|
Dr. rer. nat. Günter Sturm
abuse@ Quanten.de
|
|
Ein Kommentar von Dr. Hendrik van Hees, GSI-Darmstadt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben nach der Meinung zum Artikel
Anmerkungen zu einem neuen Konzept zur Teleportation von
Bewegungszuständen von Birgit Bomfleur
gefragt. Alles in allem gefällt mir der Artikel sehr gut, er gibt die
quantentheoretischen Grundlagen der Teleportation, also die
Manipulation von Teilchen in verschränkten Zuständen korrekt wider.
Es sollte jedoch klargestellt werden, daß bei einer Messung einer
Einteilchenobservable an einem Teilchen eines sich in einem
verschränkten Zustand befindlichen Teilchenpaares, die weit
voneinander entfernt sind (was eine störungsfreie (also nicht
dekohärierende) Evolution des Zustandes verlangt), eben keine
Fernwirkung aufgrund der Wechselwirkung des Meßapparats mit dem
System stattfindet.
Dies war schon das grundlegende Mißverständnis von Einstein, Podolsky
und Rosen in ihrem berühmten Artikel, in dem die Unvollständigkeit
der Quantentheorie behauptet wurde.
Vielmehr ist aber die Wechselwirkung des Meßapparats und des Objekts
lokal. Die Verschränkung ist bereits vorhanden und durch die
störungsfreie (unitäre) Zeitevolution des Systems erhalten geblieben,
bis sich die Teilchen hinreichend weit voneinander entfernt haben.
Die Verschränkung beschreibt eine nichtklassische Korrelation.
Nichtklassisch ist die Korrelation deshalb, weil, wie im Artikel auch
korrekt dargestellt, keine Einteilchenobservable objektiv ist, wenn
das System in einem verschränkten Zustand präpariert ist, d.h. keine
Einteilchenobservable besitzt einen scharfen Wert. Der Zustand gibt
jedoch die Wahrscheinlichkeitsverteilung für jede
Einteilchenobservable an, man hat nur über den Einteilchenraum des
einen Teilchens zu "tracen". Es ergibt sich dann ein
quantenmechanisches Gemisch (=Dichtematrix) für die
Einteilchenobservablen.
Eine am Ort x lokale Messung einer Einteilchenobservablen legt aber
nun aufgrund dieser durch die Verschränkung beschriebenen Korrelation
die entsprechende mit ihr verschränkte Einteilchenobservable am Ort y
eindeutig fest, obwohl die Werte der Messung nach den obigen
Ausführungen keinesfalls determiniert sind, determiniert sind jedoch
die Korrelationen zwischen den beiden Einteilchenobservablen.
Es ist auch wichtig, nicht von Teilchen am Ort x und y zu sprechen,
denn sie müssen ja identische Teilchen also Bosonen oder Fermionen
sein. Man muß vielmehr von am Ort x bzw. y gemessenen
Einteilchenobservablen sprechen. Erst nach dieser Messung kommt den
Teilchen bzgl. der gemessenen Einteilchenobservablen eine Identität
zu, wobei eine Messung einer solchen Einteilchenobservablen nur dann
maximal scharf sein kann, wenn dadurch der verschränkte Zustand
zerstört wird.
Weiter ist klar, daß man die Verschränktheit nur dadurch a posteriori
feststellen kann, wenn man hinreichend genau synchronisierte
Messungen macht, so daß man die Einteilchenobservablen durch
Vergleich der Meßprotokolle in Koinzidenz bringen kann. Dazu ist ein
Datenaustausch auf ganz klassischem Wege notwendig.
Durch diese Betrachtungen wird auch klar, daß bei korrekter
Interpretation der Quantentheorie die Einwände von EPR gegenstandslos
sind. Es ist allerdings zu beachten, daß auch die Bohrsche
"Beruhigungsphilosophie" noch nicht ganz den Kern des Problems gelöst
hat, nämlich eine Erklärung des Meßprozesses. In der Kopenhagener
Deutung wird ja Zuflucht in der notwendigen "Klassikalität" des
Meßapparats gesucht. Dabei ist es notwendig, diese Klassikalität des
Meßapparats quantentheoretisch zu verstehen, und dies wird durch die
Dekohärenz bei Meßvorgängen erklärt für alle praktischen Fälle
geleistet. Der Meßapparat muß, damit er eine Messung überhaupt
ermöglicht, so viele Freiheitsgrade besitzen, daß man die
Verschränkung zwischen Meßapparat und Meßobjekt nach der Messung
vernachlässigen kann. Dies reduziert den sog. "Schnitt" (von Neumann)
auf eine aufgrund der Komplexität des Meßapparats notwendige
"Projektion auf relevante makroskopische Informationen"
(Projektorformalismus der Quantenstatistik), so wie man sie auch in
der klassischen kinetischen Gastheorie als selbstverständlich
empfindet. Die Reduktion der Information (verbunden mit einem
Entropiezuwachs) ist dadurch gerechtfertigt, daß aufgrund der großen
Zahl der Microzustände, die einen Macrozustand (in dem Fall etwa die
Zeigerstellung eines Meßgeräts) konstituieren, die statistischen
Schwankungen gegenüber der zu messenden Observablen zu
vernachlässigen sind.
Viele Grüße,
Hendrik van Hees
--> Zurück zum Artikel
|