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14. Dezember 2000:


100 Jahre Quantentheorie


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Beamen von Quantenzuständen


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Heisenbergsche Unschärferelation


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1. November 2003:


Kernspintomographie


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Die spinnen, die Kerne!

Günter Sturm, ScienceUp Sturm und Bomfleur GbR,
Camerloherstr. 19, D-85737 Ismaning,
Quanten.de Newsletter, 1. November 2003,
ISSN 1618-3770

www.ScienceUp.de


Die Kernspinresonanztomographie, auch Magnetresonanztomographie genannt, ist ein medizinisches Thema, und das hier auf Quanten.de? Das ist kein Widerspruch: Viele bedeutende Errungenschaften der Medizin, wie z. B. die Röntgendiagnostik, beruhen auf physikalischen Erfindungen, wobei die Entdeckung der Kernspintomographie 30 Jahre zurückliegt. Bereits zu Beginn der 70er-Jahre wurden von Paul Lauterbur (Universität von Illinois) und Peter Mansfield (Universität Nottingham) bahnbrechende Experimente zur Kernspinresonanztomographie durchgeführt, welche jetzt mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet wurden.

Darüber wurde bereits ausführlich in den Medien berichtet. Wir wollen hier die Vorteile dieser für den Menschen unschädlichen und trotzdem sehr genauen Untersuchungsmethode nicht noch einmal wiederholen, sondern das quantenphysikalische Prinzip der Kernspintomographie erklären. Und zwar so, dass Sie es wirklich verstehen können. Ein großes Ziel. Lassen Sie uns anfangen:

Überall sind Kernspins

Die Materie, Sie selbst, alles ist aus Atomen aufgebaut. Atome bestehen aus einem positiv geladenen, im Vergleich zum gesamten Atom winzigen, Atomkern und einer Hülle aus Elektronen. Eine besondere Eigenschaft von Atomkernen ist der sogenannte Kernspin. Hierüber haben wir bereits in mehreren Newslettern berichtet. Meine Empfehlung: Lesen Sie vorab (noch) einmal unsere Newsletter über Fermionen und Bosonen und Quantencomputer.

Im Folgenden soll zuerst die Untersuchungsmethode Kernspinresonanz-Spektroskopie etwas genauer vorgestellt werden, da diese die Grundlage zum Verständnis der Kernspintomographie bildet.

Kernspinresonanz

Viele Atomkerne, darunter das Proton, der Kern des Wasserstoffatoms, besitzen einen Drehimpuls oder "Kernspin" P. Mit diesem Kernspin ist ein magnetisches Moment µ verknüpft. Die Proportionalitätskonstante wird gyromagnetisches Verhältnis genannt:


Anschaulich kann man sich das so vorstellen, dass der "rotierende" geladene Atomkern aufgrund seiner rotierenden Ladung ein Magnetfeld erzeugt und so eine Art "Mini-Stabmagnet" (magnetisches Moment) wird. Um entrüsteteten Kommentaren zuvorzukommen: Das ist sehr stark vereinfacht und entspricht nicht der Realität.

Sowohl der Kernspin als auch das magnetische Moment sind Vektoren, sie haben also einen Betrag und eine bestimmte Richtung.

Nach der Quantentheorie ist der Betrag des Kernspins gegeben durch:


Hierbei kann I, die Kernspinquantenzahl, nur ganzzahlige oder halbzahlige Werte annehmen. Die Proportionalitätskonstante ist das Planksche Wirkungsquantum. Nebenbei bemerkt: Oft wird die Kernspinquantenzahl I selbst als "Kernspin" bezeichnet, obwohl das physikalisch nicht richtig ist.

Die Größe des Kernspins kann also nur bestimmte, abgestufte Beträge einnehmen. Sie ist "gequantelt". Und auch die Richtung des Kernspins ist gequantelt: In einem äußeren Magnetfeld darf die Komponente des Kernspin-Vektors, die parallel zum Magnetfeld verläuft, nur ganzzahlige Vielfache m des Plankschen Wirkungsquantums annehmen. In der folgenden Grafik soll das Magnetfeld in z-Richtung zeigen:


Wir wollen uns in der Diskussion ab jetzt auf Wasserstoff-Kerne beschränken, da diese die größten experimentellen Anwendungsmöglichkeiten bieten. Wasserstoffkerne (Protonen) haben eine Kernspinquantenzahl I von 1/2. In einem Magnetfeld sind damit nur zwei Einstellungen zu diesem Magnetfeld möglich: Die mit m = +1/2 und die mit m = -1/2, oder einfacher gesagt, "rauf" und "runter".

Beiden Einstellungen haben nicht die gleiche Energie. Eine von beiden ist etwas energiereicher. Es gibt also zwei Energieniveaus mit einem bestimmten Energieabstand zwischen diesen Niveaus. Je größer das Magnetfeld H, desto größer wird dieser Energieabstand E:


Diesen Energieabstand kann man gleich der Formel für die Energie eines Lichtquantes, setzen. Bestrahlt man eine Substanz in einem Magnetfeld mit Licht einer bestimmten Energie , so kann man den durch die Kernspins vorgegebenen Energieabstand "treffen". Man sagt, die Kernspins geraten "in Resonanz" mit dem eingestrahlten Licht. Diese Übereinstimmung des Energieabstands mit der Energie der eingestrahlten Strahlung ist mit einem Messgerät erfassbar. Man erhält ein sogenanntes Spektrum, in dem die erhaltene Reaktion des Messgeräts, die Intensität, gegen die Frequenz des eingestrahlten Lichts aufgezeichnet wird:


Die Intensitäten und Zahl der Linien ändern sich je nach Art der untersuchten Atomkerne. Äquivalente Kerne ergeben jeweils ein Signal. Aus einem solchen Kernspinresonanz- oder NMR-(Nuclear Magnetic Resonance)-Spektrum erhält man zahlreiche Informationen über die Struktur der Materie. NMR ist eine der wichtigsten Untersuchungsmethoden in der Chemie und in der Festkörperphysik. In der Praxis verwendet man nicht sichtbares Licht zur Anregung, sondern Radiowellen aus dem UKW bis VHF/UHF(Fernsehfrequenz)-Bereich.

Kernspintomographie

Was ist aber Kernspintomographie? Diese Technik ist ganz eng mit der NMR-Spektroskopie verknüpft. Im Unterschied zur NMR wird hier aber kein konstantes Magnetfeld eingesetzt, sondern ein sich räumlich veränderndes, ein Feldgradient. Das Ziel ist, eine räumliche Abbildung von Materie zu bekommen. Ganz ähnlich wie bei einer Röntgenaufnahme, nur ohne schädliche Strahlung.

Betrachten wir zum Vergleich noch einmal ein NMR Spektrum: In einem NMR-Untersuchungsgerät sollen sich zwei identische Plastikstäbe - räumlich getrennt, in der Abbildung blau gefärbt - im Untersuchungsraum befinden. Plastikstäbe enthalten zahlreiche Protonen und ergeben daher intensive Ausschläge im NMR-Spektrum. Das Magnetfeld ist, wie bei der NMR Spektroskopie üblich und auch notwendig, über den gesamten Untersuchungsraum konstant:


Die beiden identischen Plastikstäbe ergeben ein einziges gemeinsames Signal, sobald die eingestrahlte Frequenz der durch die Protonen hervorgerufenen Aufspaltung im Magnetfeld entspricht. Sie sind mit NMR räumlich nicht unterscheidbar.

Anders sieht es aus, wenn die gleiche Untersuchungsanordnung in ein sich räumlich veränderndes Magnetfeld gebracht wird:


Nun gerät zuerst Stab eins bei geringerer Frequenz des eingestrahlten Lichts, aber eben auch bei dementsprechend geringerem Magnetfeld, in Resonanz mit der eingestrahlten Strahlung. Erst wenn die Frequenz und damit die Energie der eingestrahlten Strahlung weiter erhöht wurde, gerät auch Stab zwei, der sich in einem höheren Magnetfeld befindet, in Resonanz. Das erhaltene Spektrum ähnelt der Lage der beiden Plastikstäbe im Untersuchungsraum. Man erhält also im Spektrum eine räumliche Abbildung. Dieses Prinzip ist in der Spektroskopie auch als Imaging bekannt. Es ist die theoretische Grundlage der Kernspintomographie.

War das schon alles?

Nein, im Detail ist es natürlich noch komplizierter. So erfolgt bei der Kernspintomographie die Untersuchung nicht nur aufgrund der unterschiedlichen Resonanzpositionen in einem Feldgradienten, sondern auch aufgrund unterschiedlicher "Relaxationszeiten". Dies sind die Zeitspannen (im Millisekundenbereich), die die Atomkerne brauchen, um nach einer Resonanz wieder zum Grundzustand zurückzukehren. Die Theorie dieser Relaxation würde den Umfang dieses Artikels bei weitem sprengen. Wir wollen daher auf eine weitergehende Diskussion hier verzichten. Nichtsdestotrotz ist das grundlegende Funktionsprinzip der Kernspintomographie hiermit - hoffentlich verständlich - erklärt.

Günter Sturm

Sie können auch eine PDF-Version dieses Artikels abrufen.

© 2003 ScienceUp Sturm und Bomfleur GbR, Alle Rechte vorbehalten. Nichtkommerzieller Nachdruck und Wiedergabe gestattet bei Quellenangabe ScienceUp Sturm und Bomfleur GbR, www.ScienceUp.de


Interesse bekommen? Als Einführung in die Kernspinresonanz-Spektroskopie empfehle ich folgende zwei Lehrbücher, die sich an Studenten der Physik, Chemie und anderer Naturwissenschaften richten:

Robin K. Harris
"Nuclear Magnetic Resonance Spektroskopie"

Die beste einführende Darstellung der NMR - zumindest für Physiker und Physikochemiker. Organische Chemiker, die weniger an der Theorie, sondern insbesondere an der Spektren-Interpretation interessiert sind, werden enttäuscht sein. Aber alle anderen, die ein (relativ) leichtverständliches und dabei aber doch tiefgehendes Buch zur NMR suchen, werden hier fündig.

Longman Higher Education (1986), ISBN 0582446538
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Manfred Hesse, Herbert Meier, Bernd Zeeh
"Spektroskopische Methoden in der organischen Chemie"



Jetzt kaufen bei amazon.de Ganz im Gegensatz zum "Harris" steht dieses Buch: Ein Horror für die meisten Physiker, jedoch ein absolutes Muss für jeden Chemie-Studenten. Der Harris enthält nicht nur eine Beschreibung der Auswertung von NMR-Spektren, sondern darüber hinaus das gesamte Rüstzeug, um aus vielen einzelnen spektroskopischen Informationen wie IR, UV/VIS, GC, MS etc. zuverlässig die Struktur von Molekülen zu bestimmen.

Thieme, Stuttgart (2002), ISBN: 3135761061
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