei der Messung, wenn man es so nennen will, findet ausschliesslich beim Beobachter statt, - in den alten und den neuen, veränderten Beobachter.
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  #49  
Alt 06.09.18, 11:49
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Ich verstehe wirklich nicht, was du mit einem Wechsel der Perspektive meinst und was das mit dem Ziegenproblem zu tun hat.
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  #50  
Alt 06.09.18, 13:25
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Zitat:
Zitat von TomS Beitrag anzeigen
... Wechsel der Perspektive ...
Beim Ziegenproblem wechselt der Kandidat in die Perspektive des Moderators, der die Anordnung hinter den Toren kennt.

Beim Doppelspaltexperiment wechselt der Beobachter in die Perspektive der Natur, die das fertige Interferenzmuster aufgrund der Determiniertheit kennt.

Die VWI bekommt diesen Perspektivwechsel nicht zustande und argumentiert nur aus der Sicht des Beobachters, dass sich eine Anordnung Auto/Ziege/Ziege erst nach und nach realisiert.
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