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Quantenmechanik, Relativitätstheorie und der ganze Rest. Wenn Sie Themen diskutieren wollen, die mehr als Schulkenntnisse voraussetzen, sind Sie hier richtig. Keine Angst, ein Physikstudium ist nicht Voraussetzung, aber man sollte sich schon eingehender mit Physik beschäftigt haben.

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  #1  
Alt 09.08.11, 21:09
Benutzerbild von Gandalf
Gandalf Gandalf ist offline
Singularität
 
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Standard Mögliche Irrtümer und Mißverständnisse über die Quantentheorie

Professor H.D. Zeh beschreibt auf seinen Seiten neben einigen interessanten Artikeln in einem Anhang die aus seiner Sicht verbreitetsten Irrtümer und Mißverständnisse über die Quantentheorie.

Ich denke jeder Punkt für sich ist allein schon eines eigenes Themas oder zumindest näherer Betrachtung wert. Zumindest sollte das 'Verstehen' von QM-Zusammenhängen gefördert werden, auch wenn man nicht (wie Zeh) nach der VWT interpretieren möchte.

http://www.zeh-hd.de/

Ich stell sie einfach mal hier rein:

H.D. Zeh: Einige der m.E. verbreitetsten Irrtümer und Mißverständnisse über die Quantentheorie

Zitat:
1. Die Schrödingergleichung beschreibt eine Wellenfunktion in Raum und Zeit.
1a. Jedes Elektron besitzt eine Wellenfunktion.
1b. Quantennichtlokalität bedeutet, daß die Wellenfunktion räumlich ausgedehnt ist.


Richtig ist vielmehr: Die Wellenfunktion ist im Konfigurationsraum definiert. Nur für Massenpunkte (einzelne „Teilchen“) ist dieser ausnahmsweise zum Ortsraum isomorph. Diese Eigenschaft der Wellenfunktion definiert auch die spezifisch quantenmechanische „Nichtlokalität“, die aber durchaus im Einklang mit einer lokalen Dynamik (auch „Einstein-Lokalität“ oder „relativistische Kausalität“ genannt) steht.
Zitat:
2. Mikroskopische Systeme existieren immer in Eigenzuständen ihres Hamiltonoperators (historisch als Bohrsche Bahnen interpretiert).

Richtig ist vielmehr: Mikroskopische Systeme können in beliebigen Lösungen der zeitabhängigen Schrödingergleichung existieren. Ihr bevorzugtes Auftreten in Energieeigenzuständen ist eine spezifische Konsequenz von Dekohärenz für mikroskopische Systeme.
Zitat:
3. Verschränkung ist eine gelegentlich auftretende, aber normalerweise instabile Quanteneigenschaft, die speziell präpariert werden muß.

Richtig ist vielmehr: Verschränkung ist eine ganz allgemeine Eigenschaft quantenmechanischer Systeme, die im Prinzip immer als Subsysteme des ganzen Universums zu betrachten sind. Daher müssen umgekehrt separierende Zustände speziell präpariert werden. Sie sind normalerweise instabil – umso mehr, je dichter die Energiespektren der wechselwirkenden Systeme sind. Das läßt auch die Konstruktion von makroskopischen Quantencomputern ziemlich aussichtslos erscheinen.
Zitat:
4. Verschränkung beschreibt eine statistische Korrelation zwischen Quantensystemen.

Richtig ist vielmehr: Verschränkung ist eine Eigenschaft individueller Quantenzustände. Sie wird aber gewöhnlich durch die Dekohärenz bei Messungen in „effektive“ statistische Korrelationen umgewandelt, wobei die Interpretation dieses Vorgangs eines der strittigen Grundprobleme darstellt.
Zitat:
5. (Anti-)Symmetrisierung der Wellenfunktion ist eine Form von Verschränkung.

Richtig ist vielmehr: Die (Anti-)Symmetrisierung der Wellenfunktion beschreibt lediglich eine rein formale (unphysikalische) Verschränkung mit bedeutungslosen Teilchennummern, die man einfach eliminieren kann, indem man den Formalismus der zweiten Quantisierung (Besetzungszahldarstellung) benutzt. Physikalisch sinnvoll sind dagegen Einteilchenwellenfunktionen (also auch Ortseigenzustände), die daher normalerweise untereinander und mit den zugehörigen Spinvariablen verschränkt sind.
Zitat:
6. Die Dirac-Gleichung ist eine relativistische Verallgemeinerung der Schrödingergleichung.

Richtig ist vielmehr: Da die Schrödingergleichung im Konfigurationsraum definiert ist, kann die Dirac-Gleichung nicht ihre Verallgemeinerung darstellen. Relativistische Quantenmechanik verlangt vielmehr eine Quantenfeldtheorie, bei der die Feldamplituden an allen Orten (gekoppelte Oszillatoren) den Konfigurationsraum bilden. Spinorfelder (wie das Diracfeld) können jedoch nicht als klassische Felder auftreten, da sie z.B. unter Drehungen um 2π ihr Vorzeichen wechseln. Deshalb wurde das Elektronenfeld (zunächst in chtrelativistischer Form) als „Einelektronenwellenfunktion“ entdeckt. Diese ist aber eigentlich eine Superposition verschiedener Feldmoden im einfach angeregten Oszillatorzustand (was man als „ein Teilchen“ interpretiert).
Zitat:
7. Atome verändern ihren Zustand (nur oder gelegentlich) durch diskrete Quantensprünge.

Richtig ist vielmehr: Atomzustände verändern sich stetig gemäß der zeitabhängigen Schrödingergleichung. Falls diese Dynamik auch Wechselwirkungen mit anderen Systemen (wie Meßapparaten) oder mit der Umgebung einschließt, kann die Veränderung wegen der Schnelligkeit des Dekohärenzprozesses lokal als spontaner Quantensprung erscheinen.
Zitat:
8. Makroskopische Eigenschaften (insbesondere Meßergebnisse) müssen mit vorauszusetzenden klassischen Begriffen beschrieben werden.

Richtig ist vielmehr: Quasi-klassische Begriffe lassen sich durch Dekohärenz begründen und rein quantenmechanisch verstehen.
Zitat:
9. Der Heisenbergschnitt ist beliebig zwischen Objekt und Beobachter positionierbar.

Richtig ist vielmehr: Das ist nur möglich, solange man klassische Konzepte (wie Partikeleigenschaften) nicht schon im mikroskopischen Bereich verwendet und dadurch relevante Superpositionen ausschließt. Laut Bohr ist der Schnitt jedoch an das Ende des Meßprozesses zu legen, wo er mittels Dekohärenz auch effektiv begründbar ist. Weitergehende Superpositionen sind deswegen zwar phänomenologisch nicht mehr erforderlich, ergeben sich aber notwendigerweise aus einer als allgemein angenommenen Unitarität der Dynamik.
Zitat:
10. Heisenberg- und Schrödingerbild sind äquivalent.

Richtig ist vielmehr: Eine Äquivalenz gilt lediglich für phänomenologische Erwartungswerte bei abgeschlossenen Systemen, deren Hamilton-Operator wohldefiniert ist. Auf keinen Fall betrifft sie die Dynamik von Messprozessen, wie sie erstmals konsequent durch von Neumann formuliert wurde, oder die Dynamik anderer offener Systeme mit unbestimmtem (weil verschränktem) Umgebungszustand. Der Begriff eines zeitabhängigen Hamilton-Operators ist ein in der Quantentheorie grundsätzlich nicht mehr gerechtfertigtes klassisches Relikt.
Zitat:
11. Dekohärenz entsteht durch einen störenden Einfluß der Umgebung auf das System.

Richtig ist vielmehr: Bei reiner Dekohärenz „stört“ (beeinflußt) das System die Umgebung und nicht umgekehrt. Der Dekohärenzeffekt am System selber ergibt sich nur als Konsequenz der daraus resultierenden Verschränkung.
Zitat:
12. Dekohärenz erklärt den indeterministischen Kollaps der Wellenfunktion, wie man z.B. mit Hilfe der Dichtematrix sieht.

Richtig ist vielmehr: Die Dichtematrix ist lediglich ein formales Werkzeug, das selber auf der statistischen Interpretation beruht und diese daher nicht erklären kann.
Zitat:
13. Die von Einstein und Bell diskutierte Nichtlokalität erfordert eine “geisterhafte Fernwirkung”.

Richtig ist vielmehr: Der Quantenzustand ist bereits nichtlokal und erfordert daher keine Fernwirkung mehr. Das Problem lautet eher umgekehrt: Wieso können wir diese nichtlokalen Zustände makroskopisch durch lokale (klassische) Eigenschaften beschreiben? Der kopenhagener Verzicht auf jede Quantenrealität erscheint mir u.a. als ein Versuch, diese Nichtlokalität zu „vertuschen“.
Zitat:
14. Bei der “Quantenteleportation” wird

(a) ein Objekt von einem Ort zum anderen transportiert oder aber
(b) der Zustand eines entfernten Objekts (instantan?) verändert.


Richtig ist vielmehr: Wegen der Nichtlokalität des Quantenzustands ist die zu teleportierende Eigenschaft (oder eine kausale Vorstufe dazu) bereits nach dessen Präparation in einer seiner Komponenten am gewünschten Ort. Diese Komponente muß dann nur noch durch Dekohärenz zu einer eigenständigen „Welt“ werden (ähnlich wie eine Spinkomponente im Bellschen Experiment durch Messung des entfernten Spinors).
Zitat:
15. Beim „Quantenradierer“ wird die Information über ein früheres Meßergebnis vernichtet (“ausradiert”), wodurch die komplementäre Eigenschaft, z.B. in Form eines Interferenzbildes, wieder beobachtbar wird.

Richtig ist vielmehr: Ein „Radieren“ (also eine Transformation der physikalisch vorliegenden Information in unkontrollierbare, also etwa thermische Freiheitsgrade) würde die Dekohärenz nur verstärken. Der sogenannte Quantenradierer erfordert eine Refokussierung der Superposition auf das lokale System – also den physikalischen Vorgang einer Rekohärenz, der nur bei mikroskopischen Systemen realisierbar ist.
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Warum soll sich die Natur um intellektuelle Wünsche kümmern, die "Objektivität" der Welt des Physikers zu retten? Wolfgang Pauli
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  #2  
Alt 09.08.11, 21:12
Benutzerbild von Gandalf
Gandalf Gandalf ist offline
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Registriert seit: 01.05.2007
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Standard AW: Mögliche Irrtümer und Mißverständnisse über die Quantentheorie

.... und weiter:
Zitat:
16. Linien in Feynman-Diagrammen repräsentieren Partikel.

Richtig ist vielmehr: Diese Linien symbolisieren ebene Wellen oder andere Feldmoden in bestimmten Integralen, welche S-Matrixelemente oder andere Übergangsamplituden im Sinne der unitären Schrödingergleichung darzustellen vermögen.
Zitat:
17. Zähler-Klicks, Spuren in der Wilson-Kammer, usw. sind Indizien für das Auftreten von mikroskopischen Partikeln oder Ereignissen.

Richtig ist vielmehr: Diese Phänomene lassen sich mit Hilfe von Dekohärenz als Konsequenzen einer globalen Wellenfunktion verstehen.
Zitat:
18. Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren beschreiben diskrete Ereignisse.

Richtig ist vielmehr: Diese Operatoren treten dynamisch im Hamiltonoperator auf, der eine kontinuierliche, unitäre Entwicklung zu beschreiben gestattet. Diese führt zu Superpositionen unterschiedlicher Teilchenzahlen („virtuelle“ Teilchenerzeugung). Erst deren irreversible Dekohärenz vermag das Phänomen „realer“ Teilchenerzeugung in Form scheinbar diskreter Ereignisse zu erklären.
Zitat:
19. Im Vakuum oder in anderen Grundzuständen wechselwirkender Systeme treten wegen der Unschärferelation ständig Fluktuationen, z.B. in Form virtueller Teilchen, auf.

Richtig ist vielmehr, daß Energieeigenzustände absolut statisch sind. Das Bild von zeitabhängigen Fluktuationen ist ein irreführender klassischer Hilfsbegriff, der nur dazu dient, die Nichtanwendbarkeit klassischer Begriffe, die Existenz verschränkter Zustände oder die Unbestimmtheit der Ergebnisse potentieller Messungen klassisch aber keineswegs konsistent zu umschreiben.
Zitat:
20. Quantentheorie und (allgemeine?) Relativitätstheorie sind inkompatibel.

Richtig ist vielmehr: Die Allgemeine Relativitätstheorie wurde (in ihrer erst später entwickelten Hamiltonschen Formulierung) im gleichen Sinne wie etwa die Mechanik oder die Elektrodynamik quantisiert, was auf die Wheeler-DeWitt-Gleichung führt (auch Einstein- Schrödinger-Gleichung genannt). Dabei treten allerdings neuartige (wenngleich lösbare) Interpretationsprobleme auf. Daß die Quantengravitation bei hohen Energien eine Modifikation der Theorie (etwa im Zusammenhang mit einer Vereinheitlichung aller Kräfte) zu erfordern scheint, ist kaum überraschend und kein Argument gegen ihre kanonische Niederenergienäherung, verstanden als eine „effektive Theorie“ wie die QED.
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Warum soll sich die Natur um intellektuelle Wünsche kümmern, die "Objektivität" der Welt des Physikers zu retten? Wolfgang Pauli
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  #3  
Alt 09.08.11, 22:19
RoKo RoKo ist offline
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Registriert seit: 12.11.2009
Beitr?ge: 996
Standard AW: Mögliche Irrtümer und Mißverständnisse über die Quantentheorie

Hallo zusammen,

3,4,11 und 17 betrachte ich als strittig, da ihnen ausschließlich die VWI-Betrachtung zu Grunde liegt.
__________________
mit freundlichem Gruß aus Hannover

Unendliche Genauigkeit ist eine Illusion
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  #4  
Alt 10.08.11, 10:34
Hawkwind Hawkwind ist offline
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Standard AW: Mögliche Irrtümer und Mißverständnisse über die Quantentheorie

Zitat:
Zitat von RoKo Beitrag anzeigen
Hallo zusammen,

3,4,11 und 17 betrachte ich als strittig, da ihnen ausschließlich die VWI-Betrachtung zu Grunde liegt.

Der Titel sollte vielleicht teils besser heissen:
"Mögliche Irrtümer und Mißverständnisse über die Deutung der Quantentheorie mittels Vieler Welten",
obwohl viele Punkte sich aber auch ganz allgemein auf QM, relativistische QM und QED beziehen.
Zehs Punkte kommen mir im Großen und Ganzen (soweit ich sie verstehe)recht plausibel vor: die "Umgangssprache" von Physikern und v.a. von Physik-Publizisten wird präzisiert.
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