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Wissenschaftstheorie und Interpretationen der Physik Runder Tisch für Physiker, Erkenntnis- und Wissenschaftstheoretiker |
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Zum Emergenz- und Messproblem
Wer mit der statistischen Interpretation unzufrieden ist, der muss das Emergenz- und das Messproblem lösen. [Audretsch 2008]
Das Emergenz-Problem Geht man von einem Ur-Quantenplasma, bestehend aus Wasserstoff- und Heliumkernen, Elektronen und elektromagnetischer Strahlung, wie es gemäß dem kosmologischen Standardmodell wohl rund 300.000 Jahre lang bestanden haben muss, dann lassen sich folgende, für die quantenphysikalische Debatte interessierende Feststellungen machen: 1.) Die Dynamik des Gesamtsystems ist zu diesem Zeitpunkt durch eine Tendenz zum Ladungsausgleich und eine adiabatische Ausdehnung geprägt. Die Schrödinger-Dynamik ist demzufolge keineswegs die alleinige Dynamik. Diese Feststellung ist angesichts einer m.E. voreiligen Postulate [Zurek 2007, Axiom (o)] notwendig. 2.) Die adiabatische Ausdehnung verringert die Energiedichte und ermöglicht letztlich die Atombildung. Ob es davor eine allgemeine Verschränkung gab oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Mit der Atombildung faktorisiert die universelle Wellenfunktion. Zugleich ändert sich die Gesamtsituation geradezu „revolutionär“. - Das Universum wird „durchsichtig“, womit atomare Materie und Strahlung entkoppelt werden, zwei „Gase“ mit unterschiedlicher Ausdehnungsgeschwindigkeit bilden und im weiteren Verlauf zwei unterschiedliche Temperatur-Niveaus ausbilden. - Für das atomare Gas bestimmt nunmehr die Gravitation – und dies ist ganz klassische Mechanik! – das weitere Geschehen. - Die Schrödinger-Dynamik wird quasi suspendiert; sie wird zur „Statik“ und spielt nur in der Wechselwirkung mit Licht eine Rolle. - Darüber hinaus entsteht erst mit dem Atom so etwas wie „Ort“ bzw. Lokalität. Davor waren diese Begriffe unbedeutend bis sinnlos – nun werden sie wichtig! - Mit den „Orten“ der Atome entsteht der Abstand zueinander und damit ein zusätzlicher Freiheitsgrad für ungerichtete kinetische Energie, die wir als Wärme empfinden. 3.) Die Schrödinger-Dynamik kommt erst wieder ins Spiel, nach dem sich Festkörper gebildet haben – und sie spielt sich nun im Inneren dieser Festkörper ab. Letzteres ist durch die Materialwissenschaft und die Chemie hinreichend geklärt. Entscheidend ist es zu erkennen, das Gase, Flüssigkeiten und Festkörper (stoffliche Materie) zwar aus atomarer bzw. subatomarer Quanten-Materie bestehen, das Ganze aber stets mehr als die Summe seiner Teile ist und sich daher auch anders verhält. 4.) Erst Milliarden Jahre später kommen bewusste Lebewesen auf einem relativ unbedeutenden Planenten auf die Idee, die vermeintlichen „Einzelteile“ von Festkörpern zu untersuchen und wundern sich, dass ihre Vorurteile zu Widersprüchen führen – u.a. zum Messproblem. Das Messproblem 5.) Höchst salopp gesprochen besteht das Messproblem darin, dass wir die Quanten-Materie und ihren Eigengesetzlichkeiten mit ihrem emergenten Entwicklungsprodukt, der stofflichen Materie, die sich nach anderen Gesetzlichkeiten verhält, konfrontieren. 6.) Die Eigengesetzlichkeit der Quanten-Materie lässt sich leicht unter den Begriffen Superposition und Verschränkung zusammenfassen. Die Eigengesetzlichkeiten der stofflichen Materie sind bekannt. Hierzu gehört das Prinzip der Lokalität, dass, wie oben gezeigt, erst mit dem Atom entstanden sein kann. 7.) Genauer formuliert besteht das Messproblem darin, dass die für Quanten-Materie (unter sich) zutreffende Gesetzlichkeit nur Superposition und Verschränkung kennt und deren Wechselwirkung mit stofflicher Materie bisher nur statistisch oder mit zusätzlichen Annahmen erklärt werden kann. Meine Schlussfolgerungen: 8.) Die „Kopenhagener Deutung“ ist zwar in bezug auf die Quantenmechanik in sich konsistent, aber nur unter Leugnung der Realität von Quanten-Materie. Sie steht damit im Widerspruch zu anderen Erkenntnissen. Elektrische Leitfähigkeit oder chemische Affinitäten können da nur Mysterien sein. 9.) Die abgeschwächten Varianten der KD, oft auch als Standard oder statistische Interpretation bezeichnet, sind entweder begrifflich nicht konsistent oder leugnen ebenfalls die Realität von Quanten-Materie. Um es deutlich zu machen: Elektronen, Protonen und Neutronen sind unleugbar Elemente der Realität. Die Wellenfunktion beschreibt das Verhalten dieser Elemente der Realität und das Absolutquadrat der Wellenfunktion ist ein Maß für die Intensität bzw. Dichte dieser Elemente der Realität. Ohne den Begriff der Ladungsdichte lassen sich chemische oder auch makrophysikalische Eigenschaften wie die Dipol-Eigenschaft des Wassers nicht sinnvoll erklären. Es kann sich also nicht nur um reine Rechenvorschriften handeln. Es gibt in der Natur deutlich mehr zu beobachten als Messgeräte. 10.) Der Versuch, die Eigengesetzlichkeiten der Quanten-Materie auf stoffliche Materie als Ganzes anzuwenden, ist eine unzulässige Simplifizierung, die auf die Analyse des Messprozesses durch John von Neumann 1932 zurückgeht. („Princeton-Schule“) Das Superpositionsprinzip ist auf Festkörper nicht anwendbar (siehe 3) und es wurde auch noch nie beobachtet. 11.) Die „Priceton-Schule“ muss wegen 3) und 10) zusätzlich einen ungeklärten „Kollaps der Wellenfunktion“ annehmen kommt damit standardmäßig auch nur zu einer statistischen Erklärung. 12.) Die Dekohärenz/VWI-Interpretation, die aus der „Princeton-Schule“ hervorgegangen ist, d.h. die Traditionslinie Everett – Zeh – Zurek u.a., hat die unter 10) angesprochene Simplifizierung mitgeschleppt und landet genau deshalb bei absurden „Viele Welten“. 13) Bleibt die Bohmsche Mechanik, die ohne Absurditäten das Messproblem löst. Ihr ontologisches „Teilchen“-Bild steht allerdings im krassen Widerspruch zur Eigengesetzlichkeit der Quanten-Materie. Hier ist Zeh zuzustimmen, dass es keine Diskretheit gibt. 14.) Es gibt also noch einiges zu erforschen. Interessant wäre z.B. die Fragestellung nach den Gemeinsamkeiten von Quantenmechanik und Elektrodynamik.
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mit freundlichem Gruß aus Hannover Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion Ge?ndert von RoKo (11.03.12 um 13:07 Uhr) Grund: Layout |
#2
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AW: Zum Emergenz- und Messproblem
Zitat:
woher hast du diese Definition? Ich habe die Definition der Wellenfunktion aus meinen Büchern und auch bei Wiki etwas anders in Erinnerung: Zitat:
M.f.G. Eugen Bauhof
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Ach der Einstein, der schwänzte immer die Vorlesungen – ihm hatte ich das gar nicht zugetraut! Hermann Minkowski |
#3
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AW: Zum Emergenz- und Messproblem
Hallo Bauhof,
ich beziehe meine Informationen nicht aus ungenauen Quellen z.B. wie Wikipedia. Nicht nur nach meiner Erinnerung, sondern in Übereinstimmung mit diversen Vorlesungsskripten oder grundlegenden wird der Zustand eines quantenmechanischen Systems durch einen Vektor im Hilbertraum beschrieben und die Wellenfunktion beschreibt die zeitliche Entwicklung des Systems. Dass sich aus dem Absolutquadrat der Wellenfunktion die Intensität (z.B. eines Laserstrahls) oder die Dichte (z.B. eines Elektronenstrahls) ergibt, ist gängige Physik und lässt sich experimentell nachweisen. Das dies bei kleinstmöglicher Intensität bzw. Dichte auch zu einem Maß für die Wahrscheinlichkeit, ein "Teilchen" anzutreffen wird, ist doch unmittelbar einsichtig. Der Begriff Intensität bzw. Dichte ist doch nicht an ein Kontinuum gebunden. Zitat:
Zitat:
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mit freundlichem Gruß aus Hannover Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion |
#4
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AW: Zum Emergenz- und Messproblem
Zitat:
Unter "Leugnen" verstehe ich etwas anderes. Man mag den lokalen Realismus vermissen. Mit welcher Begründung sollte man etwas Leugnen, das es den EPR-Experimenten zufolge und in Übereinstimmung mit der KD nicht gibt? Gruß, Timm
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Der Verstand schafft die Wahrheit nicht, sondern er findet sie vor - Aurelius Augustinus |
#5
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AW: Zum Emergenz- und Messproblem
Zitat:
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mit freundlichem Gruß aus Hannover Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion |
#6
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AW: Zum Emergenz- und Messproblem
Hi RoKo,
Das hat mit genauer Formulierung nichts zu tun: Zitat:
Erklär mal Deine Begriffe sauber, bzw. argumentier mal mit präzise. Dann erst versteht man, worauf Du hinaus willst. Grüsse Fossilium |
#7
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AW: Zum Emergenz- und Messproblem
Hallo RoKo
Ich gehöre nicht zu den Belesenen des "inner-Circle", dennoch ein/ zwei Fragen. Ist der Begriff "Quantenmaterie" deine eigene Schöpfung ? Ich habe bisher verstanden: Die Gesamtwirkung aller Gesetzmäßigkeiten die für Quantenobjekte gelten, haben ein eigenständiges physikalisches Verhalten, welches mit den einzelnen Beschreibungen von Superposition/ Tunneleffekt/ KD usw. in seiner Gesamtheit nicht ausreichend beschrieben wird. ?? Wäre dann z.B. ein Elektron = Quantenmaterie, da es subatomar ist, also keine Materie, ungleich chemische Aggregatzustände, aber mehr/ anders als z.B. Photon ? Dem würde ich zustimmen. Mir scheint, dass unser Wortschatz in Bezug auf Quantenobjekte um vereinheitlichte, wenn geht deutsche und dennoch einfache Begriffe erweitert werden müsste. Kreativität ist da ein Weg... .. und es gibt auch immer gut erkennbaren Alarm von Belsenen für deren Maß ;-). Gruß Merman Ge?ndert von mermanview (12.03.12 um 21:06 Uhr) |
#8
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AW: Zum Emergenz- und Messproblem
Zitat:
Gruß EMI
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Sollen sich auch alle schämen, die gedankenlos sich der Wunder der Wissenschaft und Technik bedienen, und nicht mehr davon geistig erfasst haben als die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie mit Wohlbehagen frisst. |
#9
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AW: Zum Emergenz- und Messproblem
Zitat:
Zitat:
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mit freundlichem Gruß aus Hannover Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion Ge?ndert von RoKo (12.03.12 um 15:17 Uhr) |
#10
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AW: Zum Emergenz- und Messproblem
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile
Die o.a. Klassifizierung Quantenmaterie – Atome/Moleküle – Stoffliche Materie ist inhaltlich nichts neues, sondern nur eine begriffliche Zusammenfassung. Sie erhält ihre Berechtigung wesentlich aus der historischen Entwicklung des Universums: Aus ursprünglicher Quantenmaterie „frieren“ Atome aus, die sich unter dem Einfluss der Gravitation zu stofflicher Materie zusammenballen. Etwas mehr hatte ich dazu bereits im Eingangsbeitrag unter 1.)-4.) geschrieben. Eine umfassendere Darstellung findet sich z.B. in „Chaos und Kosmos“ [Ebeling/Feistel 1994] http://www.amazon.de/Kosmos-Prinzipi.../dp/3860253107 Des weiteren geht es mir darum, den Unterschied zwischen Quantenmaterie und stofflicher Materie herauszustellen. Beide Materie-Klassen weisen völlig unterschiedliche Verhaltensweisen auf. Erstere werden durch die Quantenphysik, letztere als Ganzes, als System, durch die klassische Physik beschrieben. Im Inneren der stofflichen Materie taucht die Quantenphysik jedoch wieder auf. Welche Rolle sie dort spielt, ist durch die Materialwissenschaft [z.B. AMAT Uni Kiel] hinreichend geklärt. Klassische Physik ist deshalb kein wie auch immer gearteter Spezialfall der Quantenphysik. Alle Erklärungsversuche in diese Richtung sind bisher gescheitert und werden schon allein deshalb scheitern, weil es für den „Spin“ keine klassische Entsprechung gibt. Klassische Physik ist emergentes Verhalten des Ganzen, was seine Teile für sich betrachtet nicht zeigen. Es ist also so, wie es Aristoteles schon sagte: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“. [zu diesem Thema gibt es umfangreiche Literatur – ich verweise deshalb auf die homepage von Bertram Köhler – Nachdenken über Evolution]
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mit freundlichem Gruß aus Hannover Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion |
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